Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

17. Oktober 2020

Erneuerung der Seelenteile und abwechselnde Kontraktion

An den Anfang dieses Beitrags muß ich eine grundsätzliche Bemerkung zum Erneuerungs- oder auch Herrschaftszykel stellen, welche durch die Verschmelzung der Hochkulturen mit den Zeitaltern notwendig wird. Ich spreche von der indogermanischen, der semitischen und der tibeto-japanischen Hochkultur und vom indogermanischen, semitischen und tibeto-japanischen Erneuerungszykel, wobei in beiden Fällen
  • indogermanisch bedeutet, daß die Gesellschaft von Gestimmten und Fordernden dominiert wird,
  • semitisch bedeutet, daß sie von Gestimmten und Erregten dominiert wird, und
  • tibeto-japanisch bedeutet, daß sie von Fordernden und Erregten dominiert wird.
Im letztverlinkten Beitrag nun habe ich die Möglichkeit eingeräumt, daß die Hochkultur eines Zeitalters im Gegensatz zu den Schwundstufen der Hochkulturen in fremden Zeitaltern nicht in gleich strikter Weise an die Dominanz zweier Charaktere gebunden ist. Wiewohl dies für das Zeitalter der Werke kaum einen Unterschied macht, stellt sich doch die Frage, wie es sich dann bei der Hochkultur eines Zeitalters mit der Erneuerung verhält, und die Antwort darauf lautet, daß die Erneuerung ein organisches Bedürfnis der an einer Gesellschaft beteiligten Charaktere ist und keine systemische Eigenschaft der Kultur. Mit anderen Worten ist es also denkbar, daß eine indogermanische Bevölkerung im Zeitalter der Wunder in der tibeto-japanischen Hochkultur lebt, aber weiterhin den indogermanischen Erneuerungszykel und die damit zusammenhängende Abfolge der platonischen Herrschaftsformen durchläuft. Denkbar ist es zunächst, aber ob es tatsächlich möglich ist, steht auf einem anderen Blatt.

Jedenfalls sind wir gut beraten, wenn wir die Erneuerung der Seelenteile weiterstudieren, und da führt der gestrige Beitrag auf eine wesentliche Erscheinung, nämlich die Kontraktion der Vertretung beim gesellschaftlichen Unternehmen. Zunächst ein paar grundlegende Betrachtungen dazu.

In der Rangfolge
  1. Vertretung
  2. Abenteuer
  3. Zusammenarbeit
handelt es sich bei dem voraufgehenden um die Anleitung und bei dem anschließenden um die Umsetzung. Die Anleitung bestimmt dabei das Unternehmen und die Umsetzung ermöglicht es, wobei wir uns auf den selbstverständlichen Stand stellen, daß die Vertretung das Abenteuer beinhaltet und das Abenteuer die (Zusammen-)Arbeit.

Indem nun die Bestimmung eines Unternehmens beschnitten wird, weiten sich seine Ermöglichungen aus: Je weniger wir fordern, desto mehr genügt unseren Ansprüchen. Wenn nun also das gesellschaftliche Unternehmen (das gesellschaftliche Projekt) auf Schwierigkeiten stößt, so kann es nicht verwundern, wenn es zu einer Kontraktion der Vertretung, und damit der Bestimmung des Unternehmens, auf ein Kernanliegen kommt, um neue Wege zu eröffnen, es zu ermöglichen, und davon handelt der gestrige Beitrag am Beispiel Deutschlands.

Als nächstes möchte ich zu bedenken geben, daß eine solche Kontraktion stets ein negatives Beherrschungsmandat impliziert, und umgekehrt jedes negative Beherrschungsmandat eine solche Kontraktion, da beides besagt, daß Ansprüche zum Schutz von etwas wichtigerem aufgegeben werden.

Im Falle Deutschlands ist das negative Mandat allerdings verborgen: Es gibt Leute, welche dafür zuständig sind, daß alles seine Ordnung hat, aber niemanden interessiert es, wie sie das hinbekommen. Und deshalb scheint es vordergründig so, als ob hierzulande ein positives Beherrschungsmandat existiere. Ich schrieb bereits davon. Dieses positive Mandat ist indes das deutsche Kernanliegen.

Aber damit noch nicht genug der Behauptungen. Abschließend möchte ich auch noch behaupten, daß die Erneuerung eines Seelenteils stets mit einem negativen Beherrschungsmandat endet, welches dem Schutze des zuvor geherrscht habenden Seelenteils dient, und um dies einleuchten zu lassen, möchte ich es schlicht explizieren.
Bei der Schirmherrschaft geht es um die Beschirmung eines Glaubens, bei der Trutzherrschaft um die Verteidigung der Ehre (genauer gesagt die Behauptung des Stolzes). Bei den Künsten handelt es sich um die entwickelten technischen Fertigkeiten. Man vergleiche das mit historischen Beispielen eigener Wahl. Ich behaupte, wie gesagt, daß es stimmt: am Ende der Herrschaft der Rücksichtslosigkeit, beispielsweise, konnten sich die abendländischen Könige alten Schlages, insbesondere die Zaren, ob man Rußland nun zum Abendland zählt oder nicht, nur noch als Verteidiger des Glaubens präsentieren.

Am Ende der Erneuerung eines Seelenteils nehmen die Erneuerer also zu dem zuvor erwachsenen Seelenteil Zuflucht, anstatt zu erlauben, daß der Seelenteil, welchen sie erneuern wollten, erwächst. Erwachsen tut er stets dadurch, daß sich die Beherrschten den Erneuerern im entsprechenden Seelenteil gewachsen zeigen, also sich gegen den Willen seiner Erneuerer durchsetzen.

Wenn wir also an der Schwelle eines solchen Durchbruchs zur Erwachsenheit stehen, sehen wir einerseits die Kontraktion auf das zuvor Erreichte und andererseits eine widerständig erneuerte Ordnung im entsprechenden Seelenteil, und für einen möglichst reibungslosen Übergang muß
  1. die Kontraktion möglichst bald unterbunden werden, um die Deformation zu begrenzen (etwa durch einen äußeren Schock), und
  2. die neue Ordnung möglichst Viele überzeugen, um zu einer Reformation zu gelangen.

Labels: , , , , , , , , , ,