Bereitschaftsbeitrag

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25. August 2013

Die Grundlage der Polis

Ich hatte im letzten Beitrag ein Merkmal der Polis behandelt, nämlich das Vorhandensein einer Institution gemeinsamen Befragens, aber was spiegelt sich in einer solchen Institution?

Nun, ich würde sagen, daß es gemeinschaftliche Verantwortungsübernahme ist, und von dort gelänge man bald zu Freiheit und Einigkeit als Grundlagen der Polis, wenn man diese beiden Begriffe etwas herumdreht, aber wirklich befriedigen tut mich diese Antwort nicht, da sie nur unzureichend die Entstehungssituation einer Polis erfaßt.

Schürfe ich also etwas tiefer, komme ich auf die Erfahrung gegenseitigen Stützens, aus welcher heraus der Geist gemeinsamer Verantwortungsübernahme geboren wird und mit ihm seine Institutionen.

Diese Erfahrung selbst hat aber auch wieder eine Voraussetzung, nämlich daß die gemeinsame Ausbeutung des von den Mitgliedern der Polis eingebrachten Kapitals sich für jene vorteilhafter gestaltet als seine autarke Ausbeutung.

Betrachten wir das etwas genauer. Der Hauptgrund solcher Zusammenarbeit ist, wenn man es geschichtlich betrachtet, wohl die Fähigkeit, Besitz zu verteidigen und zu erobern, einschließlich dem von Sklaven.

Daneben gibt es aber auch noch den Fall, daß der Kooperationsvorteil nicht militärischer, sondern gestalterischer Art ist, also daß sich die eigenen Lebenswelt besser gemeinschaftlich gestalten läßt.

Diese beiden Fälle sind indes nicht unabhängig von einander, sondern üblicherweise legt der militärische Vorteil den Grund für den gestalterischen, indem er das nötige Kapital zur Gestaltung beschafft, was den ersten beiden Phasen des funktionalen Zykels entspricht.

Ich denke aber nicht, daß es sich zwangsläufig so verhält, also daß Kapitalerwerb stets militärisch erfolgt, nur daß es meistens so ist.

In der Moderne, das heißt in diesem Fall seit dem 20sten Jahrhundert, avancierte das Lebensgefühl der Menschen zum gestalterischen Kriterium, und da Menschen lieber in einer jungen Polis leben als in einer alten, verleitete sie die technische Machbarkeit dazu, zum Zwecke der Erschaffung einer besseren Welt, die Polis, in welcher sie lebten, zurückzuschneiden, und den Menschen gezielt die Erfahrung gegenseitigen Stützens im Rahmen der Gestaltung der eigenen Lebenswelt zu geben.

Ich denke nicht, daß es jemals zuvor dazu gekommen ist. Man hat Staaten entworfen, welche den Menschen für eine Weile das Gefühl vermittelten, wichtig zu sein, und einzig zu diesem Zweck. Und wer weiß, ob es damit jetzt vorbei ist: In Zeiten mangelnder Stimulanz mag gezieltes Zurückschneiden die einzige Möglichkeit der Lebensverlängerung sein.

Was ist das Wesen ideologischer Stimulanz, im Sinne des Glaubens an eine zu befolgende Verhaltensweise, eines Glaubens, welcher stärker als der Tod ist?

Nun, daß er in der Tat stärker als der Tod ist, nicht nur psychisch, sondern auch materiell. Es gibt keine materielle Erklärung dafür, zwar kann man die Notwendigkeit einer erhöhten Risikobereitschaft begründen, aber von der Art ist ein Glaube ja nicht, das ist nur eine Begleiterscheinung, welche sich dazu auch ohne ihn zeigt, zwar bei ihm früher, und das mag entscheidend sein, aber im wesentlichen strebt er ja einer Form zu sein zu, ist also ausgesprochen stabil, und welche materielle Begründung gibt es dafür, in einer Situation der Ausschöpfung langfristigst zu denken?

Freilich, es gibt ein Gleichnis, nämlich die Verdauung, nachdem man sich den Magen vollgeschlagen hat, in welcher ja auch die langfristigsten biologischen Prozesse eingeleitet werden, aber in diesem Gleichnis wäre der Grund allen bewußten Daseins der Verdauende, und diesen gibt es in der materiellen Sicht der Dinge nicht.

Vieles ließe sich über diesem Thema ausführen und polemisieren, aber die wichtigsten und allgemeinsten Dinge fordern zur Trockenheit des Zugriffs auf, einzig den anleitenden Charakter der Vita Jesu möchte an dieser Stelle als etwas sonderbar Deplatziertes bemerken: Wozu sie allgemein lehren? Wozu der an die Allgemeinheit gerichtete Hinweis auf die doppelte Überwindung des Todes, psychisch und physisch, durch den Glauben? Jahrhundertelang wurde das gelehrt, ohne daß die Notwendigkeit einer solchen Unterweisung bestanden hätte. Und heute, wo sie wichtig wird, wird es nicht mehr gelehrt. Zwar geht jede Seele zu Gott zurück und sollte sich entsprechend vorsehen, aber Jesu Vita beschreibt ein zyklisches Ereignis eines ausgesprochen langen Zykels und ist also zu den meisten Zeiten deplatziert.

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