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10. April 2024

Fax mentis incendium gloria culpum

richtig
Fax mentis incendii gloria culpae.
(Der Funke der Leidenschaft des Geistes: Die Herrlichkeit der Schuld.)
ist ein von Gene Wilder beiläufig in Willy Wonka and the Chocolate Factory geäußerter Erziehungsgrundsatz, welcher Wer seine Rute schont, der haßt seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn bald. masochistisch überhöht und ein Credo der Freimaurerei des 20. Jahrhunderts widerspiegelt, nämlich daß der Mensch von dieser Leidenschaft zu befreien sei, da sie die Wurzel seines im vorigen Beitrag beschriebenen ideologischen Mißbrauchs zur Vergrößerung der staatlichen Macht sei: Indem das Schuldbewußtsein zerstreut wird, wird dem instrumentalisierten Ernst der Boden entzogen.

Der Gedanke geht auf das Tao zurück und wird dort sogar noch allgemeiner formuliert, wonach des lieben Friedens Willen jeglicher Ehrgeiz durch Gleichbehandlung der Verdienstvollen und -losen auszumerzen sei und findet sich in der Form auch im Lukasevangelium, wo es heißt: Meinet ihr, daß ich hergekommen bin, Frieden zu bringen auf Erden? Ich sage: Nein, sondern Zwietracht.

Doch diese Auffassung begegnet uns erst in diesem Jahrhundert, wo sie gerade in schwere See gerät. Ich möchte aber bei der vorigen bleiben: Taugt die soziale Akzeptanz der Ausschweifung zur Aufrechterhaltung des Friedens?

Genau darum geht es ja in Willy Wonka and the Chocolate Factory: Alle Kinder, außer Charlie, leben ein ausschweifendes Leben und Charlie eine boshafte Karikatur von Aschenputtels, in welcher er sich (and be like Johnnie-Too-Good) freiwillig für wehleidige faule Säcke aufopfert und sein Wert am Ende nicht von einem Prinzen erkannt, sondern sein Ärger darüber, zu kurz zu kommen, von einem Schokoladenfabrikbesitzer in Wohlgefallen aufgelöst wird.

Da ich's angedeutet habe: Supertramp hatte das Thema auch am Wickel, nämlich in School und Rudy, aber aus der entgegengesetzten Perspektive, in School aus jener Aschenputtels, welcher gar nicht an Ausschweifungen gelegen ist, und welche keine Prinzen in der Welt findet, sondern nur Schokoladenfabrikbesitzer, und in Rudy aus jener eines Einfaltspinsels, welcher, da ihn niemand 'rannimmt, sein Leben versäumt.

Es gäbe noch mehr kulturelle Referenzen, welche man hier anbringen könnte, aber ich möchte beim eigentlichen Ziel dieser Doktrin, nämlich der Demokratisierung einer Gesellschaft bleiben. Die Doktrin nimmt an, daß Religion und Sitten einzig den Interessen von Autokraten dienen, und natürlich auch nicht ganz zu Unrecht, wenn man etwa die Rolle des englischen Königs in der anglikanischen Kirche bedenkt.

Ergo, wenn die Leute nur die Sau 'rauslassen, werden sie sich aus ihrem Joch befreien: Zwar ist niemand frei, welchen Laster reiten, aber indem er sich seinen persönlichen Lastern stellt, wird er frei.

Ist dieser Ansatz eine gute Idee? Nun, unter Umständen schon, aber es hängt vom Verhältnis von Ausschweifungen und gesellschaftlichem Ansehen ab: Besteht ein kompensatorisches Verhältnis zwischen ihnen, derart Ausschweifungen bei hinreichendem gesellschaftlichen Ansehen toleriert werden (redeeming qualities), so zerschlägt die allgemeine Akzeptanz von Ausschweifungen selbstverständlich die Fessel, welche die Ausschweifungssüchtigen an die gesellschaftlichen Erwartungen bindet, und es ist eine gute Idee, eine Herrschaft, welche auf dieser Fessel fußt, auf diese Weise zu Fall zu bringen, aber eine solche Herrschaft ist recht eigentlich die Herrschaft des Teufels, welcher den Seinen ihre kleinen Freuden bedingt, damit sie das Nötige tun, um die Stabilität seiner Herrschaft zu gewährleisten.

Besteht hingegen kein ausgeprägtes kompensatorisches Verhältnis, so dürfte die gesellschaftliche Ächtung von Ausschweifungen vom natürlichen Zusammenhang zwischen Lastern und deren Auswirkungen motiviert werden, und es wäre keine gute Idee, es den Lastern zu erlauben, ungehindert zu Tage zu treten.

Freilich, wie beim gründlicheren taoistischen Ansatz vom Ehrgeiz, ist es nicht unbedingt Menschenliebe, welche die Befreiung der Menschen von ihrer Schuld motiviert.

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