Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

13. Februar 2020

Zur Vergegenständlichung des Menschen

Affektuale Verfallenheit beinhaltet zwangsläufig, seine Mitmenschen genauso wenig als Potentiale zu betrachten wie sich selbst. Doch während das rein aktuale Subjekt der Magen ist, ist das rein aktuale Objekt das Fressen.

Ich hatte während meiner Beschäftigung mit Thomas von Aquin verschiedene Gegenstände daraufhin angesehen, ob sie nicht die Definition von Actus Purus erfüllen würden, das Herz, die Sonne, der Magen, welche ja auch von aller Welt für Gott gehalten werden, das Herz bewegt, ohne bewegt zu werden, die Sonne brennt, ohne geschürt zu werden, der Magen löst auf, ohne aufgelöst zu werden, und obwohl nur die Sonne Anspruch darauf erheben kann, die Definition von Actus Purus tatsächlich zu erfüllen, wenn wir das Toben ihrer Oberfläche als von ihr verschiedene Wirkung betrachten, ist doch der Magen das trefflichste Sinnbild der Auffassung, daß jenes Gott ist, was Macht hat zu zerstören, ohne selbst zerstört zu werden (und das Herz das einfachste Gegenbeispiel zur Annahme, daß sich nichts von selbst verändert. Unstrittiger ist allerdings, wie schon gesagt, der radioaktive Zerfall. Letztlich rührt die ganze Absonderlichkeit daher, daß Aristoteles' Philosophie in vielen Fällen lediglich der Analyse dessen, was gesagt werden kann, entspringt, dahingegen sich die moderne Physik Differentialgleichungen bedient, welche kausale Zusammenhänge jenseits kausaler Sprechweisen begründen, aber das hat Schopenhauer ja schon ansichtlich des Begriffs der Wechselwirkung konstatiert.)

Der Magen und das Fressen also. Gott und die Welt, einschließlich der anderen Menschen. Nun, ich würde anders als Schopenhauer nicht über diese Dinge schreiben, wenn ich sie nicht bräuchte, um eine zeitgenössische Erscheinung aufzuklären, welche mich seit geraumer Zeit beunruhigt, das heißt seit Obama's islamischem Brückenschlag.

Dieser nämlich beruht auf Identifikationsangeboten, also darauf, mit Hilfe von Facebook lokal gewachsene Sammlungsbewegungen durch die Zugehörigkeit zu global definierten Profilen zu ersetzen.

Früher gab es Markenklamotten, heute gibt es Markentypen. Der Grund, warum sich jemand für eine Markenhose oder eine Markenpersönlichkeit entscheidet, ist derselbe, nämlich Ansehensgewinn. Aber der Grund, aus welchem sie angeboten werden, ist es nicht.

Markenhosen werden aus Gier heraus angeboten, weil nichts lukrativer ist, als Ablässe zu verkaufen. Aber Markenpersönlichkeiten kosten kein Geld. Hinter ihnen steht eine andere Motivation, in ihnen zeigt sich ein anderer Geist, und zwar ein intuitiv abstoßender, ja, verstörender.

Die Markenpersönlichkeit ersetzt die natürliche. Niemand muß sich für seine Natur rechtfertigen, welche gottgegeben oder geschichtlich gewachsen ist, denn es gehört zur Ehrung des Potentials (also der Ehrung der Verbundenheit), es nicht vor seiner Aktualisation zu beurteilen (wiewohl die Berücksichtigung der mittleren Entwicklungstendenzen unterschiedlicher Potentiale bei Gesellschaftsprojekten nur weise ist), wohingegen die Markenpersönlichkeit auf einem Vertrag beruht und somit eingeklagt werden kann, womit die Freiheit, sich zu entscheiden, wie immer mit der Gefangenschaft, sich entschieden zu haben, bezahlt wird.

Indem also Menschen eine Auswahl an vorgefertigten Persönlichkeiten vorgesetzt wird, werden diese Menschen zu vorbestimmten Standardtypen, und derart wünscht sich der Magen sein Fressen, wie die Menükarte beweist. Niemand kann ernstlich die Festlegung seiner Mitmenschen auf Standardtypen wünschen, ohne daß er sie zuvor vergegenständlicht hat, doch wenn er es hat, wird er genau diese Festlegung als erstes von ihnen fordern, damit er aus ihnen etwas ihm genehmes zimmern kann.

Den Abschluß affektualer Verfallenheit bildet Kannibalismus.

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