Bereitschaftsbeitrag

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13. November 2012

Generalisierungen des Guten

Es mutet wohl kurios an, daß ich den Aspekt der Verallgemeinerung des Guten bei meiner Behandlung verschiedener Religionen bisher ausgespart habe. Ich ging auf ihn am Beispiel nationaler Konditionierungen ein, aber als etwas aufgesetztes, eitles.

Der tiefere Grund für dieses Versäumnis besteht darin, daß das Fundament all der Verallgemeinerungen des Guten, welche ich betrachtet habe, stets dasselbe ist, nämlich das Gemeinwohl: Jede gute Tat aus jeder Konditionierung heraus läßt sich noch stets als Beitrag zum Gemeinwohl verstehen.

Nun ist Gemeinwohl natürlich auch ein dehnbarer Begriff, aber gemeint ist hier eine bestimmte Vorstellung, nämlich sich das Leben gegenseitig so angenehm wie möglich zu machen.

Angenehm, annehmbar, was man gerne annimmt.

Selbstverständlich ist uns das Leben nicht ausschließlich, ja, wahrscheinlich noch nicht einmal vorrangig etwas, was es anzunehmen gilt, und diese nahezu universelle Verallgemeinerung des Guten besagt auch nichts Gegenteiliges, aber sie besagt etwas, und zwar daß sich hinsichtlich des Übrigen, was uns das Leben ist, nicht so ohne weiteres eine Verallgemeinerung finden läßt.

Der Grund dafür ist, daß dieses Übrige aus unserem Gestaltungswillen besteht und es keine allgemein als gut anerkannte Gestalt gibt.

Das ist nun aber in sofern problematisch, als daß Taten für das Gemeinwohl auf diese Weise eine unverhältnismäßige Adelung erfahren, also Taten, welche das Leben für alle annehmbarer machen, was den allermeisten im Grunde etwas Nebensächliches ist.

Da liegt letztlich auch der Grund für unsere Unorganisiertheit. Wahre Liebe zum Mitmenschen muß stets sein Leben als etwas zum Erblühen zu Bringendes betrachten, auch wenn einem die Blüte selbst eher gleichgültig ist, mißfallen, freilich, sollte sie nicht, und wenn wir uns so verhielten, so würden wir ständig Anleitungen zum Knüpfen von Verbindungen geben.

Aber das ergibt sich für mich eher am Rande. Im Zentrum meiner Gemeinwohlkritk steht die Ignoranz dem gegenüber, was das Leben ausmacht, denn wenn das nicht bekannt ist, kann man auch nicht erwarten, daß viel für es getan wird.

Unser Leben besteht, so weit es das Wesentliche betrifft, aus den transzendenten Akten, an welchen wir teilhaben: persönlicher Erfolg, Befruchtung der Lage, interpersönliche Interessen (beispielsweise Lenkungs-, Verbindungs- und sexuelle Interessen), Aufbruch zu neuen Ufern, Selbstverpflichung zu Idealen, Bedingungen des eigenen Lebenswillens, korrespondierend den Bildern hier (in umgekehrter Reihenfolge).

Vernunft bewirkt dabei, daß unsere Erfassung unseres Lebens über die konkreten Gegebenheiten hinausgeht, wir also nicht nur unseren Lebensweg auf die Waagschale legen, sondern zugleich mit ihm all die möglichen, welche wir durchgespielt haben. Aus diesem Grund hat das Leben eines Menschen mehr Gewicht als das Leben eines Tiers und das Leben eines Weisen mehr als das Leben eines Narren vor Gott.

Versuchen wir, uns unserer wesentlichen Handlungen bewußt zu sein. Versuchen wir, den Fragen, welche sich aus unseren Idealen heraus stellen, nicht auszuweichen. Seien wir zum Opfer bereit, wenn die Regeln der Welt selbst uns das Leben zu nehmen versuchen, denn wir können nur gewinnen. Helfen wir anderen, ihr Leben zu finden. Nutzen wir unsere Freiheit zur Bebilderung unseres Wesens.

Dieses Leben ist, wie jedes vor ihm und nach ihm, vorläufig. Suchen wir nicht das Angenehme, sondern das Volle, verharren wir nicht beim Schein, sondern werfen uns in den dunklen Strom des Werdens.

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