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24. April 2024

Ursachen und Symptome des Irrtums

Es gibt vier Ursachen des Irrtums. Zunächst einmal können wir Irrtümer danach unterscheiden, ob sie ursprüngliche oder Folgeirrtümer sind. Folgeirrtümer möchte ich Verirrungen nennen, weil wir uns durch folgerichtige Schlüsse auf falscher Basis immer weiter von der Wahrheit entfernen.

Die ursprünglichen Irrtümer beruhen entweder auf einer bewußten Setzung, das heißt auf einer falschen Annahme, oder einer vorbewußten Fehlleistung, etwa wenn wir uns verkucken oder -hören. Und die falschen Annahmen schließlich sind entweder Verkürzungen, das heißt anzunehmen, daß es sich bei einer bestimmten Menge um alle Inbegriffe eines Begriffs handelt, wenn es noch andere gibt, oder sonstige, wobei ich hier unbewiesen behaupten möchte, daß alle sonstigen bewußte Schüsse ins Blaue sind, weshalb ich die sonstigen Fehlgriffe nennen möchte.

Als Beispiel möchte ich einen augustinischen Gedanken betrachten, und nicht nur irgendeinen, sondern seinen einflußreichsten überhaupt, nämlich daß es die Aufgabe jeder Generation sei, sich zu überlegen, wie sie dem Reich Gottes auf Erden näher komme und dann für das Gelingen ihrer Etappe zu beten.

Bis hierhin liegt kein Irrtum vor, aber ein doppelter folgt sogleich, wenn man annimmt, daß Gott dieses Gebet stets erhört, da es ja seinem Willen entspricht. Wäre es so, so könnte die Offenbarung nie statthaben, unter anderem, und das thematisiert Augustinus bereits selbst, wenn er in De Civitate Dei sagt, daß es entgegen der Ansicht der Alten keinen Grund gebe, warum die Geschichte Zykeln unterworfen sein solle, anstatt immer weiter voranzuschreiten, und daß das Ende der Welt (griechisch αἰών, korrekt als Zeitalter zu verstehen) mithin keine natürliche Erscheinung, sondern dem Belieben Gottes anheimgestellt sei.

Das ist denn auch die heute vorwaltende Vorstellung, wie unser ganzes Denken und Glauben auf Augustinus zurückgeht, demnach die Offenbarung die Zeichen enthalte, welche davon künden, daß sich Gott nun dazu entschlossen hätte, mit der Welt Schluß zu machen, und mithin erst in einer an die normale zum Zwecke der Einstimmung angehängten Sonderzeit auftreten.

Das ist nun aber ganz und gar falsch, und die Frage stellt sich: Warum?

Die erste Hälfte des doppelten Irrtums besteht darin, verkürzend zu meinen, daß wir, da wir Gutes und Schlechtes als solches erkennen können, in der Lage wären, die Gesamtheit des Guten und Schlechten einer Tat zutreffend abzuwägen, und die zweite darin, uns zu verirren, indem wir schlußfolgern, daß Gott unser Gebet also erhören müsse.

Es kommt sogar noch ein dritter Fehler hinzu, wenngleich er für's erste folgenlos scheint, nämlich fehlgreifend davon auszugehen, in unseren Überlegungen keinen Fehler gemacht zu haben, so lange wir über keinen stolpern.

Nun, irren ist menschlich. Kommen wir also zu den Symptomen des Irrtums. Wenn wir die Handlungsschrittte Zurechtfinden, Beschäftigen und Vorgeben betrachten, so
  • kann nur das Zurechtfinden als richtig oder falsch betrachtet werden, können Fehler also nur in ihm auftreten und durch es aufgedeckt werden (normalerweise in der eigenen Haltung, in Entwicklungsmustern nur bei Fehlleistungen, etwa wenn man die Orientierung verliert, und in Abzielungen üblicherweise nur das eine Mal, wenn man sie ausprobiert und sie sich sogleich als fehlerhaft herausstellen), während
  • Beschäftigungen und
  • Vorgaben in Folge von Fehlern ausbleiben, da diese ihnen die Grundlage entziehen, an welche sie anknüpfen.
Der umgekehrte Fall, daß ihnen Fehler erst eine Grundlage liefern, an welche sie anknüpfen können, tritt zwar auch auf, aber er wird naturgemäß begrenzt, und zwar von der Wahrheit, und sobald eine Beschäftigung oder Vorgabe auf sie stößt, wird der Fehler offenbar, weshalb es viel leichter ist, jemanden durch Lügen von etwas abzuhalten, als ihn durch Lügen zu etwas zu bringen.

Insbesondere verhindert die Lesart von αἰών als Welt, meiner Einschätzung nach ein Fehlgriff Augustins und keine Lüge, sich über Wesen,Voraussetzungen, Krise und Nachfolge unseres Zeitalters Gedanken zu machen.

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