Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

9. August 2011

Zur Eroberung des Lebens

Ich denke, ich sollte nach der gestrigen Erkenntnis der natürlichen Lebensauffassung der Melancholiker einige lebensnahe Betrachtungen nachschalten.

Fangen wir vielleicht mit dem abstraktesten Punkt diesbezüglich an. Das im letzten Beitrag formulierte Programm taugt wirklich schon geradezu verblüffend wenig zur Anleitung. Wenn man schon ein Programm zu ihr vorgeben möchte, so wäre folgendes besser geeignet.

Sei offen gegenüber dem Leben, begebe dich in seine dunklen Räume, studiere sie, bis du erkennst, was dir in ihnen begegnet, und wenn du dergestalt das Leben erkannt hast, nehm dich seiner an.

Zu viele verstehen diese Aufforderung allerdings als Einladung zum Drogenkonsum. Wenn man sie schon nicht profan als Aufforderung zum geduldigen Studium seiner Umwelt und ihrer einen betreffenden Gesetze verstehen möchte, was freilich auch gemeint ist, und wenn man irgendetwas Greifbares aufbauen möchte, wird man darum nicht herumkommen, dann sollte man doch besser den dunklen Raum in seinem Herzen ergründen als die Reaktionen des eigenen Bewußtseins auf dem Körper zugeführte Substanzen.

Aber dieses ist selbstverständlich Symptom einer Gesellschaftsform, welche Löwen und Hyänen Raum gibt, Adlern aber nicht. Und wo ich gestern von Griechenland als einem Beispiel schrieb, wo letzteres glückte, so ist es offenbar die Selbstbeschränkung auf Stadtstaaten gewesen, welche diesen Raum frei ließ.

Heute wird sich ein eroberndes Leben vor allem in den folgenden beiden Bereichen leben lassen, einerseits in der eigenen Existenzbegründung, Hausbau, Landschaftsgärtnerei, Agrikultur und andererseits in der Entwirrung romantischer Verstrickungen. Natürlich erwächst aus letzterer alleine nichts, aber wie ich im Beitrag zu den fünf Geboten schrieb, besitzt sie einen gemeinschaftsbildenden Aspekt im politischen Sinne, noch bevor die Polis da ist, ist bereits eine Vorstellung der Verbindung der unterschiedlichen menschlichen Geister vorhanden, welche ihr später Gestalt gibt.

Darauf führt natürlich auch die Rede im Politikos, daß den Staatsmann die Kunst auszeichnet, das Unterschiedliche zu verbinden. Eingedenk dessen ist es nur natürlich, wenn das Liebesleben eines Philosophen verstrickt ist.

Es wäre allerdings ein Fehler, wenn man aus derlei Gründen einer engen Beziehung aus dem Weg ginge, die Unmöglichkeit der Situation ist zu suchen, nicht zu fliehen, darum geht es ja gerade.

Mittelfristig ist natürlich auf die erwähnte Polis hinzuarbeiten und bei ihr sollte man es auch belassen, um sich nicht selbst wieder ins sichere Unglück zu stürzen. Dann wird es wichtig sein, den tragischen und heldischen Aspekt des Lebens zu akzeptieren, zu akzeptieren, daß man nur überlebt, wenn sich im Kampf genügend viele Verbündete aus freien Stücken anschließen, zu akzeptieren, wenn moralische Gesetze unvereinbar sind und nur Raum für Tränen lassen.

Das ist der Preis der Freiheit, der Preis dafür, seinem Leben selbst Form zu geben.

Hoch im Kurs steht das heute alles nicht, das Titanische hält die Herrschaft fest in Händen, es wird noch etwas dauern, bis das Göttliche wieder erscheint, aber es kommt wieder und die ersten Kiesel des folgenden Steinbruchs fallen auch schon.

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