Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

13. Mai 2016

Zum Verlust der Initiative

Seltsam ist, daß man, wenn man den Film Eins, Zwei, Drei sieht, mit Ausnahme von zwei, drei Volkspolizisten nicht erkennen kann, welcher Schauspieler ein Amerikaner ist, und welcher ein Deutscher, wohingegen die Deutschen bereits im Film Octopussy auf den ersten Blick als solche erkennbar sind.

Gert Fröbe fällt in Goldfinger nicht auf, Curd Jürgens in Der Spion, der mich liebte vielleicht auch noch nicht, doch das ist schon diskutabel, jedenfalls strahlt er in der Rolle eine gewisse kontinental europäische Ruhe aus, das heißt, eigentlich eine schwedische, was jedes Mal die Klasse eines Schauspielers beweist, wenn er es schafft, das Typische einer anderen Nation hervorzurufen, wie zuletzt Anthony Hopkins in Kidnapping Mr. Heineken, wo er mich schwer beeindruckte, aber im Englischen Patienten ist es nur noch Jürgen Prochnow, der nicht eindeutig und auf den ersten Blick erkennbar sein Deutsch-Sein preisgibt - ich hätte auch Deutschtum schreiben können, denn wo es sich so verhält, muß es ein Deutschtum geben, welches sich also ausdrückt.

Freilich mag der deutschsprachige Raum auch weiterhin hin und wieder einen Schauspieler hervorbringen, welcher dieses nämliche Deutschtum nicht aus allen Poren ausschwitzt, aber das ist ja gerade das bemerkenswerte an Eins, Zwei, Drei, daß sogar Lilo Pulver, welche sich ausschließlich darum bemüht, berlinerisch zu erscheinen, nicht wirklich fremd neben James Cagney wirkt, und Horst Buchholz könnte Pamela Tiffin's Bruder sein.

Ja, Poren, ausschwitzen... aber, nein, völlig falsche Fährte, das Deutschtum der neuen Deutschen hat nichts mit Schuld zu tun, es ist eine gewisse Gesichtslosigkeit, ein Mangel an Lebenserfahrung gepaart mit einer beinahe religiösen Achtung der Konformität, der schüchterne Blick eines Schuljungen, welcher darauf hinarbeitet, die Weihen der Verantwortung zu erhalten, oder auch der Hochmut eines Jugendlichen, welcher sich sicher ist, sie demnächst zu empfangen, oder auch die Verbitterung eines Mittvierzigers darüber, leer ausgegangen zu sein: Das ist das neue Deutschtum, und es zeigt sich überall, wohin es geht.

Habe ich da gerade in der Aufzählung einen Fall vergessen?

Freilich, und den allermerkwürdigsten dazu: Die zugleich giftige und gönnerhafte Selbstversicherung des Mittvierzigers, der es geschafft hat - aber die Sorte findet sich nicht vor der Kamera.

Es besteht wohl kein Grund zu spotten, aus Emotionen geborene soziale Hemmnisse gibt es auch andernorts, in Deutschland regiert eben die Angst und treibt zur Wappnung, nur daß die Deutschen dabei der Maschinerie in die Arme laufen.

Wehe, wehe! Der Mensch hat so wenig Zutrauen auf seine Mitmenschen, daß er sich sein Leben diktieren läßt, anstatt es mit ihnen zusammen zu gestalten. Ist das wirklich artgerechte Haltung?

Labels: , , , , , , , ,