Bereitschaftsbeitrag

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30. Juli 2015

Politische Gräben

Eine Öffentlichkeit, welche sich ein X für ein U vormachen läßt, enthält sich der Bestimmung ihres Geschicks.

Manch einer wird nun sagen: Das ist auch besser für sie!, doch eine solche Einschätzung verkennt den geistigen Schaden, welcher dadurch entsteht, daß der Öffentlichkeit das Fundament aller Konsensbildung, nämlich die öffentliche Verbindlichkeit der Plausibilität, entzogen wird.

Und bevor hier der naheliegende Einwand erhoben wird, daß die Geschichte doch lehre, daß dies zu allerletzt ein Problem ist, wenn sich eine Regierung erdreistet, diese Verbindlichkeit für ihre Erklärungen zu leugnen, möchte ich präzisieren, daß ich mit lassen nicht zulassen meine, sondern unbeantwortetes geschehen lassen.

Dieser Einwand zeigt indes, daß das Kriterium der öffentlichen Verbindlichkeit der Plausibilität, nämlich die öffentliche Bildung einer Antwort auf ihre Mißachtung, unter Umständen nur der beurteilen kann, wer Teil der die Öffentlichkeit konstituierenden Gruppe ist, dann nämlich, wenn die Antwort subversiv ausfiele.

Und dies führt auf das Problem der Bestimmung dieser Gruppe.

Von welchen Menschen weiß ich, daß sie eine Öffentlichkeit mit mir teilen?

Jede Öffentlichkeit besteht aus Verhaltensweisen, und die erste Voraussetzung, welche erfüllt sein muß, um die Zugehörigkeit eines andern zu einer Öffentlichkeit beurteilen zu können, ist, daß Menschenkenntnis oder der Umgang mit ihm hinreicht, diese Verhaltensweisen zu verifizieren. Die zweite Voraussetzung ist, daß der Grad, zu welchem sich der andere durch sein Vertrauen in die Hand der übrigen gibt, bekannt ist, denn an ihm lassen sich seine Pläne für die Zukunft ablesen.

Wen ich also hinreichend gut kenne, um zu wissen, daß er sich entsprechend verhält, und wer sich dabei nicht in übertriebenem Maße vor mir schützt, mit dem teile ich mit Sicherheit eine Öffentlichkeit. Bei allen anderen handelt es sich um eine Glücksfrage.

Und in diesem Kreis also bin ich zunächst auch an der Bildung einer öffentlichen Antwort auf die öffentliche Mißachtung der öffentlichen Verbindlichkeit der Plausibilität beteiligt und erfahre somit auch, ob diese Öffentlichkeit ihr Geschick noch bestimmen will oder nicht.

Außerdem erfahre ich, wie sie es zu tun gedächte, subversiv oder nicht. Will sie es subversiv tun, so kann eine Verständigung mit anderen Kreisen über die richtige Antwort nur konspirativ, also nicht öffentlich, stattfinden. Andernfalls hätte jedes ihrer Mitglieder die nötige Rückendeckung, um die öffentliche Verbindlichkeit der Plausibilität öffentlich einzufordern.

Natürlich ist es im konkreten Falle der öffentlichen Mißachtung der öffentlichen Verbindlichkeit der Plausibilität klar, welche Antwort unter den heutigen Umständen die bessere ist, nämlich die der öffentlichen Einforderung der öffentlichen Verbindlichkeit der Plausibilität, aber ich habe dies dennoch so detailliert beschrieben, weil die nämlichen Betrachtungen in allen Fällen der Verletzung einer Öffentlichkeit Anwendung finden.

Zwei Gedanken möchte ich an dieser Stelle aber festhalten.
  1. Die öffentliche Mißachtung der öffentlichen Verbindlichkeit der Plausibilität muß beantwortet werden.
  2. Wer sich persönlich in einem Kreis wiederfindet, welcher nicht dazu steht, dies auch öffentlich zu tun, lebt in einer dysfunktionalen Öffentlichkeit.
Ich erwähne dies zweite, weil, wie ich gestern schrieb, die Erkenntnis eines Mangels die Grundlage jedes Erwerbs ist. Im konkreten Fall hier gibt es aber mehr als genug Deutsche, welche wissen, daß den nackten Kaiser öffentlich als nackt bezeichnen zu können, ein hohes Gut ist, auf welches sie auch nicht so ohne weiteres verzichten wollen. Und also handelt es sich bei der Einforderung der öffentlichen Verbindlichkeit der Plausibilität nur um eine Frage des organisatorischen Geschicks, den Willen zur Priorisierung dieses Punkts vorausgesetzt.

Aber dieser Wille ist nicht willkürlich. Wer ihn nicht aufbringt, ist der Freiheit nicht würdig, denn Launen lassen ihn die Grundlage allen Konsenses vergessen. Er ist in politischer Hinsicht nicht fähig, auf sich alleine gestellt zu stehen.

Mit anderen Worten verläuft der entscheidende politische Graben heute für mich zwischen jenen, welche ihre Selbstbestimmung erhalten wollen, und jenen, deren Taten nicht darauf schließen lassen. Und wiederum möchte ich diesbezüglich zwei Gedanken festhalten.
  1. Das Kräfteverhältnis in diesem Kampf begünstigt in Deutschland unbestreitbar die Selbstbestimmung Suchenden.
  2. Geht dieser Kampf verloren, läßt sich kein anderer, eigener führen.
Die Sache ist noch lange nicht entschieden. Aber wie es derzeit steht, muß ich sagen, daß der Riese nicht umhinkommen wird, die Narren unter den Leuten, welche ihm in eigener Sache auf der Nase herumtanzen, also jene, welche aus diesen oder jenen Gründen nicht die Linie halten können, sich von derselben zu wischen. Die Macht des Feindes besteht in der Unterdrückung sachlicher Argumente. Wer sie mehrt, ist ein Narr oder ein Verräter. Und wer ihn niederwerfen will, der zielt auf die Unterdrückung und beweist seinen Willen zur Sachlichkeit, bei allen Grenzen, welche seinem Wissen gesteckt sind.

Vieles ist freilich so lächerlich, daß man wenig dabei gewinnt, es aufzugreifen, vieles andere hingegen ist es ganz und gar nicht. Meine Strategie besteht darin, das Mögliche auszuleuchten. Ich zwinge niemandem meine Analysen auf, ich biete sie an. Wer hingegen mit ihnen übereinstimmt, dürfte sich auch für dieselben Alternativen entscheiden wie ich, denn ich bin um die grundsätzlichsten menschlichen Bestrebungen besorgt, andernfalls ich mit Sicherheit auch schlicht mein Leben genossen hätte, anstatt mir meine Einsprüche gegen die bestehenden Verhältnisse von der Seele zu schreiben.

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