Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

23. August 2020

Eingebildetheit oder die Einfärbung des Denkens

Unser Denken besteht darin, daß wir unsere Gedanken ausdrücken, also
  • Entsprechungen,
  • Verbindungen (oder Begleitungen),
  • Handlungen,
  • Veränderungen und
  • Erfahrungen.
Hinsichtlich der Verbindungen möchte ich eine Unterscheidung danach anstellen, ob die Begleitung eine willkürliche oder eine unwillkürliche ist. Selbstverständlich kann ein und dieselbe Verbindung für den einen willkürlich und für den anderen unwillkürlich sein, etwa wenn der erste eine Folge von Tönen an einander reiht, welche der zweite hört. Die Unterscheidung ist aber so zu verstehen, ob die Verbindung für irgendjemanden willkürlich ist oder nicht.

Den Akt der willkürlichen Verbindung nennen wir Beilegung oder Einfärbung, an anderer Stelle habe ich ihn auch Zuordnung oder Assoziation genannt. Benennungen sind Beilegungen, und das Komponieren von Musikstücken ist auch eine Form derselben. Es gibt in der Tat mannigfache Beilegungen, welche dazu dienen, die Potenz unseres Denkens und Empfindens zu steigern. Aber es gibt auch Beilegungen, deren Zweck es ist, uns eingebildet zu machen, und damit, wie sich dies zuträgt, möchte ich mich in diesem Beitrag beschäftigen.

Einbilden definierte ich als das Ausmalen der Ethik im Gegensatz zum Bekennen, was ihr Erfassen ist. Etwas Beigelegtes möchte ich auch als Kunstvorstellung oder wieder als Einfärbung bezeichnen. Und also werde ich mich im folgenden mit dem Einfluß von Kunstvorstellungen auf die Ethik beschäftigen.

Kunstvorstellungen beeinflussen alle unsere Gedanken, und insofern sie es tun, möchte ich auch von eingefärbten Gedanken sprechen.

Eingefärbte Erfahrungen. Unsere Erfahrungen werden dadurch eingefärbt, daß Einfärbungen als Hallen fungieren, das heißt, weil wir mit bestimmten Ereignissen bestimmte Kunstvorstellungen verbinden, deren Verkörperungen die Ereignisse sind, bedeutet uns ihr Eintreten etwas besonderes. Beispielsweise färbt unsere Selbstbehauptung unsere Geburtstagsfeiern ein. Daß dabei eine Geburtstagsfeier ein Akt der Selbstbehauptung ist, beruht auf einer Beilegung: Selbstbehauptung ist ein Begriff, welchen wir (ziemlich) willkürlich definieren können (ohne uns lächerlich zu machen), unter welchen also dasjenige fällt, von welchem wir sagen, daß es unter ihn fällt. Umgekehrt gibt es auch Menschen, welche sich einbilden, durch bestimmte Ereignisse gedemütigt zu werden. In allen Fällen macht sich die Beilegung dabei die Vorstellung der menschlichen Selbstbestimmung zu nutze.

Eingefärbte Veränderungen. Veränderungen werden dadurch eingefärbt, daß Einfärbungen als Dramatisierungen fungieren, das heißt, weil sich eine Veränderung auf etwas beigelegtes auswirkt, erscheint sie dramatischer, als sie es sonst wäre. Beispielsweise sehen wir das Verbrennen von Flaggen als dramatischer als das Verbrennen von Hosen an. Daß dabei eine Flagge ein Symbol ist, beruht wieder auf einer Beilegung.

Eingefärbte Handlungen. Handlungen werden dadurch eingefärbt, daß Einfärbungen als Bombast fungieren, das heißt, weil eine Handlung einen beigelegten Sinn erfüllt, erscheint sie uns bombastischer, als sie es sonst täte. Beispielsweise freut sich ein Fußballspieler ungleich mehr, wenn er ein Tor schießt, als sich jemand freut, der einen Kieselstein auf eine vergleichbare Bahn schickt. Hier beruht die Beilegung in allen Fällen auf Beimessung.

Eingefärbte Entsprechungen. Entsprechungen werden dadurch eingefärbt, daß Einfärbungen als Maßstabsverzerrungen fungieren, das heißt, weil Beigelegtes verglichen wird, kommt es zu verzerrten Abwägungen. Beispielsweise kann bereits die nichtigste Unachtsamkeit auf dem Wege der verletzten Ehre zu den schwersten Strafen führen. Alle Fälle hier beruhen darauf, daß neben der Sache selbst noch ein Anspruch, welchen sie auf etwas hat, verglichen wird.

Eingefärbte Verbindungen. Dadurch, daß wir Kunstvorstellungen assoziieren, kommt es zu Vorurteilen, welche als Urteilsersatz fungieren.

Fassen wir also zusammen: Die Ausmalung der Ethik erfolgt durch willkürliche Bewertung, und zwar bei
  • eingefärbten Erfahrungen von Schlüsselreizen nach Selbstbestimmtheit,
  • eingefärbten Veränderungen der Dramatik nach Symbolen,
  • eingefärbten Handlungen der Gewichtigkeit nach Beimessungen,
  • eingefärbten Entsprechungen der Vergleichbarkeit nach Ansprüchen und
  • eingefärbten Verbindungen der Glaubwürdigkeit nach Vorurteilen.
All dies, jede Form der Eingebildetheit, steht der Bekanntwerdung mit Gott im Wege. Die Frage stellt sich, wie sehr die katholische Kirche es darauf abgesehen hat, daß wir mit Gott bekannt werden. Jedenfalls kann man nicht behaupten, daß sie Selbstbestimmtheit zur Bewertung von Schlüsselreizen, Symbole zur Bewertung der Dramatik, Beimessungen zur Bewertung der Gewichtigkeit, Ansprüche zur Bewertung der Vergleichbarkeit und Vorurteile zur Bewertung der Glaubwürdigkeit miede wie der Teufel das Weihwasser. Nun ja, heute mehr als vor 500 Jahren, und doch... Ist es etwa nicht wahr, daß es die Wenigsten mit den Franzosen und Spaniern in puncto Eingebildetheit aufnehmen können?

Nicht, daß es um Deutschland so viel besser stünde, in puncto Bombast sind wir wahrscheinlich sogar Weltmeister, und nicht jede Form von Symbolen und Ansprüchen ist zivilisatorisch gesehen schlecht, wenngleich sie uns alle von Gott trennen, ebenso wie Selbstbestimmtheit und Beimessungen Trost spenden mögen und Vorurteile Sicherheit. Ob aber all diese Eingebildeten erkennen werden, daß ihnen ihre Einbildung im Wege steht? Daß sie notwendig Fiktion ist und bleibt, welche sie von der Wahrheit, und insbesondere ihrer wahren Beziehung zu Gott, trennt, welche sie wahrnehmen und erfassen müssen?

Labels: , , , , , , , , , ,