Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

30. Mai 2015

Zur Zersprengung der Herde

Daß Hirtenstrukturen in Abwesenheit einer Kirche zerfallen, ist natürlich, denn von alleine entwickelt sich der Glaube der Herde nicht weiter, und wenn der Glaube der Herde erodiert, zerfallen zwangsläufig auch die Hirtenstrukturen, welche ihn kanalisieren.

Indes, eine Kirche ist nichts weiter als ein Bund von Menschen, welcher der Wahrheit zur gesellschaftlichen Geltung zu verhelfen sucht, indem er sich für die jeweils frommste Partei einsetzt. Und einen Teil der Arbeit einer Kirche könnten die Menschen selbst übernehmen, wenn sie nur über Strukturen des öffentlichen Diskurses verfügten, welche die Wahrheit begünstigten.

Wahrheit entspringt der Muße, nicht der Befangenheit. Aber Befangenheit vermag Menschen schnell zu mobilisieren. Öffentliche Zusammenkünfte müssen also vor solchen Attacken beschützt werden, wenn man die Wahrheit begünstigen will. Dabei gibt es zwei Arten des Zusammenkommens, erstens das Zusammenkommen vermeintlich Gleichgesinnter und zweitens das Zusammenkommen vermeintlich verschieden Gesinnter. Wie die Wahrheit in letzterem Falle zu begünstigen ist, ist leichter einzusehen als in ersterem. Offensichtlich kommt es bei einem solchen Zusammentreffen nur darauf an sicherzustellen, daß die Argumente gehört werden. Jeder kann dann frei nach seiner Muße bemerken, was er für bemerkenswert hält und vergessen, was er für vergessenswert hält. Konkret leitet sich daraus etwa ein Verbot von Gegendemonstrationen am gleichen Ort zur selben Zeit ab. Die Wahrheit hat kein Interesse an einem Kampf um die Straße.

Was die Zusammenkünfte vermeintlich Gleichgesinnter betrifft, so ist der Wahrheit wohl dadurch am meisten gedient, daß in regelmäßigen zeitlichen Abständen Repräsentanten gewählt werden, und zwar in überschaubaren Gruppen und in so vielen Schichten, wie es eben nötig ist, um an allen Stellen das persönliche Gespräch zu ermöglichen.

Konkret dürfte ein persönliches Gespräch bis zu Gruppen von etwa 80 Personen möglich sein. Danach könnte man also skalieren: 80, 6400, 512 000, 40 960 000... Allerdings müssen die Besprechungen jedes Repräsentantenkreises von den Repräsentierten verfolgt werden können, damit sie sich ein Bild davon machen können, wie sie repräsentiert werden, was mit der heutigen Technik allerdings keine Probleme bereiten sollte.

Die Entwicklung des Glaubens ist damit nicht möglich, dafür ist das Instrumentarium zu grob, aber die Bestimmung des politischen Kurses durch den Glauben ist auf diese Weise möglich, und natürlich ist es besser, politisch zu beschließen, woran man glaubt, als es nicht zu tun.

Was könnte also dahinterstehen, wenn derartige Abgleichungen systematisch verhindert werden?

Und ich bin mir recht sicher, daß sie systematisch verhindert werden, etwa durch Demonstrationspraxis und Untergrabung kompetenzbasierter Autorität, letzteres unter anderem durch unsachliche Moderation.

In verschiedenen Ländern wird das Spiel unterschiedlich gespielt, aber es ist kein lokales Phänomen, sondern scheint mit der so genannten Aufklärung verknüpft zu sein.

Nur, wozu? Was ist die Absicht?

Gefällt jemandem die Hirtenstruktur als solche nicht?

Das ist natürlich möglich, aber es scheint mir unwahrscheinlich, daß solche einen derartigen Einfluß haben. Eine andere Erklärung wäre Eifersucht: Der Staat will die Herde für sich, und gerade weil er ein so schlechter Hirte ist, knebelt er seine Konkurrenz so gut er kann. Aber das paßt auch nicht ganz ins Bild, dafür sind diese Maßnahmen dann wieder zu zögerlich und verstreut.

Irgendein Gift ist am Werk, die Menschen entledigen sich ihrer politischen Vernunft, und das, obwohl die meisten von ihnen auf sie angewiesen sind.

Und aus irgendeinem Grund bewirkt gerade die Aufklärung diesen Zustand.

Es muß Dogmatismus sein.

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