Bereitschaftsbeitrag

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29. September 2023

Ehrungsanreize

Gerechtigkeit, Bereitschaft und Tapferkeit entspringen Grunderfahrungen, welche ohne sie verloren gehen,
  • die Gerechtigkeit entspringt der Gnade der Erkenntnis des Heiligen und beantwortet sie, indem sie gelobt, sich Gott anzuvertrauen und sich an Seine Ordnung zu halten,
  • die Bereitschaft entspringt dem Los, guten Willen zu erfahren, und beantwortet es, indem sie den guten Willen Anderer anerkennt und sich ihnen gegenüber bereit zeigt, und
  • die Tapferkeit entspringt dem Segen*, an das Eigene zu glauben, und beantwortet ihn, indem sie es durch das eigene Opfer in Ordnung hält.
Ich habe meinen Glauben an das Eigene mit 12 Jahren verloren, und seitdem habe ich es nicht mehr gewählt, sondern Fremdes, und mühe mich, Menschen guten Willens zu helfen. Erkennte jemand ihnen diesen ab, so wäre sein Los List und Kampf, das ist trivial. Nicht trivial ist hingegen, was die Gnade der Erkenntnis des Heiligen ersetzt, und ich wüßte nichts davon, wenn mich nicht seit jeher entsprechende Träume plagten.

Das Gegenteil davon, sich Gott anzuvertrauen, ist, sich in eine ungerechte Ordnung einzufinden. Unsere Ordnung legitimiert und fördert Ungerechtigkeit im Privaten, in der Wirtschaft und von Seiten des Staats. Das letzteres der Fall ist, bemerkte ich erst während meines Studiums, und auch nur indirekt, insofern ich Professoren dabei ertappte zu lügen, und niemand ohne schlechtes Gewissen über seine Geschäfte lügt, wenn er sich nicht vor einem anderen zu rechtfertigen braucht. Allerdings fällt die Ungerechtigkeit hier unter die Rubrik: Besser zu viel Macht als zu wenig, und das war in der Vergangenheit ein vernünftiger Grundsatz, heute jedoch zunehmend die Grundlage gewaltsamer Aufrechterhaltung überholter Einrichtungen (vergleiche den Gedanken am Ende des Beitrags zu Arthur Lee).

Auch in der Wirtschaft und im Privaten ließe sich die Ungerechtigkeit mit dem Hinweis auf die größere Leistungsfähigkeit des Systems verteidigen, doch würde das jedenfalls in vielen Einzelfällen nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Daß unsere Ordnung Ungerechtigkeit in der Wirtschaft fördert, ging mir zum ersten mal in der Schule auf, als der geladene Karikaturist Hans Scheibner sehr ungerecht über Klaus Töpfer herzog und sich damit verteidigte, daß die Demokratie von solch ungerechten Darstellungen lebe. Ich sagte ihm, daß das ganz und gar nicht so sei, sondern daß er die vernünftige Diskussion unterminiere, aber davon wollte er nach 20 Minuten staatsbürgerlicher Appelle nichts mehr hören.

Ich war damals 14 Jahre alt, der Anlaß, daß Töpfer im Rhein schwamm, und mein Einwand, daß er keinesfalls dazu aufgerufen hatte, es ihm nachzutun. Davor kannte ich nur ein einziges Beispiel gesellschaftlich akzeptierter Ungerechtigkeit, nämlich daß es das Recht einer Frau sei, sich ihren Versorger jederzeit nach Belieben aussuchen zu dürfen - das allerdings schon, seit ich 3 Jahre alt war, vermutlich aufgrund der hochdramatischen österreichdeutschen Heimatfilme.

Nun, das habe ich der Vollständigkeit halber angeführt, viel ist damit nicht gewonnen. Wenn wir, und sei es auch nur im Traum, das Gelübde, uns Gott anzuvertrauen, aufgeben, und uns stattdessen in eine ungerechte Ordnung einfinden, so erleben wir eine andere Gnade als die Gnade der Erkenntnis des Heiligen, nämlich die Gnade in einer Ordnung, auf welche wir keinen Einfluß nehmen, inmitten von Menschen, an welchen wir keinen Anteil nehmen, für uns selbst etwas herauszuschlagen, was an vorbestimmten Stellen auf uns wartet, gerade wie wenn wir Kammern in einem Höhlensystem erahnen, welches uns überlassen wurde.

Es spielt dabei keine Rolle, wer der Herr des Höhlensystems ist, wichtig ist nur, was er uns statt der Gnade der Erkenntnis des Heiligen verspricht. Versprechen tut er uns selbstverständlich stets etwas, was er hat und an was es uns mangelt. Vom Wohlgefühl, welches Frauen versprechen, abgesehen, gibt es im wesentlichen nur eine Dimension, welche einen Unterschied macht, nämlich den Gegensatz zwischen Ambition und Not. In der Not ist der Herr des Höhlensystems ein Despot und verspricht uns Befreiung von ihr. Haben wir hingegen spezielle Ambitionen, so müssen diese auf etwas gehen, was er hat, und was er uns geben kann, ohne ärmer zu werden, also keine materiellen Güter, sondern soziale Anerkennung oder Wissen, doch auch diese kann er nicht beliebig verteilen, sondern nur im Rahmen einer Hierarchie, von welcher die meisten ausgeschlossen bleiben müssen, so daß wir uns als Erwählte betrachten werden, erwählt aufgrund irgendeiner Qualität, welche uns auszeichnet, und welche unsere Verbindung mit dem Herren des Höhlensystems begründet, welcher also der Halter, wenn nicht gar Züchter, der Unserartigen ist.

Dieser Gegensatz zwischen Halter und Despot dürfte dabei fast immer eine Funktion des Volksbewußtseins (der Bereitschaft) sein: Gesunde Völker werden sich nicht von Despoten aus ihrer Not befreien lassen, und kranke Völker taugen nicht zu gesunden Hierarchien. Die Macht der Ungerechten ist also am größten, wenn sie Menschen guten Willens halten, welche ihre Hoffnung auf die Kammern des Höhlensystems jener setzen. Glücklicherweise geht es damit aber zu Ende.

* der Symmetriebruch ist mir bewußt: Gerechtigkeit, Bereitschaft, Tapferkeit ist rückwärts und Gnade, Los, Segen vorwärts. Es besteht aber kein Zweifel an seiner Richtigkeit, wie groß die Verlockung der Vertauschung von Gnade und Los auch sein mag.

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