Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

15. Januar 2022

Frontverläufe des Glaubens im Rahmen meines Lebens

Die im vorigen Beitrag entwickelten dynamischen Ich-Verständnisse lassen sich zu einer einfachen Klassifizierung der Glauben heranziehen, wie sie bereits im Beitrag Die sieben Feuer des Gerichts angeklungen ist, wobei jeder Glaube durch die Gelübde, welche er ablegt, gekennzeichnet wird, nämlich
  • der schreitende Glaube durch das Gelübde der Unterwerfung unter die Mechanik der Macht,
  • der regelnde Glaube durch das Gelübde der Enthebung zum an sich Schönen und
  • der erfahrende Glaube durch das Gelübde der Auslieferung an die wesentliche Entwicklung.
Wiewohl  der schreitende Glaube das Zeitalter der Wacht bestimmt, der regelnde das der Werke und der erfahrende das der Wunder, gibt es doch viele, welche dem vorigen Glauben anhängen.

Insbesondere handelt es sich bei der in meiner Heimat weit verbreiteten Bissigkeit um den Ärger der Marschgläubigen darüber, daß die Unterwerfung unter die Mechanik der Macht unangenehm ist und noch unangenehmer wird, wenn sich Mitbürger nicht an ihr beteiligen, sondern es vorziehen, sich, aus Sicht der Marschgläubigen, schönen Illusionen hinzugeben.

Schöne Vorstellungen müssen sich nach dem schreitenden Glauben stets durch technologische Ermächtigung beweisen, und das zeichnet eben eine erfolgreiche Verwaltung im Zeitalter der Werke aus, daß sie den regelnden Glauben so zu befeuern weiß, daß er genügend viele Früchte abwirft, um den schreitenden Glauben zu befriedigen.

Indes führt die Mechanik der Macht am Ende des Zeitalters der Werke dazu, daß der Wert menschlichen Lebens der Effizienz des Systems untergeordnet wird, was eben zu zunehmend gereizteren Gemütern bei den Marschgläubigen führt.

Ich war, seit ich drei Jahre alt war, regelungsgläubig. Dies zeigte sich zunächst in meinem Eintreten für die Gerechtigkeit und später an meinem Interesse an der Energiegewinnung. Allerdings wurde mir im Rahmen des Reaktorunfalls zu Tschernobyl klar, daß sich Ökonomie und Sicherheit in unserer Zeit ausschließen, weil keine Mittel zur Verhinderung des unwesentlich Scheinenden vorhanden sind, gleich, ob es sich dabei um Naturkatastrophen oder Krebserkrankungen handelt. Wiewohl Deutschland seitdem Mittel zur Ersetzung der Atomenergie aufgewendet hat, gilt der behauptete ökonomische Zusammenhang weiterhin, und wird noch ganz andere Kosten von der Menschheit fordern, wenn die künstliche Intelligenz weiter voranschreitet. Freilich, was zur Zeit diesbezüglich abläuft, ist in seiner Unverhohlenheit als Lehrbeispiel nicht zu übertreffen.

Es gibt in dieser Lage für Regelungsgläubige also zwei Alternativen, nämlich entweder zu verstehen, daß das Schöne an sich unter den gegenwärtigen Umständen nicht mehr existiert, da es über die Parameter der Effizienz definiert wird, oder politisch darauf zu drängen, die Parameter der Effizienz, wenn nicht aufzuheben, so doch zu verschieben, von einem Bereich in den andern. Das Dumme ist nur, daß Effizienz grundsätzlich und in allen ihren Formen auf das unwesentlich Scheinende keine Rücksicht nimmt, und es sich bei der Verschiebung der Parameter der Effizienz sinnbildlich darum handelt, das Problem unter den Teppich zu kehren.

Ich hatte also mit zwölf Jahren sowohl das Feld der Gerechtigkeit, als auch das der Energiegewinnung für das Schöne an sich als verloren aufgegeben, und damit zugleich meinen Regelungsglauben. Fortan sann ich nur noch darauf, mich durchzuschlagen, bis ich im Alter von 21 Jahren daran erinnert wurde, daß Gläubige dafür verantwortlich sind, ihren Glauben mitzuteilen und der Zukunft gemeinsam zu begegnen. Also besann ich mich wieder auf das Schöne an sich, dieses Mal aber auf dem Feld der Selbsterkenntnis, zu welchem ich mich aus der Vorstellung heraus, daß es mit den Menschen besser werden müsse, wenn sie sich in ihrem Selbstverständnis als Maschine nachgebildet im Spiegel sähen, hingezogen fühlte. Und an dieser Einschätzung hat sich auch nichts geändert, ungeachtet der debilen Darstellung des Gegenstands in den Matrix-Filmen.

Allerdings wurde mir schließlich klar, daß auch das Feld der Selbsterkenntnis für das Schöne an sich verloren ist, wenn die Mechanik der Macht allein die Geschichte bestimmt. Ich möchte sagen, daß ich mit 30 Jahren ungefähr da stand, wo Theodore John Kaczynski stand, als er Industrial Society and Its Future schrieb: Die Bewegtheit des Bestehenden aus sich heraus verstehend und verwerfend. Zu einer höheren Warte gelangte ich erst später. Indes erlaubte es mir mein Festhalten am an sich Schönen, zu der Überzeugung vorzustoßen, daß mein Glaube nicht in Regelung erschöpft sein kann, sondern daß unser Erfahren gottgewollt ist, was mich zur Auslieferung an die wesentliche Entwicklung der Geschichte in der Nacht zum zweiten Weihnachtstag 2004 brachte.

Hieran festzuhalten ist, daß die Marschgläubigen in gleichen Maßen unzufriedener und unversöhnlicher werden, die Regelungsgläubigen zunehmend auf verlorenem Felde stehen, Erfahrungsglaube sehr fremd ist, Regelungsglaube mit dem Schönen an sich zerbricht, Erfahrungsglaube mit der Wesentlichkeit der Entwicklung und Marschglaube mit dem Mechanismus der Macht und Vereinzelung im Glauben sein Zerbrechen begünstigt und also dazu führt, sich nur noch irgendwie durchzuschlagen.

=> Das Zerbrechen des Mechanismus' der Macht ist unausweichlich.

Fürwahr, wie die Gischt ist der Spiegel unsres Weges.

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