Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

11. Oktober 2012

Soziale Strategien in der atomisierten Gesellschaft

Auch dies ein Thema, welches ich schon seit einigen Tagen mit mir herumtrage, ohne bisher die nötige Lust empfunden zu haben, darüber zu schreiben. Aber bevor ich das nun doch noch tue, kurz eine persönliche Mitteilung: Ich liebe euch!

So, nachdem das nun auch geklärt wäre, kommen wir also zur Frage, auf welche Weise sich Menschen in  atomisierten Gesellschaften zu ihrem eigenen Vorteil zu organisieren pflegen.

Wie man der Fragestellung entnehmen kann, liegen diesem Beitrag also empirische Beobachtungen zu Grunde. Zunehmend erkenne ich ein bestimmtes Verhaltensmuster am Werk, welches sich unschwer auf die Unverbundenheit der Mitglieder moderner Gesellschaften mit einander zurückführen läßt: man schnuppert, erspürt woher der Wind kommt, antizipiert die Reaktionen der Masse auf verschiedene öffentliche Geschehnisse und wettet dann, gleich wie bei der Kindersendung 1, 2 oder 3, ob ihr richtig steht, seht ihr wenn das Licht angeht, auf einen bestimmten Ausgang, dies aber nicht alleine, sondern eben zusammen mit vielen anderen, welche unabhängig von einem die selbe Wahl getroffen haben.

Nachdem der Wetteinsatz einmal getätigt wurde, erzeugt er ein verbindendes Interesse zwischen Menschen, welche es zuvor zwischen sich noch nicht einmal erahnen konnten.

Um eine populäre Spielart dieses Verhaltensmusters anzugeben, sei auf das Phänomen des Shitstorms verwiesen: alle Beteiligten wissen ganz genau, daß ihre Darstellungen des zugrundeliegenden Sachverhaltes unhaltbar sind, aber sie wetten darauf, daß sie niemand bloßstellen wird. Es ist wichtig das zu versehen, denn es illustriert das Wesen der atomisierten Gesellschaft auf schillernde Weise, der Anspruch auf die gesellschaftliche Dienlichkeit des öffentlichen Diskurses ist längst aufgegeben worden, mit den anderen in ein mißklingendes Horn zu stoßen ist nur ein Spiel, und alles in einem Spiel ist fair game.

Zwar werden die Stützen des Systems hauptsächlich dafür bezahlt, einen Sinn für Ernst und Schwere zu vermitteln, aber das verfängt immer schlechter, und am schlechtesten in ihren eigenen Reihen. Wo es Übereinstimmung gibt, da gibt es auch Betrug, aber wo es keine gibt, gibt es nur Gewieftheit. Und das ist der Geist, in welchem sich die Mitglieder einer atomisierten Gesellschaft beäugen.

Wenn dieses Narrenschiff nicht im Schlepptau von ernsteren Mächten hinge, so wären Feuer und Schwert, die Hinrichtung zum Zwecke der Vertreibung des Leichtsinns, sein sicheres Los. So wartet der Teufel noch, bevor er die Ernte einfährt. Umfänglicher möchte ich diesen Punkt an dieser Stelle nicht besprechen, denn das ist ein anderes Thema, welches sich nur stückweise der Voraussicht enthüllt. Was kann man heute schon mehr sagen, als daß die Inkompetenz und Anstandslosigkeit der europäischen Eliten den Kontinent in eine überhastete Diktatur führen wird, welche die Europäer abschütteln werden? Wie die Bruchstücke danach wieder zusammenfinden werden, wer kann es heute sagen? Unglücklich, freilich, sollte man über diesen Weg wohl nicht sein, ein zersprungenes Schwert muß wohl erst in Späne zersponnen werden, bevor man es neu schmieden kann. Und ich denke, so schlecht sind die Karten dabei gar nicht verteilt.

Nun gut, bleiben wir in der Gegenwart. Heute also haben wir alle möglichen Formen des Wettens auf unterschiedliche Wendungen der Geschichte, welche die Vorleistenden in nackter Gier zusammenschweißen, die Frage danach, wie überschuldete Regierungen  ihren Bürgern wohl an's Geld gehen werden, ist dabei vielleicht die folgenschwerste: und es werden streiten Immobilienbesitzer gegen Aktionäre, Rentner gegen Arbeitslose, Fabrikanten gegen Banken.

Wie man an dem Beispiel sehen kann, kann man sich diesem Mechanismus auch nicht immer entziehen. Ob man will oder nicht, man wird zur Partei gemacht. Und auch Jeder ist fair game.

Ob Salman Rushdie das mit dem überaus streitbaren Charakter der Demokratie meinte, welchen es zu verteidigen gelte? Wer weiß: die Regierungen als Schuldeneintreiber, welche die Menschen um ihre Habe gegen einander streiten lassen, Beyond Thunderdome.

Freilich, dies gilt nur unter der simplistischen Annahme, daß die gemachten Schulden irgendwann zurückgezahlt werden müssen, auf welcher ja auch die Protokolle der Weisen von Zion aufbauen, welche für den Fall der Zurückzahlung ein ähnliches Szenario entwerfen. Allerdings stimmt es bedenklich, wenn man Frau von der Leyen treudoof sagen hört, daß man die Schulden unbedingt zurückzahlen müsse, um auch später noch Geld leihen zu können. Bitte, Frau von der Leyen, brechen Sie nicht meinen Glauben an die Unauthentizität der Protokolle der Weisen von Zion. Seien Sie so freundlich!

Nun gut, nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. So inkompetent sind wahrscheinlich selbst unsere Politiker nicht, wie sie sich uns geben. Aber die Gewissenlosig-, ja scheinbare Belanglosigkeit mit welcher sich Menschen so wider einander aufstellen, in einander nichts weiter als Spielfiguren und zynische Spieler zugleich sehend, im Spaß das einfahrend, was man zum Leben braucht, und zwar auf Kosten anderer, sie wird uns nicht lange plagen können. Dies ist eine Endphase, noch mästen wir die zentralen Spieler, aber wenn wir schließlich Nein! sagen werden, dann werden sie sich gegenseitig an die Gurgel gehen und schon bald gewesen sein.

Dies ist das Wesen unserer Welt. Das Geheimnis ihrer Dynamik, der Geist, welcher sie organisiert. Nicht spielt mehr ein Herrscher seine Konkurrenten gegen einander aus, um an der Macht zu bleiben, es ist zum Volkssport geworden, wir alle streben danach uns gegenseitig gegen einander auszuspielen. Und wenn der Leichtsinn so viele Vorräte verbrannt hat, daß die nackte Not zum Vorschein kommt, dann endet diese Ära.

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