Zu den Wurzeln der Bevölkerung Europas
Wenn man über die prähistorischen Migrationen der Menschen Aufschluß erhalten will, bietet es sich an, die heutige Verbreitung der unterschiedlichen mtDNA und Y-DNA Haplogruppen zu betrachten und anzunehmen, daß eine Tochterhaplogruppe aus dem Hauptverbreitungsgebiet ihrer Mutterhaplogruppe emigriert ist.
Dieses befolgend kommt man zu den folgenden Aussagen.
- Die Menschheit stammt ursprünglich aus Afrika.
- Die Wurzeln der europäischen Bevölkerung lagen in der Zeit vor vor 30.000 Jahren in drei Hauptgebieten: in Nordafrika und Arabien, dem Gebirgsgürtel vom Kaukasus bis zum Hindukusch und zuletzt in Indien und Südostasien. Diese Unterteilung verliert allerdings an Wert, wenn man die gesamte Erdbevölkerung betrachtet.
- Die erste, heute noch lebendige, Besiedelung Europas erfolgte aus dem Bereich des zweitgenannten Gebietes. Es handelt sich dabei um das Gravettien. Es kann als gesichert gelten, daß diese mit der Y-DNA Haplogruppe I verbunden ist und sich später vom Balkan aus über Osteuropa bis nach Skandinavien verbreitet hat.
- Später erfuhr diese Besiedelung im Nordosten Europas eine Erweiterung um eine ursprünglich aus dem drittgenannten Gebiet stammende Gruppe, welche mit der Y-DNA Haplogruppe N verbunden ist und allgemein als finnisch gelten kann.
- Im Zuge der landwirtschaftlichen Revolution kam es im mittleren Osten zu Bevölkerungsverschiebungen, welche sich schwerlich im Detail rekonstruieren lassen, aber dazu führten, daß die afroarabische Bevölkerung zu Gunsten der kaukasischen Bevölkerung zurückgedrängt wurde. Zeitgleich fand eine Durchdringung der kaukasischen Bevölkerung in ihrem eigenen Gebiet mit einer ursprünglich aus dem drittgenannten Gebiet stammenden Bevölkerung, welche mit der Y-DNA Haplogruppe R1b verbunden ist, statt.
- Dieses Gemisch aller drei Gruppen verbeitete sich daraufhin im Westen und Süden Europas, wobei die kaukasische Gruppe dieses Mal mit der Y-DNA Haplogruppe J verbunden war, und die afroarabische mit der Y-DNA Haplogruppe E3b.
- Etwa 2000 Jahre später drang erneut eine Gruppe aus dem drittgenannten Gebiet in Europa ein, dieses Mal wiederum, wie bei den Finnen, über die Route nördlich des Kaspischen Meeres. Diese Gruppe ist mit der Y-DNA Haplogruppe R1a verbunden.
Was das Aussehen dieser ursprünglichen Gruppen angeht, so läßt sich mit einiger Sicherheit sagen, daß die Gravettiengruppe körperlich am robustesten war und ist und im Laufe ihrer langen Geschichte in Europa die für Europa typischen Merkmale der Blondheit und Blauäugigkeit ausgebildet hat. Über das Aussehen der ursprünglichen Finnen kann man nur spekulieren, aber offenbar wird es asiatischer gewesen sein als das der restlichen Gruppen. Was die afroarabische Gruppe angeht, so gibt es keinen Grund zu der Annahme, daß sich ihr Aussehen verändert hätte, sondern ganz im Gegenteil gute Argumente dafür, daß es gleich geblieben ist, nämlich schlank und langköpfig. Die zweite kaukasische Gruppe wird ebenfalls eher robust gewesen sein, wenngleich nicht ganz so robust wie die Gravettiengruppe und die sich mit ihr vermischt habende R1b-Gruppe hat wahrscheinlich ihr Aussehen übernommen. Und was das Aussehen der ursprünglichen R1a-Gruppe angeht, so ist es logisch ableitbar, daß es sich nicht vom Aussehen eines durchschnittlichen iranischen Afghanen heute unterschieden hat.
Zu den skurrileren Verirrungen der jüngeren Geschichte gehört die Annahme, daß der spezielle Mischtypus, welcher sich aus afghanischem Skelett und nordöstlicher Gravettienpigmentierung ergeben hat, eine ursprüngliche Rasse sei. Andererseits muß man gerechterweise sagen, daß die physiologischen Anthropologen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts so falsch auch wieder nicht lagen, denn immerhin verbinden sich, mit Ausnahme des so genannten dinarischen Typs, welcher eine reine Mischform ist, mit ihren so genannten Hauptrassen tatsächlich die Gruppen, aus welchen die europäische Bevölkerung hervorgegangen ist, nur halt im Detail anders als von ihnen angenommen. Details freilich, derentwegen sich Menschen umgebracht haben, was auch ohne Irrtümer schlimm genug wäre, so aber doppelt bitter ist.
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