Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

19. Oktober 2020

Wenn Marx heute leben würde.

Es ist an der Zeit, den Gedankengang, welchen ich im Gedicht The last swing of the pendulum zusammengefaßt habe, in seinem natürlichen Zusammenhang darzulegen.

Zu Marxens Zeit bestand das wirtschaftlich-gesellschaftliche Problem darin, daß die Stammacht, also die angestammte Macht der Etablierten, die Möglichkeiten der Arbeiter unverhältnismäßig einschränkte.

Dieses Problem wurde durch Fiat-Geld, und somit durch staatlich subventionierten Niedrigzins (Steuereinnahmen als bereitgestellte Sicherheit), gelöst, also dadurch, Investitionen systemisch zum Zwecke der Aushebelung der Stammacht zu fördern (Open the gates and let opportunity wash the pillars away.)

Heute besteht das wirtschaftlich-gesellschaftliche Problem hingegen darin, daß Innovationen unverhältnismäßig profitabel sind oder umgekehrt die Produktion von Standardgütern unverhältnismäßig brotlos bleibt.

In dieser ansonsten für die Meisten aussichtslosen Zeit liegt die Chance auf Erfolg in der großen Show, dem besonderen, was alle haben wollen (Shut the gates and let audacity take their place.)

Marx schlug seinerzeit vor, die Fabrikbesitzer zu enteignen, und Fiat-Geld stellt durchaus eine Form der Enteignung dar. Aber was würde Marx vorschlagen, wenn er heute leben würde?

Die heutige Verarmung liegt gerade in der weitgehenden Beseitigung der Stammacht begründet. Ist es etwa normal, 2 Millionen Hektar zu bestellen, um seinen Lebenserwerb zu verdienen? Aber wenn jemand einen höheren Preis forderte, stünde sofort Kredit für einen anderen Großbetrieb irgendwo auf der Welt bereit, zu Zinsen, welche die Investition profitabel machten. Und so ist es auch mit Fabriken. Gibt es irgendwo auf der Welt das Angebot, günstiger zu produzieren, wird es auch sofort getan, ganz gleich wie groß der investive Aufwand auch sein mag. Für die Meisten kann da nur Armut bleiben.

Zwei Faktoren sorgen für diesen wirtschaftlich-gesellschaftlichen Zustand:
  1. Niedrigzinsen und
  2. freier Marktzugang.
Besser wird es wieder werden, wenn die Produktion von Standardgütern wieder allgegenwärtig ist. Das ist das objektivste Kriterium. Und nach diesem Kriterium muß man die verschiedenen politischen Entwürfe beurteilen. Eine Linke, welche von ihrer Ingenuität leben möchte, braucht niemand.

Die Antwort darauf, was den beschriebenen wirtschaftlich-gesellschaftlichen Zustand verbessern würde, ist natürlich trivial:
  1. Goldstandard und
  2. Protektionismus
- leicht ironisch, aber dafür müßte eine wirtschaftlich-gesellschaftlich problembewußte Linke heute plädieren.

Indes könnte eine solche Wirtschaftspolitik durchaus eine Reihe gesellschaftlich innovativer Elemente enthalten. Ihr Fundament mag verstaubt sein, aber es ließe sich viel Neues auf ihm bauen.

Labels: , , , , , , , , , , ,