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9. Januar 2022

Ethische Autorität und Gehießenheit

Ich sprach davon, daß wir in den drei Modi des Glaubens entweder an Bedingungen festhielten oder sie ablehnten oder sie berichtigten, doch dachte ich dabei an äußere Bedingungen. Grundsätzlich verhält es sich bei unseren inneren Bedingungen nicht anders, also bei unserer Bahn, unserer Erfahrungsweise und unserem Amt, nur daß es dort zusätzlichen Klärungsbedarf gibt.

In soweit wie unsere Bahn, unsere Erfahrungsweise und unser Amt auf immanente Weise beeinflußt werden, gibt es keinen grundlegenden Unterschied zu den äußeren Bedingungen, doch wenn wir für sie beten, können wir dies nur ablehnend oder festhaltend tun, im Normalfall teils teils.

Freilich ergibt es keinen Sinn, fär eine Erfahrungsweise oder ein Amt zu beten, wenn sie bereits bestehen, im Falle der Erfahrungsweise muß sie als unzureichend abgelehnt und mit einem abhängigkeitseinschränkenden Gelübde verbunden werden, um etwas neues zu erfahren, und im Falle des Amtes muß eine das bestehende Verständnis ablehnende Einsicht zum Glauben an die Wirklichkeit eines neuen Gesetzes führen, doch im Falle der Bahn läßt es sich durchaus an ihr festhalten.

Mich interessiert dabei im besonderen der Fall, daß wir uns in einer Erfahrungsweise wiederfinden, welche wir als unserer Art gemäß betrachten. Grundsätzlich beten wir erst dann für unsere Bahn, oder auch das Gehießene, wenn es die Begegnung unseres Wesens (ich beschrieb meines hier) mit unserer Lage erfordert. Theoretisch könnte dies sehr frühzeitig auf der Basis von Prognosen der Fall sein, aber zumeist warten wir die Manifestierung eines Augenblicks ab. Dabei gibt es aber einen Mechanismus, welcher diese Art von Passivität aushebelt, nämlich unsere Akzeptanz von ethischen Autoritäten. Wenn uns klar ist, daß eine ethische Autorität, welche wir akzeptieren, befände oder gar befindet, daß etwas gehießen ist, und es uns also ipso facto heißt, dann mögen wir bereits früher für das Gehießene beten.

Bereits die Vorstellung einer akzeptierten ethischen Autorität bewirkt also, daß wir an überpersönlichen Anstrengungen teilnehmen, also solchen, welche unsere Persönlichkeit sich ihnen unterordnend unterstützt. Finden wir uns nun in einer Erfahrungsweise wieder, so teilen unsere Mitmenschen diese entweder im entscheidenden Ausmaß oder nicht. Wenn sie sie teilen, so ist es natürlich, für überpersönliche Begegnung zu beten, also dafür, daß sich die Welt uns zusammen zeige und uns wie ein fliegender Teppich forttrage, und wenn sie sie nicht teilen, so ist es natürlich, für überpersönliche Mitteilung zu beten, also dafür, daß wir ihrer zusammen teilhaftig würden, denn es ist natürlich, daß eine ethische Autorität, welche wir akzeptieren, gewillt ist, von geteilten Erfahrungsweisen Gebrauch zu machen, mit anderen Worten also sich Verstehende auf einer gemeinsamen Bahn anzuführen, und indem wir uns das vorstellen können, streben wir bereits zu überpersönlicher Mitteilung und Begegnung.

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