Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

9. März 2019

Die Meinen und die Seinen

Den Kern meiner Ethik bildet die Überzeugung, daß ein Mensch zuvörderst seiner Lebensweise verpflichtet ist, daß sein Leben in ebenderselben besteht, und er also keine höheren Ziele haben kann, als ihre Grundlagen zu gewähren.

Es ist eine Lebensauffassung, nach welcher das Individuum der Gärtner des Gartens des in ihm liegenden Wesens ist, und indem dieses Wesen also in Obhut genommen wird, reiht es sich zugleich ein in die Reihe aller Wesen, welche die Welt ausmachen.

Es ist diese Einreihung, welche die Grundlage aller transzendenten Verbundenheit bildet: Indem ich die Frage, was ich in der Welt erreichen möchte, hinter mir lasse und mich auf meine Lebensweise einstimme, öffne ich mich für alles ihr Wesensverwandte.

Dies ist der Unterschied unter den Menschen: Die Einen versuchen, die Welt zu formen, den Anderen genügt es, sie selbst zu sein. Intuitiv war mir das mein ganzes Leben lang klar, bereits mit drei Jahren sah ich mich in meiner Haltung isoliert, und mit zwölf konnte ich auch schon recht genau sagen, worin sich dieser Unterschied manifestiert: nämlich scheinbar paradoxer Weise in der Belanglosigkeit der gewöhnlichen Bestrebungen.*

Allerdings muß ein Mensch, welcher sein Leben in seiner Lebensweise sieht, sich gerechterweise auch die ethische Bewertung seiner Lebensweise gefallen lassen. Es ist zwar richtig, daß niemand ein anderer sein kann, als welcher er nunmal ist, aber jeder hat es doch in der Hand, seinen hehreren Anteilen mehr oder weniger Beachtung zu schenken, und jeder, welchem seine Lebensweise heilig ist, muß ihnen mehr schenken, da er andernfalls zugeben müßte, daß seine Lebensweise keinen Anspruch auf Heiligkeit hat. Wer dies aber ablehnt ist somit nicht bloß vulgär, sondern schwört dem Heil bewußt ab.

Wer aber nicht abschwört, dem öffnet sich neben dem Heil wie gesagt auch die Transzendenz, jene Seite seiner Existenz, welche über seine individuellen Fähigkeiten hinausgeht, und auch nur ihm, wie uns Johannes versichert, und wie es auch sein sollte, da nur die Verehrung des Lebendigen unser Herz für es öffnet.

Mit anderen Worten besteht die Aufgabe, die Menschen zu Gott zu führen, darin, die Natur jener, welche an sie glauben, zu veredeln, damit sie daran glauben können, daß die Schöpfung heilig ist, was ihrem Gebet Gewicht verleiht.

Heute muß die Schöpfung davor bewahrt werden, unter mechanische Kontrolle gestellt zu werden. Die Selbstgenügsamen müssen erhoben werden, die Kontrollsüchtigen ihren Fehlern ausgeliefert und danach in Schach gehalten, so daß das Gewöhnliche sich nur am Gewöhnlichen vergeht.

Es hat lange gedauert, aber ich sehe es nun alles klar genug.

* Schopenhauer nennt es die Loslösung des Willens des Genies von seinen individuellen Interessen.

Labels: , , , , , , , , , , , ,