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26. Juni 2024

Die Voraussetzungen des Streitgesprächs

Wie ich im vorigen Beitrag ausführte, sehen sich Unsouveräne fortwährenden Nötigungen ausgesetzt, welche verhindern, daß sie die Muße finden, sich mit ihren langfristigen Interessen zu beschäftigen, doch auch wenn es zu ihrer öffentlichen Erörterung kommt, kann das sich ergebende Streitgespräch noch fehlgehen, und damit möchte ich mich in diesem Beitrag beschäftigen.

Die Behauptung ist eine selbstberichtigende Aktion: Wird eine falsche aufgestellt, provoziert sie sie berichtigenden Widerspruch, und wenn derselbe wiederum Falsches behauptet, provoziert er ihn berichtigenden Widerspruch und so weiter und so fort bis schließlich Richtiges behauptet wird.

Dieser Prozeß bildet das Streitgespräch, und sein Gelingen beruht auf dem aufrichtigen Haß auf das öffentlich vorgetragene Falsche, das heißt auf dem Interesse an der Behauptung selbst.

Die Behauptung selbst kommt aber nicht allein in Betracht, sondern zugleich auch ihr Ansehen auf dreierlei Weise, nämlich
  1. das Ansehen des anderen Behauptenden im Rahmen seiner Einschätzung,
  2. das eigene Ansehen beim Behaupten im Rahmen der Bekundung und
  3. das Ansehen desjenigen, welcher das Streitgespräch unwidersprochen beendet, im Rahmen des Buhlens.
Wenn es um letzteres geht, wird das Streitgespräch von rhetorischen Tricks bestimmt sein, wie sie Thomas von Aquin der dogmatisch vorgegebenen Wahrheit zum Sieg verhelfen müssenden Priestern anempfiehlt. Und wenn jemand das Streitgespräch lediglich dazu benutzt, die Welt wissen zu lassen, auf welcher Seite er steht, trägt er auch nicht zur Wahrheitsfindung bei. Die Einschätzung, schließlich, besitzt einen gewissen Formenreichtum, der Gehorsamsgewohnte, etwa, will lediglich wissen, was sein Herr von ihm will, und wenn sein Verlangen auf einer falschen Sachverhaltsbeurteilung beruht, so betrachtet er das als Problem seines Herrn, davon ausgehend, daß sein Herr den Gewinn jedes Risikos einstreicht, welches er eingeht, aber in jedem Fall sicherstellt, daß er seinen Diener nicht verliert - nun, mit leichten Abänderungen im Kriege, wo der Diener allerdings nicht völlig sicher ist, aber dafür auch am Gewinn beteiligt wird. Mein Vater, etwa, meinte nur, daß wenn alle Diener der deutschen Regierung geimpft werden, also alle Steuerzahler, ihnen schon nichts passieren wird, und Einwände der Art Einen gewissen Schwund zur Erzielung medizinischen Erkenntnisgewinns könnte der Herr schon verkraften. (Science is a cruel mistress.) wollte er nicht hören, und mit irgendwelchen Listen, welche nach Konfession oder anderen Kriterien festlegten, wer was kriegt, wollte ich ihm auf rein hypothetischer Grundlage gar nicht erst kommen, wohlwissend, daß es der hypothetischen Gefahren unendlich viele gibt. Und auch, daß er die Krankheit bereits überstanden hatte, wollte er nicht glauben, es sei nur irgendeine Lungenentzündung gewesen, welche er sich in Österreich von einem italienischen Touristen geholt hatte, denn niemals hätte er die Krankheit überstehen können. Nun, nichts genaues weiß man nicht, ich hatte nur eine Lungenentzündung in meinem ganzen Leben, und das schien mir dann doch ein zu seltsamer Zufall. Immerhin ein unbestreitbarer, selbstbezeugter Fakt, welcher in unserem Streitgespräch jedoch keine Rolle spielte. Eine weitere Form der Einschätzung begegnet beim Unterfangen, sich durch seelenverwandte Bemerkungen beliebt zu machen, wozu die Behauptungen der betroffenen Person auf die Geisteshaltung, welcher sie entspringen, hin einzuschätzen sind. Frauen hören oftmals nur aus diesem Grunde zu, und auch das trägt nicht zur Wahrheitsfindung bei, auch nicht, wenn Tucker Carlson sich bei Vince Everett Ellison einschleimt, indem er ihm beipflichtet, daß Frauen und Töchter, welche nicht mit Waffengewalt verteidigt werden, vergewaltigt werden, anstatt zu bemerken, daß er noch keine Schlangen vor den Häusern der Amischen gesehen hat. Gut, einen vollständigen Überblick über die Formen der Einschätzung kann ich nicht geben, und er trüge auch nichts weiter zum Thema dieses Beitrags bei, welches hiermit auch an hinreichend vielen Beispielen verdeutlicht wurde.

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