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21. Oktober 2020

Vorstellbarkeit und Glaube

Ich habe den Begriff Vorstellung bisher als alternative Form des Begriffs Einlösung verwendet. Nun gehe ich von dieser Verwendung ab.

Ein Gesetz besteht darin, daß von bestimmten Verhältnissen auf weitere geschlossen werden kann. Die Verhältnisse, von welchen es ausgeht, mögen Ansatz heißen, und ein Gegenstand, welcher auch den weiteren genügt, eine Ausformung. Der Prozeß der Ausformung heiße Vorstellung und die Ausformung gesetzes- und ansatzkonform.

Von Vorstellung möchte ich also nur dann reden, wenn irgendein Gesetz beachtet wird, also wenn es sich um die Einlösung eines Konformitätsbegriffes zu Gesetz und Ansatz handelt. Eindeutig muß die Ausformung des Ansatzes aber nicht bestimmt sein.

Der Mensch mag Ansätze, weil sie eine Form darstellen, daß Wesentliche zu erfassen. Sie erlauben es, eine Vielzahl von Erscheinungen in einem Satz von Verhältnissen zu fixieren, welchen die menschliche Vorstellungskraft spielerisch wieder in ihre Vielzahl aufzulösen vermag, man denke etwa an die durch einen Tennisball gegebenen Verhältnisse, doch insbesondere stellt eine Vertretung einen Ansatz für Abenteuer dar und ein Abenteuer wiederum einen Ansatz für (Zusammen-)Arbeit.

Daher kommt es, daß der Mensch grundsätzlich gerne vertritt, oder verkörpert, anstatt sich auf Konkreteres festlegen zu lassen. Es gibt aber Begriffe, welche sich nicht durch Gesetzeskonformität definieren lassen, welche also mit anderen Worten unvorstellbar sind. Und in einem solchen Fall ist es verfehlt, aus einem grundsätzlichen Hang zum Ansatz heraus, seiner Vorstellung zu folgen, wo man offen und aufmerksam sein müßte.

Insbesondere können wir zwar das, was uns überzeugt, woran wir glauben, vertreten, ebenso wie wir es vertreten können, anderen nach Kräften dabei zu helfen, zu Überzeugung, oder Glauben, zu kommen, vergleiche dazu Der Friede Christi, aber es gibt kein Gesetz dafür, das zu finden, was uns oder andere überzeugt, oder woran wir oder sie glauben, sondern die dafür notwendigen Einsichten lassen uns stets erkennen, was uns zuvor unvorstellbar war, nämlich daß wir von etwas überzeugt sind, oder an es glauben.

Freilich, je ähnlicher uns ein Mensch ist, desto eher wird er glauben, woran wir glauben, und also genügt es in solchen Fällen oftmals, auch ihm darzulegen, was uns überzeugt hat. Aber auf diese Weise können wir ihn nur auf unseren Stand bringen und kein Stück darüber hinaus. Das Darüberhinaus bleibt unerschlossenes Gelände, und  fast automatisch greift der Mensch in dieser Lage zu Ansätzen, welche ja den richtigen Weg darstellen könnten, so wie sich auch sonst Ansätze bewähren können, auch wenn man sie anfangs noch nicht geistig durchdrungen hatte.

Der Unterschied ist nur: Zum Glauben kann es keinen über bestimmte Inhalte hinaus führenden Ansatz geben. Der Glaube wächst mit der Zeit. Das Ganze, an welchem wir in der Folge der Generationen mitwirken, verstehen wir nicht. Kein Gesetz führt zu ihm, kein Ansatz müßte nur durch Vorstellungskraft ausgeformt werden. Es gibt keinen Plan, keine Visionäre, welchen wir folgen könnten. Nichts, was sich abhaken ließe, in der Gewißheit, dem Ziel näherzukommen, weil wir verstehen, worum es beim Fortschritt geht. Keinen Triumph des Erreichens. Das alles gibt es bei der Glaubensfindung nicht. Bestenfalls verstehen wir bestimmte Bedingungen unseres Fortschritts und die Tendenz unseres Herzens.

Niemand nenne es naiv, den Brunnen der Geschichte zu kennen.

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