Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

11. November 2020

Vom Hervortreten der Pharisäer

Überall werden zivilisatorische Standards aufgegeben, um bestimmte propagandistische Wirkungen zu erzeugen; es muß doch etwas zu bedeuten haben.

Doch nähern wir uns dem Gegenstand aus einer anderen Richtung. Der Film The Sorcerers stellt einen beißenden, auf einen bestimmten Typus netter, am Wohlergehen der Jugend anteilnehmender älterer Herrschaften gemünzten Kommentar dar. Es geht um die vordergründig so genannte Amerikanisierung der englischen Jugend, welche sich in der englischen Rock- und Popmusik der 60er und 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts niederschlug. Was natürlich zuerst ins Auge sticht, ist der ungeheuerliche Erfolg dieses Projekts, welcher darauf schließen läßt, daß, wer auch immer diese Entwicklung ins Rollen brachte, in seinem Element gewesen sein muß und genau wußte, was er tat.

Aber was ist denn damals eigentlich passiert? Was gibt der englischen Rock- und Popmusik der 1960er und -70er Jahre ihr Besonderes? Besseren englischen als amerikanischen Blues, besseren englischen als amerikanischen Jazz hat es nie gegeben. Doch sind es gerade diese Einflüsse, welche entscheidend sind. Aber wenn die einzelnen Teile nicht von überlegener Qualität sind, dann kann es nur ihre Integration sein. Diese aber ist untrennbar mit der Formulierung eines Lebensstils, einer Mode, einer Haltung in meiner Terminologie, verbunden. Und ist das nicht das ureigene Territorium der englischen Monarchie? Uniformen, Orden, Zeremoniell. Was wir in der englischen Rock- und Popmusik dieser Zeit sehen, ist die der Jugend gewährte Erlaubnis, sich ihre eigenen Klassen mit den zugehörigen Moden zu schaffen, als Ausdruck ihres individuellen Lebensgefühls, um ihren Selbstrespekt und ihre sozialen Instinkte unter der amerikanischen Hegemonie zu bewahren.

Wie gesagt, ein sehr erfolgreiches Projekt, aber auch nur von begrenzter Haltbarkeit. Indes zeigt sich an ihm das Bemühen der Pharisäer um die gesellschaftlich vorherrschende Haltung, und dieses werden  wir im folgenden allgemeiner betrachten.

Haltungen werden geliebt, und also greift der Liebeszykel:
  • Verläßlichkeit,
  • Frommheit,
  • Güte und
  • Schlagkraft.
Sein Lebensgefühl auszudrücken ist ein Beispiel der Güte, und bedenken wir die Definitionen:
  • Verläßlichkeit: geringgeachtet und ohnmächtig,
  • Frommheit: geringachtend und ohnmächtig,
  • Güte: geringachtend und mächtig,
  • Schlagkraft: geringgeachtet und mächtig.
Eine freie Gesellschaft, ihre Haltung und Macht in Statussymbolen ausdrückende Bürger. Aber das war und ist selbstverständlich nicht überall so. Die deutsche Jugend ist fromm, die Jugend in weiten Teilen der Dritten Welt verläßlich, und im Dritten Reich war die deutsche Jugend schlagkräftig. Alles in Folge der Formung durch die örtlichen Pharisäer. Aber an die Übergänge des Liebeszykels müssen sie sich halten, unmittelbar nach dem Krieg war die deutsche Jugend beispielsweise auch eine Zeit lang verläßlich.

Nun gut, wer sagt, daß tatsächlich Pharisäer involviert sind und es sich nicht um natürliche Vorgänge handelt? Wie eingangs festgehalten sehen wir es heute. Doch fragen wir an dieser Stelle lieber, ob Pharisäer noch etwas anderes als unsere Haltung zu formen trachten. Nun, unsere Orientierung wird durch unsere Haltung, unsere Begrifflichkeit und unseren (objektiven) Glauben bestimmt. Der Einfluß der Pharisäer auf unsere Begrifflichkeit ist einerseits ihr offensichtlichster Einfluß überhaupt, andererseits aber rein instrumenteller Natur, so daß der Liebeszykel dort nicht greift. Gesellschaften, welche Begrifflichkeiten so liebten wie Moden, gibt es auf diesem Planeten jedenfalls zur Zeit nicht. Vielleicht gab es sie in Epochen intellektuellen Aufbruchs, wie etwa in Zeiten der bewußten Weiterentwicklung von Sprachen, welche es in der Vergangenheit angesichts der konzeptuellen Ausgereiftheit mancher Sprachen gegeben haben muß.

Den Liebeszykel auf rein theoretischer Basis auf unsere Begrifflichkeit zu beziehen (verläßliche, fromme, gütige und schlagkräftige Begriffe) mag mit etwas Glück zu brauchbaren Ergebnissen führen, aber in diesem Beitrag halte ich mich lieber an das Beobachtbare. Unseren (objektiven) Glauben trachten die Pharisäer nämlich sehr wohl auf der Basis der Liebe zu gestalten, und sie können auch gar nicht anders, denn die Abfolge der Zeitalter zwingt sie dazu. Genauer gesagt gilt:
  • Glaube an Verläßlichkeit: Wirkungsprinzip,
  • Glaube an Frommheit: Heilsprinzip auf der Basis des Wirkungsprinzips,
  • Glaube an Güte: Verbundenheitsprinzip auf der Basis des Heilsprinzips,
  • Glaube an Schlagkraft: Verbundenheitsprinzip,
womit
  • Verläßlichkeit dem Zeitalter der Wacht entspricht,
  • Frommheit dem Zeitalter der Werke,
  • Güte dem jungen Zeitalter der Wunder und
  • Schlagkraft dem alten Zeitalter der Wunder.
Was den Glauben mächtig macht sind selbstverständlich die transzendenten Akte (die Gnade der Ordnung), welche im Zeitalter der Wacht allerdings als selbstverständlich betrachtet werden und nicht um ihrer Macht willen weiterverfolgt werden. Geringachtend macht den Glauben die Gnade der Erkenntnis, welche gegen Ende des Zeitalters der Wunder schwindet und erst mit dem Zeitalter der Werke von neuem allgemein anbricht (die Ausnahmen im Zeitalter der Wacht sind die Orakel, die heiligen Räte in meiner Terminologe.)

Und nachdem wir dies nun haben, kommen wir zur heutigen Lage. Glaube an Frommheit bedeutet konkret Glaube an eine positive Eschatologie, welche uns weiter in Richtung auf das Erhoffte fortschreiten läßt. Nun haben einige Pharisäer, nicht unbedingt die hellsten Köpfe, die zentrale Bedeutung des Glaubens an Frommheit für die gegenwärtigen frommen Haltungen erkannt, also für die Staatsdienlichkeit. Und also haben sie den Plan ausgeheckt, um die freiheitliche Haltung (die gütige und klassenbewußte) weiterzuverbreiten, die positive Eschatologie durch eine negative (das Aufziehen der New World Order) zu ersetzen. Dies in der Annahme, daß ihre eigene Haltung des Glaubens an Frommheit nicht bedarf. Das ist natürlich irre. Sie können es sich keineswegs leisten, das Heilsprinzip auf der Basis des Wirkungsprinzips aufzugeben. Allerdings würde ihrem Plan kein Erfolg beschieden sein, wenn nicht andere Pharisäer in Ansicht der Dinge, die da werden sollen, ihre Formungsabsichten nur allzu öffentlich zur Schau stellten. Die Menschen sehen das und schenken darum, und nur darum, der negativen Eschatologie Glauben. Der Endeffekt all dieser Unüberlegtheit ist natürlich das Aufziehen des Zeitalters der Wunder, welches die meisten Pharisäer wahrscheinlich für unmöglich halten.

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