Bereitschaftsbeitrag

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25. August 2013

Ein paar Worte zur Reminiszenz

An Tagen wie diesem scheint die Zeit sich vor einem auszubreiten, die Sonne scheint noch kräftig, aber die Temperatur befindet sich auf der Schwelle der Hitze zur Kälte, der Sommer ist noch gegenwärtig, aber der Herbst steht an.

Ein merkwürdiges Seinsideal durchzieht den Waldgürtel Eurasiens, aller Zeiten gewahr zu sein und in kleinen Übungen in jegliche Zeit einzutauchen. Es ist heiß im Kiefernwald, dessen Boden doch nur Preiselbeeren decken. Und die Zwergkiefern im Moor, wie trügerisch verbergen sie das Alter dieses Anblicks? Ja, die Teile sind neu, aber die Anordnung uralt.

Der Birkenpilz wächst wieder, die Espenblätter rascheln trocken im Wind, wer jetzt noch badet, holt sich schon jetzt den nächsten Winter, denn die Nächte werden wieder lang und sind schon kalt. Wie lang ist's her, daß in halbschwüler Statik Blitze in den Wolken zuckten, droben, ohne Donner, ein magisches Schauspiel in Rosa und Violett? Ein paar Wochen, vielleicht zwei. Und nochmals so viele und die Aktinidien werden reif und das Laub fällt von den Bäumen.

Nun, reif wird das halbe Jahr etwas, von Juni bis November, wenn man Kräuter und Pilze mitzählt, sogar schon ab April. Dort, mit dem Wald im Rücken, wachsen die Sonnenblumen zwei Meter hoch: Ein Tanz auf seltsam fremdem Parkett, spielten die Menschen hier nicht mit den Möglichkeiten, es wüchsen gerademal und halbes Dutzend verschiedene Sträucher und Bäume an einem Ort.

Aber so, aus aller Welt kommen die Pflanzen und werden herzlich empfangen, wenn sie nur bis zu -30 Grad im Winter aushalten und eßbar sind. Erstaunlich, wie viele es doch tun, und trotzdem muß man Vogelbeeren veredeln, wenn man eine Ahnung südlicher Fülle verspüren möchte: So schlecht sind sie nicht, kalt gepflückt im Morgentau, aber zu sauer, um sie in größeren Mengen zu genießen.

Sammeln, Vorlieben studieren, Umstände gestalten, sinnen, der Zeit als Geschichte begegnen, als einem Meer, welches Strandgut anspült, Strandgut aus allen Lebensphasen.

Die übrigen Zeitformen entsprechen Entwicklungsstufen menschlicher Gesellschaften hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Ausbildung von Organisationen, dies überhaupt nicht zu können oder nur bis zum Erreichen ihrer Reife oder, sobald die nötige Steifheit dazu vorhanden ist, ihres vollen Alters. Die Reminiszenz aber ist das Eintauchen in eine Organisation, welche nicht menschliches Wollen darstellt, sondern den Willen alles Lebendigen, in der Kälte zu überleben, als deren Weichensteller. Das Sinnbild des Umlaufs ist das Rad, das der Reminiszenz das Mobile (vielleicht auch die ihm ähnliche Lärche). Ein Sinnbild erzwungener Jugend wäre eine Schere und ein Sinnbild des Stillstands zwei einander würgende Ringer.

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