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6. September 2017

Hochkulturelles Zusammenleben als Versöhnung unterschiedlicher Gewilltheiten

Ich habe im Beitrag Nahe Abweichungen vom Ideal, ohne es zu merken, eine weitere Sichtweise auf die menschlichen Geister entwickelt, genauer gesagt in ihrer dreifaltigen Vergröberung auf Erregte, Fordernde und Gestimmte, welche ich an dieser Stelle Gewilltheit taufen möchte, und rein aus ästhetischen Gründen möchte ich mich nochmals mit dieser Terminologie an den Übereinkünften, welche Hochkulturen begründen, versuchen, ohne dabei den Anspruch zu erheben, über den Beitrag Gemeinschaftsstiftende Erzählungen, und schon gar nicht über den Beitrag Nochmals zur Unvereinbarkeit aller Seelenteile in einer Kultur, hinauszugehen.

Mein Interesse an der Gewilltheit rührt daher, daß sie die charakterlichen Unterschiede zwischen den Menschen in ein spirituelles Licht rückt, in welchem sie als Reifeunterschiede erscheinen, wobei es mir weniger um Wertung als vielmehr darum geht, daß gewertet wird, und zwar im Rahmen der eigenen spirituellen Reifung, mit anderen Worten Charakterunterschiede oftmals als Entwicklungsstörungen mißverstanden werden, und zwar auf vielfache Weise - letztlich bei jeder Abweichung von der eigenen Entwicklung.

Die Gewilltheit der Lust ist der Triumphalismus, welchen wir freilich alle aus unseren Kindertagen kennen, die oftmals verstohlene Zusammenballung der eigenen Kräfte, um irgendeinen symbolischen Erfolg zu erringen.

Die Gewilltheit der Achtung ist das Arrangement, der zumeist genervte Blick auf Verbindlichkeiten, welche das Zusammenleben im Hinblick auf gegenseitige Unterstützung und Behinderung regeln.

Und die Gewilltheit der Sorge ist das Friedenswirken, das Selbstverständnis im Rahmen guter und böser Geister, also solcher, welche die Friedensordnung hervorbringen, und solcher, welche sie zersetzen, wonach wir also dafür verantwortlich sind, wem wir in uns Raum geben.

Was nun Erregte zu Erregten macht, ist, daß ihr Triumphalismus durch ihre Abhängigkeit von ihrer eigenen Größe geweiht und an die erste Stelle erhoben wird. Sie sind also keineswegs Kindsköpfe, welche es verpassen, sich ernsteren Dingen zuzuwenden, sondern Verächter der Hilflosigkeit und natürliche Anhänger des Rechts des Stärkeren.

Gleichsam sind Fordernde Fordernde, weil das Arrangement für sie durch die durch es erreichte Leistung oder Versicherung geheiligt wird, so daß sich für sie die Frage nach einer weitergehenden Zufriedenstellung nicht stellt.

Umgekehrt können Gestimmte nur deshalb Gestimmte sein, weil sie ihre eigene Ausgeliefertheit ertragen: Fordernde setzen auf die Macht der Organisation, Erregte auf die Macht jedes einzelnen Glieds, Gestimmte sehen sich in Gottes Hand.

Die Verbindung von Gestimmten und Fordernden in einer Hochkultur beruht auf der Hinwendung des Friedenswirkens zu einer Friedensordnung, in deren Mittelpunkt das rücksichtsvoll geordnete Kollektiv steht, und der Hinwendung des Arrangements zu eben derselben. Beispiele sind wie gesagt das Christentum und der Hinduismus.

Die Verbindung von Gestimmten und Erregten in einer Hochkultur beruht analog auf der Hinwendung des Friedenswirkens zu einer Friedensordnung, in deren Mittelpunkt allumfassende menschliche Größe steht, und der Hinwendung des Triumphalismusses zu eben derselben. Ein Beispiel ist wie gesagt der Islam.

Anders ausgedrückt erklären die Gestimmten einmal, was wahre Rücksicht sei, und einandermal, was wahre Größe sei. Daß Gestimmte sich mit beidem anfreunden können, liegt daran, daß sie auf die Menschen schauen, um deren Frieden sie sich sorgen, wird ihnen aber von diesen als schlangenhafte Doppelzüngigkeit ausgelegt.

Aber auch Fordernde und Erregte können sich in einer Hochkultur verbinden, wenn Arrangement und Triumphalismus sich nur gegenseitig Raum geben, wie dies beispielsweise in Japan oder Tibet der Fall ist oder jedenfalls gewesen ist. Der Schlüssel liegt hier in einer Situationsabhängigkeit des leitenden Aspekts, Rücksicht oder Größe, wobei die Gesamtleistung oder -versicherung genausowenig in Mitleidenschaft gezogen werden darf wie die Gesamtgröße, was zu den für die genannten Kulturen typischen Arenen für die Willkür in einem anderweitig strikt geregelten System führt.

In jedem Fall aber sollte man über ausgewachsene Männer nicht lachen, sondern sich lieber fragen, was sie bereitstellen oder gegen einen wenden werden, wobei eine gedeihliche Verbindung aller drei Arten als buchstäblicher Turmbau zu Babel wie gesagt aufgrund sich gegenseitig ausschließender Ansprüche zum Scheitern verurteilt ist.

Post Scriptum vom 7.9.2017. Die obigen Ausführungen können im Zusammenhang mit dem Beitrag Nahe Abweichungen vom Ideal den Eindruck erwecken, daß nur Gestimmte verhärmt sein könnten und Erregte ausschließlich verzärtelt. Dem ist nicht so. Indem sich Fordernde beispielsweise Gestimmten zuwenden, nehmen sie am Friedenswirken teil, sie würden es nur nicht aus eigenem Antrieb ohne die Gegenwart von Gestimmten tun, und entsprechendes gilt für die übrigen gesellschaftlich bedingten Hinwendungen zu einem höheren Seelenteil: Es ist ja nicht so, daß die Betroffenen diesen Seelenteil nicht besäßen, es ist lediglich so, daß ihre eigene Prägung sie davon abhält, ihm in erfreulichem Ausmaß zu folgen - den jeweiligen gesellschaftlichen Partner erfreuend, was so auch für die Hinwendung zum niederen Seelenteil gilt.

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