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22. April 2014

Das Denkvermögen

Nachdem ich im letzten Beitrag einigermaßen konkret die Verhältnisse angegeben habe, auf welche sich das menschliche Denken stützt (weitere Details finden sich in den Beiträgen Tetrachromatie beim Menschen und Grundlagen der vokalischen Klangfarben, ohne daß dies erschöpfend wäre), kann ich nun das Denkvermögen selbst genauer in Augenschein nehmen.

Wie ich schon im letzten Beitrag sagte, ist das Denkvermögen vom Urteils- oder Einsichtsvermögen zu unterscheiden.

Die elementaren Bausteine des Denkvermögens sind Gegenstände und Verhältnisse, wobei ein Gegenstand dadurch definiert ist, daß er in einem Verhältnis steht, formal betrachtet also dadurch, daß er einem bezüglichen Begriff zugeordnet ist, durch welche die Verhältnisse formalisiert werden.

Eine vollständige Zuordnung von Gegenständen zu auf einander bezogenen bezüglichen Begriffen bildet eine Aussage, eine unvollständige eine Auszeichnung.

Aussagen lassen sich durch die beiden natürlichen logischen Operatoren Und und Nicht in weitere Aussagen überführen, Auszeichnungen ebenso.

Auszeichnungen bilden vermittels Bezug auf das Einsichtsvermögen Gesamtheiten, indem sie alle passenden, also auf die nämliche gleiche Weise (same) im Verhältnis stehenden Gegenstände, ihre Entsprechungen, in einem Gegenstand zusammenfassen. Vergleiche Betrachtungen zum Altsächsischen (s-) zur Begriffsbildung.

Nun ist es allerdings so, daß sich Auszeichnungen natürlicherweise auf beliebige Gegenstände beziehen und nicht nur auf solche, welche innerhalb einer bestimmten Wahrnehmung gegeben sind, also diese betreffen, und also weder ihre Entsprechungen noch die Gesamtheiten normalerweise vorliegen.

Aus diesem Grund operiert unser Denken mit einer grundlegenden Behauptung über Entsprechungen und Gesamtheiten, nämlich daß sie aktualisierbar seien, was auch immer das genau zu bedeuten hat, denn die Bedeutung dieses Ausdrucks unterscheidet sich in seiner Anwendung.

Beispielsweise bedeutet nicht aktualiserbar im Falle eines Einhorns, daß es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gefunden werden kann. Hingegen bedeutet nicht aktualisierbar im Falle der Menge aller Mengen, daß diese noch nicht einmal nach den Regeln hypothetischer Gesamtheitenbildungen konstruiert werden kann.

Übrigens deshalb nicht, weil sie versucht, Auszeichnungen erst auf ihrer Grundlage vorgenommener Zuordnungen als bereits in sich gegeben zu betrachten, was der Grund für das Russell´sche Paradox ist.

In der Mathematik bezeichnet man die Aktualisierbarkeit einer Entsprechung durch den Existenzquantor: Es gibt einen Gegenstand, welcher der Auszeichnung entspricht.

Und die Aktualisierbarkeit von Gesamtheiten wird durch die Zermelo-Fraenkelsche Mengenlehre postuliert.

Ich habe bereits ein Regelsystem zur Bildung von Gesamtheiten angegeben, welches über diese hinausgeht, siehe Die Vergegenständlichung der Verständnisse. Ich werde aber auch jenen Beitrag noch einmal überarbeiten müssen.

An dieser Stelle werde ich es aber bei grundsätzlichem belassen.

Selbstverständlich kann von einem nicht aktualisierten Gegenstand gar nicht gesagt werden, daß er einer Auszeichnung entspricht, denn dies zu sagen erfordert, daß das vollständige Verständnis im Einsichtsvermögen liegt. Ebensowenig läßt sich einem nicht aktualisierten Gegenstand irgendetwas zuordnen oder er sich einem anderen Gegenstand zuordnen.

Das muß einen indes nicht weiter stören, man kann sich mit Hypothesen behelfen. Man kann beispielsweise sagen, daß die rekursive Auszeichnung einer Zahl als das einer bereits ausgezeichneten Zahl Zugeordnete, angefangen mit der Urzahl 1,  eine Gesamtheit ergibt, die aktualisierbar sei, ebenso wie jede ihrer Entsprechungen, auch wenn beides faktisch falsch ist.

Aber wenn es wahr wäre, dann könnte man offensichtlich auch jeder Entsprechung etwas zuordnen und die Gesamtheit all dieser Zuordnungen bildete nicht nur im Denkvermögen eine Begleitung, sondern auch im Einsichtsvermögen, wäre mithin auch aktualisierbar.

Und so kann man immer weiter machen. Nur konsequent sollte man sein, und genau das ist die Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre nicht, welche ab einem bestimmten Punkt behauptet, daß, was analog zuvor aktualisierbar war, es nun auf einmal nicht mehr sein soll. Ich rede von der Menge aller rekursiv über den Zahlen gebildeten Potenzmengen, welche nach Zermelo-Fraenkel nicht existiert!

Übrigens, weil sich diese Diskussion hier anbietet, es ist zwar nicht zwingend nötig zu behaupten (streng genommen ist es sogar wieder falsch), daß wenn zwei Gesamtheiten aktualisierbar seien, dann auch die Gesamtheit aller Begleitungen der einen durch die andere aktualisierbar sei, aber es ist eine der natürlichsten Behauptungen, welche man aufstellen kann, viel natürlicher, als daß die Gesamtheit der Zahlen aktualisierbar sei.

Aber halten wir fest, im Rahmen des Problems der Aktualisierung stellt sich die Frage nach irgendeiner Entsprechung einer Auszeichnung, welche sich in der konkreten Anschauung selbstverständlich nicht stellt. Zu den übrigen Aussagen und Auszeichnungen gesellt sich also noch die Aussage oder Auszeichnung, daß etwas näher Bestimmtes existiere, wobei diese Aussage erst im Falle dessen Aktualisierung das eigene Einsichtsvermögen betrifft.

Diese Existenzaussage oder -auszeichnung beruht als einzige nicht auf einem Verhältnis, weil sie überhaupt erst dadurch interessant wird, daß sie sich auf etwas nicht Vorliegendes bezieht. Sie ist die menschliche Aussage oder Auszeichnung schlechthin, deren Verständnis den Menschen vom Tier unterscheidet.

Abschließend zur Definition von Gesamtheit und Begleitung.

Begleitung ist natürlicherweise durch eine wiederholt vorgenommene Zuordnung definiert, als die Gesamtheit durch eine Auszeichnung genauer bestimmter Zuordnungspaare, natürlicherweise zeitlicher Art, so etwa auch bei der Begleitung der rechten Hand durch die linke beim Klavierspiel.

Aber dem Denkvermögen ist es ziemlich egal, ob man das auf hypothetisch vorgenommene Zuordnungen erweitert, welche man dann allerdings selbstverständlich nicht mehr zeitlich auszeichnen kann.

Übrigens, um auch das explizit gesagt zu haben, die Gesamtheit der Zuordnungspaare wird durch die Auszeichnung derjenigen Gegenstände, welchen etwas zugeordnet wird, der so genannten Grundlage der Begleitung, bestimmt.

Gesamtheit ist natürlicher Weise eine Teilwahrnehmung (es gibt nichts, was sie betrifft, was nicht auch die übergeordnete Wahrnehmung betrifft) näher bestimmter Art (es gibt nichts, was sie betrifft, was nicht auch ihrer Auszeichnung entspricht und es gibt nichts, was ihrer Auszeichnung entspricht, was nicht auch sie betrifft).

Und wiederum stört es das Denkvermögen nicht, wenn man dort auf die Einbettung in eine tatsächliche Wahrnehmung verzichtet. Man tut einfach so, als ob es weiterhin eine übergeordnete Wahrnehmung gäbe, in welcher beispielsweise die oben erwähnte rekursiv bestimmte Menge aller Potenzmengen über den natürlichen Zahlen enthalten wäre.

Die übrigen Definitionen sollten trivial sein.

Das Denkvermögen ist also ein Formulierungsvermögen, dessen Formulierungen, wenn auch manchmal auf verwickelte Weise, auf das Einsichtsvermögen zu beziehen sind, was aber nichts heißt, daß dies immer möglich wäre, in welchem Fall es sich um unsinnige Formulierungen handelte, wie etwa bei der Menge aller Mengen.

Die Operationen der Mathematik sind hingegen ein gelungenes Beispiel der Erweiterung des Formulierbaren über das konkret Angeschaute hinaus, welche das Einsehbare auf geschickte Weise zusammensetzt, wozu vielleicht noch mehr zu sagen wäre, aber ich kann an dieser Stelle keine vollständige Diskussion des Intuitionistenstreites liefern.

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