Bereitschaftsbeitrag

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4. Februar 2023

Heilsgeschichte und Menschenkenntnis

In jedem Zeitalter ereignen sich Fortschritte, im Zeitalter der Wunder im Rahmen der Überblickung, im Zeitalter der Wacht in jenem der Läuterung und im Zeitalter der Werke im Rahmen der Durchdringung, und diese sind auch öffentlich sichtbar in Form der Bildung, beziehungsweise Partnerschaft oder Kultur, doch das heißt noch lange nicht, daß der Fortschritt zum gesellschaftlichen Ziel erklärt wird.

Da das letzte Zeitalter der Wunder lange zurückliegt, ist es nicht einfach, seine Religionen zu beurteilen, aber von den großen dürfte der Hinduismus ihnen am nächsten kommen, und von den kleinen, was John Boorman im Smaragdwald gezeigt hat.

Und wenn ich mich daran halte, werden Veränderungen im Zeitalter der Wunder zwar durchaus eingeräumt und auch angeregt, aber nicht um der Gesellschaft, sondern um des Einzelnen Willen, derart die Gesellschaft bei hinreichend vielen Veränderungen in Einzelnen notgedrungen mitgezogen wird.

Und im Zeitalter der Wacht werden Veränderungen sogar geächtet, und der Fortschritt in der Läuterung findet in dem Wahn statt, dem mythischen Vorbild keine Schande zu machen, und der in den Partnerschaften wird nicht über den Augenblick hinaus analysiert.

Und also dient die Menschenkenntnis im Zeitalter der Wacht lediglich dazu, den Augenblick bestehbarer oder unbestehbarer zu machen, mögliche Tragödien zu bedenken oder Verlockungen zu erfinden, aber stets nur für den Augenblick. Gut, der Augenblick mag generisch sein, wie jener, für welchen Gesetze erlassen werden, und dann lebt der Gedanke potentiell unendlich fort, aber der entscheidende Punkt hierbei ist die Erwartung, daß sich das Leben nicht entwickelt, sondern sich lediglich in immer neuen alten Variationen wiederholt, so daß nicht mehr geleistet werden kann, als möglichst viele Variationen zu bestehen, vergleiche auch Entfaltungsphasen.

Wenn eine Gesellschaft nun aber einen gemeinsamen Fortschritt anstrebt, also mit anderen Worten an eine Heilsgeschichte glaubt, wie die Juden bereits seinerzeit, so werden ihre Mitglieder die augenblicksbezügliche Menschenkenntnis im Zeitalter der Wacht dazu einsetzen, Lagen zu bereinigen, das heißt solche Kräfte nach Möglichkeit zu verlocken, welche nicht in die Richtung des erwünschten Fortschritts wirken. Es ist undenkbar, daß jemand, der an eine Heilsgeschichte glaubt, dies nicht täte, aber natürlich standen die Juden bei den heidnischen Römern und Griechen bald in einem bestimmten Ruf.

Hat Christus also aus römischer Sicht den Titel König der Juden verdient?

Christus führte eine Reform ein, welche darin bestand, die Lage nicht zu bereinigen zu versuchen, sondern zu verwandeln, das heißt nicht jede unheilige Verirrung mit List und Gewalt zu bekämpfen, sondern sich zunächst Gedanken darüber zu machen, was die Gründe der Verirrung sind, um dieselben dann planmäßig zu beseitigen.

Mit anderen Worten hat Christus die Menschenkenntnis über den Augenblick hinaus auf gesellschaftliche Entwicklungen erweitert, und das hat ihn in die Lage versetzte, das Heil aus Samen heraus wachsen lassen zu können, anstatt stets mit der Heckenschere zur Hand sein zu müssen.

Und ich denke, damit hat er sich den Titel König der Juden aus römischer Sicht verdient.

Nun, diese Art der Menschenkenntnis setzte die heilsgeschichtliche Betrachtung also bereits voraus, doch ist es heute keine großartige Voraussetzung mehr, und deshalb machen sich mittlerweile nicht mehr nur Juden und Christen Gedanken über die Gründe menschlichen Verhaltens und wie es durch geeignete Beeinflussung vorstellungsgemäßer gemacht werden könne. Die Frage ist nur, was sind das für Vorstellungen? Heilige oder unheilige?

Bisher genügte es als durchschnittlicher Christ ja, jemandem zuzuhören, der sich ernstlich um die Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden bemühte, aber mittlerweile gibt es ganze Berufszweige, deren Kunst darin besteht, diese Maske aufzusetzen, um hinter ihr beliebig definierte Reiche auf Erden verwirklichen zu können.

Und also muß sich die Christenheit zunehmend allgemein mit der Menschenkenntnis der Gesellschaftsformung befassen, um nicht Scheinpropheten und -christussen auf den Leim zu gehen. Gelingt ihr das nicht, wird sie sich in immer unheiligeren Lagen wiederfinden, und dort naturgemäß auch zunehmend Bereinigungsmaßnahmen ausgesetzt sein, da das Unheilige für alle von Übel ist, und auch für den, wer es einmal vorzog.

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