Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

28. Oktober 2013

La grande bellezza (2013)

Ich möchte ein paar Worte über La grande bellezza verlieren, weil sich der Film an die Reihe der großen Leerstellenportraits anfügt, also jene Werke, welche etwas beschreiben, indem sie die Lücke zeigen, welche sein Fehlen hinterläßt.

Dostojewski tat das in Verbrechen und Strafe mit dem Gesetz des Handelns, welches sich aus dem Wesen eines Menschen ergibt, Tišma in Das Buch Blam mit einem sich erinnernden Gott.

Und La grande bellezza nun entfernt die Willkür aus dem Lebensweg der Menschen, und zwar über das Vehikel der Orientierung am objektiv Schönen, oder, um es genauer zu sagen, indem der Film die Leere zeigt, welche entsteht, wenn alles, was dem objektiv Schönen dient, bereits getan wurde, beziehungsweise bereits von anderen getan wird.

Die Jugendliebe, welche sich der Vollkommenheit der Empfindung des Augenblicks bewußt ist, und auf weiteres verzichtet, die Stadt, welche überall wie ein Gedicht erscheint, dessen kunstvolles Maß jeder Eingriff nur stören würde, die Kirche, deren Diener die letzten Grade der Verbundenheit mit Gott erreicht haben - nicht alle, aber doch genügend viele, um ihrem Anspruch gerecht zu werden.

Aus allem spricht die große Schönheit, die zu große Schönheit, welche die Normalsterblichen tatenlos und zunehmend verbittert-verkniffen - fies! - zurückläßt. Oder auch kindlich resigniert, zurückgestutzt auf die letzte sichere geistige Entwicklungsstufe.

Der Vorzug des Films dabei ist seine Betonung des Absoluten, welche die Zivilisationskrankheit um es herum geradezu unwesentlich erscheinen läßt, und dadurch ein Milieu schafft, welches nicht hoffnungslos übersäuert ist, denn das ist die große Gefahr, wenn man die Sinnlosigkeit des Lebens einseitig darstellt.

Und das tut der Film ja, er ist ein Leerstellenportrait, welches indes, wie auch Verbrechen und Strafe und Das Buch Blam, die Leerstelle entschuldigt und dadurch nie den Geruch einer Anklage gewinnt. Und so muß ein Leerstellenportrait auch vorgehen, es muß die Leerstelle als gänzlich normal darstellen, um den schärfsten Widerspruch dagegen zu provozieren.

Im hier vorliegenden Fall eben, daß Schönheit keine objektive Tatsache ist, sondern durch die subjektiven und willkürlichen Entscheidungen der Menschen zu ihr in die Welt hineingebracht wird, und selbst wo das nicht stimmen sollte, und eine Stadt tatsächlich objektiv schön sein sollte, die Schönheit des Lebens der Menschen in ihr doch auf genau diese Weise erst noch erzeugt werden muß.

Labels: , ,