Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

26. Dezember 2011

Im Angesicht des Versagens der menschlichen Funktionsmuster

Vielleicht tat ich Theodore John Kaczynski ja Unrecht, als ich meinte, der Mensch könne die Industrialisierung meistern, aber auch wenn ich meine Einschätzung in diesem Punkt revidierte, und ich bin freilich geneigt das zu tun, so sehe ich doch in seinem Lösungsvorschlag keinen Wert, denn was hielte die Menschen davon ab, die Geschichte zu wiederholen?

Freilich, das Problem, welchem wir heute begegnen, entspringt einer ganz bestimmten Spiritualität, deren entscheidende beiden Faktoren die Entrückung des Vorbildlichen und das Fehlen eines Seelenverständnisses sind (siehe meine vorigen beiden Beiträge zu diesen Themen), und also müßte sich die Geschichte nicht unter allen Umständen wiederholen, aber allzu große Hoffnung kann ich deswegen nicht in diesen Einwand setzen, weil jede Spiritualität gelebt werden wird und mit spezifischen Vor- und Nachteilen verbunden ist, deren Zusammenspiel immer wieder zu den selben Ergebnissen führen wird.

Als ich sagte, daß sich die Suchenden vom technischen Fortschritt abwenden würden, weil sie den Unsinn des weiteren Vorangehens erkennen würden, da habe ich natürlich geflissentlich ignoriert, daß sie bereits zu weit vorangegangen sind.

Wir leben in einer Zeit, in welcher ständig auf verschiedenste Weise Anlaß zur Aggression gegeben wird, was freilich nichts Neues ist, und wir geraten bald in eine, in welcher Aggression gegen eine beliebige Übermacht erfolgversprechend sein wird.

Ist das das logische Ende menschlichen Seins?

Das logische Ende von Aufklärung und Individualismus unbestreitbar, aber halten wir uns nicht mit Kleinigkeiten auf, ist es das, worauf unsere gesamte Anlage hinausläuft und hinauslaufen muß?

Ich neige zum Ja, wenn man es etwas systematischer faßt, liegt der Hang zur totalen Kontrolle des Einzelnen im Wesen der Vernunft selbst, denn, wie Schopenhauer es so schön gesagt hat, ist Intellekt unteilbar. Totale Kontrolle erfordert vom Einzelnen aber totale Verantwortung, und wir sind uns unserer Verantwortung nunmal nicht dahinreichend bewußt, sondern lediglich bis zu unserem eigenen Fortkommen. Mit anderen Worten stößt durch die Vernunft ein Totales auf ein Isoliertes im Willen. Im Gegensatz zu Schopenhauer sehe ich aber nicht die Aufhebung des Willens als dessen logische Konsequenz, sondern, sollte hier Tertium non datur gelten, die Aufhebung der Vernunft und also des Menschen.

Oder gibt es ein Drittes?

Mensch freilich, wie bisher, ist es nicht. Und allzu schwierig ist es nach allem Vorigen auch nicht abzuleiten, daß der einzige vorwärtsgerichtete Weg darin besteht, in bewußter Transzendenz und also überpersönlicher Verantwortung zu leben; die Verantwortung gilt dann nämlich dem Konzert, dem man seine Stimme gibt.

Natürlich läßt sich die Lage auch ganz profan analysieren und es sich feststellen, daß wir nicht in genügendem Rahmen soziale Verantwortung übernehmen, und ich habe das ja auch schon getan, aber das Totalversagen all derer, welche sich je berufen fühlten, just diesen Mißstand zu beheben (alles was diese in jedem Falle doch nur tun ist, den Malstrom zu begradigen), bestätigt auf traurige Weise, daß wir erstens keinen frei wählbaren Willen haben und zweitens alles in der Natur klein anfängt, was uns aber freilich nicht von der Pflicht entbindet, so weit wie nur möglich auf dem Wege unserer Entwicklung voranzukommen.

Übrigens, was die Malstrombegradigung angeht, der Grund dafür besteht darin, daß jede wirkliche Verantwortungsübernahme sich gegen die Sachzwänge stellen muß und der Sinn für Verantwortung das Einzige ist, was solches rechtfertigt. Was einer dabei an der Fassade zu retten vermag, bezahlt er doppelt und dreifach an dem Gebäude hinter ihr. Untrüglich.

Amen.

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