Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

25. April 2014

Vom Kommen und Gehen unserer Wahrnehmungen

Zur Ausbesserung des letzten Beitrags.

Wenn wir uns in einem Nu befinden, also in einer Wahrnehmung, so können wir das Wahrgenommene beschreiben, Aussagen über es treffen, und wir können etwas tun, wobei die einzige Tat, welche sich nicht erst wieder durch etwas Wahrgenommenes offenbart, etwa wie sich unsere Finger anspannen, die bewußte Zuordnung eines Eindrucks zu einem anderen ist.

Wenn wir uns später an diesen Augenblick erinnern, so verwenden wir dazu Assoziationen, welche zwischen diesem Augenblick und etwas, wessen wir in dem Augenblick, in welchem wir uns erinnern wollen, gewahr sind, bestehen, wobei eine Assoziation auf einer bewußten oder unbewußten Zuordnung beruht, und welche uns die in jenem Augenblick gemachten Aussagen, sowie Echos der damaligen Eindrücke wachrufen.

Die Echos mögen unklar sein, die Aussagen sind es hingegen für gewöhnlich nicht. Hätten wir in jenem Augenblick unbewußt zugeordnet, so assoziierten wir jetzt womöglich, wobei uns unter Umständen nicht klar wäre, warum, hätten wir hingegen bewußt zugeordnet, so stünde die Aussage der Zuordnung nun vor uns, und wie bei jeder bewußten Entscheidung wäre ihr Motiv assoziiert, wobei uns in dem Falle stets klar wäre, warum wir assoziieren, nämlich um zu wissen, warum wir uns für etwas entschieden haben, auch wenn diese Zuordnung unbewußt geschehen sein sollte.

Ein Nu kann dabei durchaus eine gewisse zeitliche Länge besitzen, wenn wir darauf verzichten, die Änderungen unserer Umgebung zu registrieren, in welchem Fall wir nicht über ein paar Sekunden hinauskommen, gerade lange genug, um die Form eine Bewegung zu erfassen, also etwa, wenn wir uns mit gedanklichen Gegenständen beschäftigen, welche in Beziehungen zu einander stehen. Genauer gesagt hält er genau so lange an, wie wir das bestehende Beziehungsgeflecht nicht über den Haufen werfen. Wir können es erweitern, aber keine getroffene Aussage zurücknehmen, ohne den Augenblick zu verlassen.

Dabei ist es so, daß unsere Wahrnehmung nach jedem Nu in einen unbefleckten Zustand zurückkehrt, das heißt, daß ihr stets alles neu erscheint, auch wenn es das nicht ist, also wenn wir beispielsweise in einer pechschwarzen Kammer sitzen, so ist es jedesmal wieder ein neues Pechschwarz, welches wir wahrnehmen, jeder Nu hat seine eigene Wirklichkeit und die vorherigen Augenblicke sind zunächst einmal vergessen.

Freilich, das heißt nicht, daß der Begriff des Pechschwarzen jedes Mal ein neuer wäre. Der Begriff ist immer derselbe, aber der Eindruck ist immer ein anderer. Ich könnte mich also sofort, wenn ich wieder einmal in eine neue Wirklichkeit eingetreten wäre, fragen, wo ich das letzte Mal so eine Pechschwärze gesehen hätte, und dabei zu der Überzeugung gelangen, daß meine derzeitige Wirklichkeit so neu nicht ist, in dem Sinne, daß alles, was ich bereits zuvor ausgesagt hätte, auch weiterhin gilt.

Nichtsdestotrotz, es mag die gleiche Wirklichkeit sein, aber es ist nicht die selbe.

Übrigens gilt dies auch von gedanklichen Objekten, wenn wir sie reflektieren. Ein Begriff, welcher als Eindruck wahrgenommen wird, ist immer ein anderer. Und es wäre durchaus möglich, daß er einmal verschwindet, nicht mehr zu Stande kommt. Aber als bloßes angewöhntes Repertoire ist er immer derselbe. Und wenn er dann tatsächlich einmal verschwände, so verstünden wir auf einmal nicht mehr, was unsere Formel eigentlich besagt.

Genauer gesagt handelt es sich bei unseren Begriffen um komplexe Zuordnungen, welche Zeichenketten, Laute und grammatische Informationen enthalten, zu Eindrücken unseres Einsichtsvermögens, also unserer Vernunft. Diese werden irgendwann einmal vorgenommen und bestehen dann permanent in unserem Denken, so lange bis sie abgeändert werden, was sie von den Assoziationen, auf welche sich unser Gedächtnis stützt, unterscheidet.

Es handelt sich bei ihnen um einen Teil unserer Haltung. Und unsere Haltung ist, wenn man so will, ein langer Augenblick, welcher so lange währt, wie wir an ihm festhalten. Aber dieser Augenblick wird nicht direkt wahrgenommen, sondern muß wie die Erinnerung wachgerufen werden.

In diesem langen Augenblick liegen also unsere Begriffe, und auch alle Aussagen, welche wir für allgemein gültig halten, und insbesondere unsere Maximen. Die ganze wissenschaftliche Beschäftigung zielt darauf ab, diesen langen Augenblick um weitere allgemein gültige Aussagen zu bereichern, aber wenn es sich nicht gerade um Mathematik handelt, so besteht eine stete Verpflichtung, diese Aussagen an der stets neuen Wirklichkeit zu erproben.

Es ist wichtig zu verstehen, daß unsere Vernunft, wenn sie unsere Wahrnehmungen beschreibt, niemals etwas falsches behauptet, und daß wir, wenn wir uns diese Aussagen vergegenwärtigen, niemals etwas falsches annehmen. Falsche Annahmen werden stets als formale Aussagen in unser Denken eingeführt, welche wir allenfalls irrtümlicherweise in unsere Haltung aufnehmen können, wo sie uns zu weiteren Irrtümern anstiften, aber bei all dem bleiben sie letztlich doch Gegenstände einer über ihr Zutreffen wachenden Vernunft, welche sich dabei auf das stützt, was sie selbst einmal eingesehen hat.

Mit anderen Worten verwendet die Vernunft die unwandelbare und unfehlbare Erinnerung, um den langen Augenblick der Haltung zu steuern, wie sie den langen Augenblick der Haltung verwendet, um den kurzen Augenblick der stets neuen Wirklichkeit zu steuern.

Eine Einsicht ist dabei stets wahr, ein gemäßes Verhalten hingegen möglicherweise irrig.

Freilich, wenn wir etwas vergessen, müssen wir mit dem Vorlieb nehmen, was übrig bleibt.

Und wenn wir unserem Einsichtsvermögen eine Sprache geben wollen, so sollten wir daran denken, daß der Mitteilung nur der kurze Augenblick der stets neuen Wirklichkeit offensteht, da niemand seine Erinnerung oder Haltung ohne weiteres ändert. Wir müssen also einen Formalismus schaffen, welcher das in einem kurzen Augenblick Einsehbare beschreibt.

Andererseits ist eine geschlossene Vermittlung von unmittelbar Einsehbarem in dem Sinne unzureichend, daß wir selbst nicht mit ihm zufrieden sind und uns durch bestimmte Erfahrungen zu Haltungen hinreißen lassen, welche behaupten, was uns nun plausibel scheint, ohne daß es seinem Wesen nach je vollständig einsehbar wäre.

Mit anderen Worten wird also auch eine Formulierung derjenigen Postulate, welche man selbst verwendet, zu jeder Mitteilung über das Einsehbare gehören, bestenfalls gestützt auf einzelne Einsichten.

Technische Schwierigkeiten bereitet das aber nicht, denn man erhält ja wieder tatsächlich Einsehbares, wenn man stets schreibt: Wenn dies wahr wäre, dann wäre...

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