Bereitschaftsbeitrag

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26. Oktober 2017

Residuale Herrschaft

Im Gegensatz zur Herrschaft der Achtung oder der Herrschaft der Sorge finden sich unter den Hexagrammen der Herrschaft der Unvernunft keine Vorkehrungen, um ihre Herrschaft zur erhalten.

Bei den ersteren hingegen gibt es drei Klassen solcher Vorkehrungen, nämlich
  1. sich der Ungeformten anzunehmen,
  2. die Geformten in ihre Schranken zu verweisen und
  3. die sich Verschreibenden und die das eigene Fundament Erneuernden einzubinden.
Unter 1.) fallen Die Schlucht und Die Wurzeln, unter 2.) Der Balkon und Die Burg und unter 3.)
Wenn nun jemand meint, er wäre Teil der Herrschaft der Achtung oder der Sorge, so muß er sich an diese Vorkehrungen der Achtung, beziehungsweise der Sorge halten, und wird es auch dann noch tun, wenn das betreffende Prinzip schon nicht mehr herrscht, und umgekehrt besteht bei den Beherrschten, welche unter die 1. oder 3. Klasse fallen, auch eine grundsätzliche Bereitschaft, sich auf die entsprechenden Vorkehrungen einzulassen, welche im Falle der 1. Klasse sogar soweit geht, gegenleistungslose Vorleistungen zu erbringen, wenn nur der Eindruck besteht, daß eine bestimmte Institution die Herrschaft des betreffenden Prinzips verkörpert, und in diesem Umstand besteht das Phänomen der residualen Herrschaft.

Insbesondere trifft sie auf die katholische Kirche zu, welche sich sklavisch an die Hexagramme der Herrschaft der Sorge hält, was sämtliche ihrer Handlungen, von der Weltpolitik bis hin zu gelegentlichen Eheanbahnungen, im Detail erklärt, freilich unter der zusätzlichen Annahme, daß es nur der katholische Kirche erlaubt ist, im Namen der Sorge zu herrschen.

Auch wenn es nicht wirklich an diese Stelle paßt, möchte ich doch interessehalber darauf hinweisen, daß das Pharisäertum, gegen welches Jesus Christus sich auflehnte, in der Herrschaft der Abgemessenheit bestand, und daß die Herrschaft der Sorge, welche er propagierte, für die Juden einen Schritt zurück in ihrem Glaubenszykel bedeutet hätte, wohingegen seine nächste Phase in der Herrschaft der Lust bestanden hätte, wenn der Tempel nicht im Jahre 70 A.D. von den Römern zerstört worden wäre.

Es sind also zwei Dinge passiert:
  • die an sich unmögliche Herrschaft der Sorge kam auf dem Umweg über die Römer, welche zu der Zeit unter die Herrschaft der Unvernunft gerieten, zu Stande und
  • den Juden wurde ein erneutes Aufnehmen der Herrschaft der Lust verwehrt.
Wenn es auch nicht viel sagt, so sagt es doch, daß die Weltgeschichte nicht als bloßes Ineinandergreifen der immergleichen Zahnräder verstanden werden kann.

Doch zuürck zur residualen Herrschaft. Ein weiteres Beispiel ist durch das Hexagramm Die Brandung gegeben, welches auch heute noch das Wirtschaftsleben an vielen Stellen lenkt. Und es ließen sich viele solche Beispiele finden, wo einzelne Bürger meinen, ihren Teil zur Herrschaft der Achtung oder Sorge beizutragen.

Von anderer Art sind die heutigen Erscheinungsformen des Hexagramms Die Schlucht. Hier handelt es sich immer um kommerziellen Mißbrauch des Wunsches, zu seinen Vorbildern aufzuschließen, ob es nun die schon angesprochenen Fußballvereine sind oder Filmemacher, welche ihr Fans finanziell melken.

Indes ist dieser Zustand nicht stabil. Zwar mögen sich Menschen instinktiv an sämtliche Vorkehrungen sämtlicher Herrschaften erinnern können, so daß sie womöglich jedes Spiel mitspielen könnten, aber zugleich haben sie das wohlbegründete Interesse, sich gemäß dem Spiel zu verhalten, welches das Geschehen ihrer Erkenntnisfähigkeit nach bestimmt, weshalb residuale Herrschaften mit der Zeit unter dem Einfluß der jeweiligen Herrschaft verbleichen.

Und gleichzeitig gilt natürlich, daß die Gewichtung der Erregten, Fordernden und Gestimmten unter den Beherrschten allein darüber entscheidet, was aus dieser Herrschaft wird, was in Bezug auf die katholische Kirche den Schluß nahelegt, daß sich die Geschichte des Christentums in Nordafrika und dem Vorderen Orient unter Umständen wiederholt: Zunächst der Aufschwung zur Herrschaft der Sorge, dann die Weiterentwicklung zur Herrschaft der Abgemessenheit und daraufhin die Rebellion der Lust gegen das Christentum.

So Gott dies wollte. Meines Erachtens wiederholt sich ein Abschnitt der Geschichte aber nur, wenn es in ihm noch etwas zu lernen gibt.

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