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4. September 2013

Kleine Spekulation über die Geschichte des oberen Jenissei

Ob das Gebiet nördlich der mongolischen Steppe wohl einmal von kultureller Bedeutung war?

Jedenfalls ist es interessant gelegen, in der Mitte Asiens durch Wüsten und Permafrost der Welt entzogen, und zugleich der einzige Ort, von welchem eine Überbrückung seiner Weiten alleine schon unter dem Gesichtspunkt der ihm eigenen Lebensweise denkbar scheint.

Und vielleicht ist auch genau das geschehen, jedenfalls bestehen zwischen den Ureinwohnern des oberen Jenissei und den Indianern Nordamerikas noch die größten Ähnlichkeiten.

Aber mir geht es hier um etwas anderes. Betrachten wir einmal diese Karte.

Viel wird über das Verbreitungsgebiet der Zirbelkiefer geschrieben, und dabei stets betont, daß eine derartige Entfernung zwischen seinen einzelnen Teilen wohl nicht durch die Verdrängung durch die Waldkiefer erklärt werden kann. Nun, ich weiß nicht so recht, so abwegig ist der Gedanke eigentlich nicht, wenn man sich deren Verbreitungsgebiet ansieht.

Da erkennt man schon, daß da, wo sie besonders gut wächst, keine Zirbelkiefer übrigbleibt. Aber dabei wird etwas wichtiges übersehen, nämlich daß die Zirbelkiefer eine Nahrungsquelle ist, und sich deshalb nicht unbedingt nur natürlich verbreitet und verbreitet hat. Dieses riesige Verbreitungsgebiet mit dem Jenissei im Zentrum mag auch etwas damit zu tun haben, daß die Zedernuß (der Zirbensamen) auch das Brot der Sibirier genannt wird.

Nun, das ist nur so ein Gedanke, und kein besonders plausibler - jedenfalls bis zu diesem Punkt nicht. Aber jetzt wird's wirklich interessant. Es gibt einen Pilz, welcher zwischen zwei verschiedenen Pflanzenarten alterniert, nämlich Cronartium ribicola, und die beiden Pflanzenarten sind zum einen die Zirbelkiefer und zum anderen Johannis- oder Stachelbeeren!

Stehen die beiden mehr als 500 Meter auseinander, stirbt der Pilz.

Ja, wenn das so ist, wie und wo konnte so ein Pilz überhaupt entstehen?

Weiß Gott, ich habe in meinem Leben noch keine wilden Johannis- oder Stachelbeeren gesehen, und schon gar nicht in Kieferwäldern, aber das berechtigt mich natürlich nicht dazu auszuschließen, daß nicht vielleicht doch Zirbelkiefer und Johannis- oder Stachelbeeren auf natürliche Weise zu einander fanden, nur wenn ich mit einiger Sicherheit sagen kann, daß die meisten Johannis- oder Stachelbeeren heute von Menschen verbreitet werden, dann wird es jetzt schon plausibel, daß der Mensch für die Entstehung dieses Pilzes zwischen zwei Nutzpflanzen verantwortlich ist, wobei ja noch hinzukommt, daß die beiden Pflanzen einander ergänzen, in sofern jeder Mensch, welcher sich pflanzlich ernähren möchte, ein Interesse daran haben wird, Samen und Früchte zu kombinieren.

Gab es bereits vor tausenden von Jahren Gärten im Gebiet des oberen Jenissei oder alternativ eine Form der Forstwirtschaft, welche Nahrungsanbau beinhaltete?

Ich glaube schon, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Indianer ebenfalls alle möglichen Nutzpflanzen hatten und haben. Ich neige ehrlich gesagt immer mehr dazu, die Vorstellung einer ursprünglichen Jäger- und Sammlerkultur aller Menschen zu verwerfen, denn der Mensch, in sofern er das, also vernunftbegabt, ist, wird nur dann für ihn nützliche Pflanzen nicht anpflanzen, wenn es zuviel Arbeit ist, sei es weil die natürliche Vegetation sie überwuchert oder weil die Sonne sie austrocknet. Wo das hingegen nicht der Fall ist, pflanzt er wahrscheinlich schon seit mehreren Hunderttausend Jahren, Homo erectus baute bereits Flöße, mit welchen er das Mittelmeer befuhr, war also vernunftbegabt und pflanzte also höchstwahrscheinlich auch.

Es ist wirklich seltsam, daß die Menschen erst seit recht kurzer Zeit von Metall Gebrauch machen, was sich ja belegen läßt, Gold und Silber lassen sich zugleich am leichtesten bearbeiten und währen am längsten. Ist es wirklich so, daß die Menschen nichts erfänden, wenn sie einander nicht quälten?

Aber selbst dann, warum hätten sie erst vor ein paar tausend Jahren damit angefangen?

Nein, das führt zu nichts, es muß an ihrer Kooperationsstruktur liegen, daß hinreichend große Gruppen in Gegensätze zu einander geraten sind. Doch was begrenzte einstmals das Gruppenwachstum? Oder was stiftete Frieden zwischen genügend großen Gruppen? Für Hunderttausende von Jahren!

Das führt doch auch zu nichts, man sieht ja am Beispiel Roms, wie weit eine Übereinkunft zwischen ein paar verschiedenen Parteien reichen kann, man wiederholt einfach seinen Ansatz in immer größeren Rahmen. Nun gut, das kann auch schiefgehen, aber wenn man sich so umschaut, scheint es meistens und mit den verschiedensten Ansätzen zu gelingen.

Und daß die Herrschenden Hundertausende Jahre lang den Frieden zu wahren vermochten und jüngst nicht mehr?

Auch Blödsinn. Die Sache scheint unerklärlich, und doch gibt es ja eine Erklärung. Nur wenn es nicht an der menschlichen Intelligenz liegt und sich die menschliche Natur auch nicht in hinreichendem Maße geändert hat?

Sicher, es gehört schon etwas dazu, um darauf zu kommen, daß man mit Kiel und aus der Fahrtachse gedrehtem Segel gegen den Wind kreuzen kann, aber wenn man nur das Tüffteln anfinge käme man schon drauf -  vielleicht auch zufällig, wenn man einen Wagen auf einer Schiene hinten seitlich drückte, der Finger abrutschte und der Wagen nach vorne schnellte. Hunderttausend Jahre sind eine lange Zeit.

Oder wurde schlicht ein bestimmter Gedanke nie gedacht? Wie wäre es, wenn es anders wäre?

Ich neige dem gefühlsmäßig zu, es liegt etwas arrogantes in diesem Gedanken, etwas distanziertes und zur Zerstörung bereites. Vielleicht war er ein emotionales Tabu. Es ist halt so, daß alles mit dem Wind fliegt. Und ein Gebilde, welches sich auf dem Wasser anders verhält, gibt es in der Natur nicht.

Andererseits hätte der Mensch es so noch nicht einmal geschafft, ein Feuer zu entzünden, denn auch das geschieht in der Natur nicht auf die Weisen, welche ein Mensch beherrscht.

Nein, auch da hat er gedacht, wie es wäre, wenn es anders wäre, allerdings nicht ganz auf die gleiche Weise, denn beim Feuer ging es nur um die Umstände, welche es entzünden, nicht um die Sache selbst, nur darum, daß etwas auch sei, wo es sonst nicht ist, nicht darum, daß etwas sei, was die Welt zuvor noch nie gesehen hat.

Das Rad erfüllt diese Anforderung übrigens nicht, Baumstämme gab es auch schon vorher, aber ein Segelschiff erfüllt sie - und ebenso metallene Objekte.

Nun, eine Radikalisierung des Änderungswillens ließe sich schon denken und erklärte immerhin die noch heute zu beobachtenden Unterschiede in der Wesensart zwischen modernen und primitiven Völkern, aber über mehrere Hunderttausend Jahre schwerlich staffeln.

Freilich, daß etwas für jemanden schwer ist, der von einer Sache wenig versteht, heißt nicht unbedingt, daß es so nicht sein kann. Eine weitere Radikalisierung des Änderungswillens halte ich nämlich andererseits für ausgesprochen plausibel und einen ausgesprochen vielversprechenden Steig auf dem Weg zur weiteren Klärung der Anpassung der Sorge an ihr Unzureichend Sein.

Denken wir das einmal kurz an. Zunächst ging es darum, das Sein der Dinge von ihrem Auftreten zu befreien, dann darum, es von ihrem Zustandekommen zu befreien und als nächstes?

Können ja nur die Regeln des Zustandekommens dran sein, aber zugleich erfordert jeder Schritt eine Einsicht in die Grundlage der Änderbarkeit, beim Auftreten ist es die Einsicht, notwendige Verhältnisse auf eigene Weise selbst schaffen zu können, beim Feuer etwa der Sonne Hitze durch Drehen eines Stabes oder Blitze durch Aneinanderschlagen von Steinen, und beim Zustandekommen ist es die Einsicht in eben seine Regeln.

Vielleicht liegt in der ideellen Sicht auf die Welt im Umstand der Abstimmung der Ideen auf einander der Anfang einer Einsicht in die Änderbarkeit der Regeln des Zustandekommens. Durchaus ein vielversprechender Ansatz, aber andererseits werde ich das Gefühl nicht los, daß alles schon einmal war. Was sollte eine Abstimmung bereits existierender Ideen auch anderes bewirken als Heilung und Wiederherstellung?

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