Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

12. Mai 2025

Zur geistigen Disposition der Bevorzugung der Rechtschaffenheit gegenüber der Macht

Wie gesagt folgt die Jugend ihrem Instinkt und das Alter seiner Erfahrung. Genauer gesagt
  • sind Kinder vorrangig gehießen,
  • probieren Jugendliche vornehmlich Haltungen aus, um die richtige zu finden, und
  • verlassen sich Erwachsene vornehmlich auf ihr Verständnis der Welt.
Da wir das Rechtschaffene durch unseren (subjektiven) Glauben gehießen werden, stellt sich bei Kindern die Frage der Bevorzugung gar nicht erst, und da die Stimmung die Haltung bewertet, und zwar als ein Modus der Klarheit, und nur das klar sein kann, was unserem (subjektiven) Glauben entspricht, wiewohl zumeist auf banale Weise, führt das in ihr nachklingende Rechtschaffene sensiblere Naturen also zu sich zurück.

Und der entscheidende Faktor, welchen es für Erwachsene zu verstehen gibt, um die Rechtschaffenheit zu bevorzugen, ist der im vorletzten Beitrag erwähnte Einfluß der Zufriedenheit auf die Bevorzugung der Rechtschaffenheit, also daß zufriedene Menschen das Rechtschaffene bevorzugen, mithin die Macht unter den Frieden bedrohenden Zwängen bevorzugt wird, und daß die Bevorzugung der Rechtschaffenheit gegenüber jener der Macht zu weniger Zwängen führt, so daß durch die Bevorzugung der Rechtschaffenheit größere Zufriedenheit und durch größere Zufriedenheit die Bevorzugung der Rechtschaffenheit entsteht, letzteres, indem die Entscheidung für dasjenige, was der Rechtschaffenheit widerspricht, zu einer freiwilligen wird.

Ich sage also, daß wir die Menschen nicht zwingen sollten, für ihren Frieden zu kämpfen. Was dagegen spricht ist die Tatsache, daß sich die Welt im Wettstreit mit sich befindet und Übung den Meister macht. Wenn die Menschen also sowieso früher oder später für ihren Frieden kämpfen müssen, dann kann man sie auch gleich dazu zwingen, um sie zu trainieren.

Die Frage stellt sich dann natürlich, welche Formen der Kooperation bei diesem Wettstreit heilig bleiben, beziehungsweise für welche Kampfesweise die Menschen trainiert und gezüchtet werden.

Die katholische Kirche hat, indem sie den europäischen Adel schuf, eine Klasse von austauschbaren Handlangern geschaffen, deren Besserstellung gegenüber der Allgemeinheit hinreichenden Anreiz bot, sich am Wettbewerb um die Ausgestaltung der Reiche Gottes auf Erden zu beteiligen, und wiewohl die Adeligen dabei mehr gezwungen, als von ihrer Liebe (im engeren Sinne) geleitet wurden, Karl der Große war in seiner Machtfülle die Ausnahme, konnte die katholische Kirche dies doch dadurch rechtfertigen, daß sie von ihrer Liebe (im engeren Sinne) geleitet wurde und es war, welche die Adeligen zwang.

Das ist im wesentlichen, was Dostojewskij ihr in der Erzählung vom Großinquisitor vorwirft, wobei er ihre Entschuldigung gleich mitliefert. Auch der historische Teil der Offenbarung, die sieben Siegel, sieben Posaunen und sieben Schalen, beginnt mit dieser Einrichtung des Abendlands.

Die germanische Weiberverehrung, wie Schopenhauer sie nennt, in den Worten Goethes Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan, reflektiert meines Erachtens diese aufgezwungene Liebe: Weil die Männer ihre Überzeugungen nicht verwirklichen konnten, sondern opportunistisch-gezwungen ihre Rolle ausfüllen mußten, bereitete es ihnen Vergnügen, ihren Damen deren von der Welt losgelösten Wünsche zu erfüllen und zuweilen auch deren rechtschaffene, was damit zusammenhängt, daß der weltliche Ursprung der Rechtschaffenheit in der Kindeserziehung liegt, das heißt es besteht folgender profanethischer regenerativer Zykel:
  1. ein Kind wird geboren und will zunächst einmal nur in der Badewanne auf's Wasser schlagen und so weiter,
  2. die Eltern kommen zu der Überzeugung, daß es so nicht geht, und beginnen, sich über vernünftige Regeln Gedanken zu machen,
  3. artige Kinder verlassen die geregelte Welt ihrer Eltern und sehen, daß sie draußen mit den Zwängen der ungeregelten zurechtkommen müssen,
  4. so daß sie das Rechtschaffene vergessen, bis sie selber wieder Kinder haben.
Daher das Bild Gottes als Vater und der Familie als Keimzelle des Staates, doch genug der Exkurse*.

Wichtiger für unsere heutige Lage ist, daß die Liebe der Kirche aufhörte, zwingend zu sein, was zur Errichtung des im Beitrag Vermarktungswirtschaft  beschriebenen Systems führte, in welchem sie durch ein mathematisch bestimmbares Gemeinwohl ersetzt wurde und die Adeligen durch Unternehmer.

Sonst hat sich aber nichts verändert: Das Abendland ist jene Region der Welt, in welcher Männer ihre Überzeugungen nicht verwirklichen können, weil die Zucht ihrer Kampfestüchtigkeit Vorrang hat, so daß es zu einer Heldentat wird, den Frieden zu erhalten, welche nur die Tüchtigsten vollbringen können. Bisweilen sind es Heldentaten, welche ich als solche anerkenne, meistens aber empfinde ich Ekel vor der Schizophrenie, seinen Frieden in einer Arena zu suchen, in der Wildnis, im Chaos der Gewalten meinetwegen, aber nicht in einer Arena.

Mit 17 wußte ich, daß von Naturwissenschaftlern erwartet wird, das mathematisch bestimmte Gemeinwohl an Kirches Statt zu verteidigen. Gleichzeitig ergrimmte ich darüber, daß sie aus genau diesem Grunde sadistisch veranlagt sein sollten, was meine Lehrer, ob nun bewußt oder nicht, unmißverständlich machten, wohl weil das Gemeinwohl durch harte Maßnahmen verteidigt wird, welche Sadisten leichter fallen. Ich bin ein rachsüchtiger Mensch. Mit 21 Jahren wußte ich genau, daß diese Verteidiger des Gemeinwohls und mit ihnen die auf sie vertrauende Gemeinde vernichtet werden würden, wenn die Entwicklung der künstlichen Intelligenz weiter voranschreiten würde, und ich sah es als einen notwendigen ersten Schritt zur Verbesserung der Lage an.

Nun, rein psychologisch betrachtet, und ich hatte es damals rein psychologisch betrachtet, geht es auch auf: Hier ist ein Geist und dort eine Technologie, welche ihn und nur ihn vernichtet, wobei der Geist der ritterliche, von der katholischen Kirche gezüchtete, ist, dessen Geschichte die Offenbarung beschreibt, und welcher mir in meiner Jugend in seinem modernen technisch-sadistischen Gewand begegnete. Es gibt nur zwei Haken an der Sache:
  1. ob die psychologische Vernichtung hinreichend sauber ist, ob das Feuer erlischt, bevor die gesamte Welt brennt,
  2. ob dummerhaftigen, oberflächlich motivierten Heuchlern die Ehre zuteil werden sollte, ihr Ende selbst herbeizuführen.
Ich wollte nie meine Fingerabdrücke auf der künstlichen Intelligenz, welche dies letztlich vollbrächte, andererseits vollzieht sich nur das, was jedem denkenden Menschen seit dem Bruch mit Gott, das heißt der Verdrängung der Ethik durch die Physik, klar sein mußte.

Nun, ob sauber oder nicht, ob angemessen oder nicht, ob gesucht oder vorhergesehen, wir werden's sehen, wir hätten's verbockt, ich konnte jedenfalls nicht suchen, was dem Vorhersehbaren widersprach, wiewohl sich das Vorhersehbare seitdem neu geordnet hat, daß gerade der einst ritterliche und heute gladiatorische Geist - kein Unternehmer, welcher sich nicht der Hürden rühmt, welche er überwunden hat, und der Drachen, welche der Staat nach ihm aussandte, gleich was er treibt - heute das Ende der Menschheit zu besiegeln droht, ist im Vergleich dazu, daß dieser Geist der alleinige und ihr Ende damit schon besiegelt ist, immer noch ein Lichtblick.

* Nun, zur Verteidigung der Gehießenheit der Kinder möchte ich doch noch sagen, daß sie zwar hungrig und unverschämt beginnen, doch bald schon, man muß schon sagen, noble Züge an den Tag legen, ohne im geringsten in eine solche Richtung angestoßen worden zu sein, oftmals in Situationen, welche man sich vorher nicht einmal ausmalen konnte.

Labels: , , , , , , , , , , , ,