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9. Oktober 2021

Ideologieverzerrungen im Laufe des Glaubenszykels

Der letzte Beitrag beschäftigte sich mit Ideologieverletzungen unter der Herrschaft der Unvernunft. Da stellt sich natürlich die Frage, wie relevant solche Verletzungen sein können, wenn Vernunft eh nichts gilt. Dies werde ich also in diesem Beitrag genauer betrachten. Allerdings läßt sich die Untersuchung eleganter im Bezug auf den Glaubenszykel anstellen als im Bezug auf die Herrschaftsformen des I Chings, wobei die Herrschaft der Unvernunft stets, also unabhängig davon, ob eine indogermanische oder eine semitische Hochkultur betrachtet wird, in die persönliche Phase des Glaubenszykels fällt.

In der dogmatischen Phase kommt es zu keinen Ideologieverzerrungen, da die Ideologie ja erst im theoretischen Rahmen herausgearbeitet wird. Die Grundlage solchen Herausarbeitens ist Weisheit, also die Fähigkeit, abschätzen zu können, wohin die Natur des Menschen ihn treibt, wenn er bestimmte Institutionen mit Leben erfüllt. Sobald die dogmatische Phase abgeschlossen ist, beginnt die Unterdrückung der Weisheit, um Änderungen am grundlegenden Konzept zu verhindern, was aber nicht heißt, daß nichts mehr einzurichten bliebe.

In der gemeinschaftlichen Phase des Glaubenszykels besteht das zivilisatorische Ziel in der Einbindung der Menschen in die Ideologie, und um diese zu erleichtern, kommt es zur Beschlußblindheit der Ideologie, also dazu, der beschließenden Obrigkeit Freiräume bei der Einbindung zu verschaffen. Beispielsweise wurde der Deutsche Orden zeitweilig exkommuniziert, nachdem Berichte über ein Massaker in Danzig an die Ohren Roms gekommen waren, aber ein Besuch des Hochmeisters beim Papst schaffte diese häßliche Geschichte aus der Welt.

Und in der persönlichen Phase des Glaubenszykels besteht das zivilisatorische Ziel in der Beruhigung der Menschen, und um diese zu erleichtern, kommt es zur Lageblindheit der Ideologie, also dazu, einerseits die Ideologie den individuellen Wünschen der Menschen gemäß zu verwässern und andererseits von den daraus resultierenden Härten abzulenken. Es ist nämlich durchaus notwendig, der Masse der Menschen ein Gefühl sozialer Sicherheit zu geben, während sie zur Verfolgung ihrer individuellen Ideale aufgefordert werden.

Was wir zur Zeit erleben, ist eine Krise der Ablenkung von den Härten, welche aus der Gier der Pharmaindustrie resultieren, und also ist zum einen die Verwässerung bis zur Verletzung des Kerns der Ideologie fortgeschritten (göttliche Inspiriertheit des Individuums) und zum anderen, und dies geschieht stets, wenn jemand die Diskussion nicht gewinnen kann, ein Rückfall in die Forderung nach Beschlußblindheit erfolgt.

Im Hinblick darauf, wie dies Änderungen zum Guten anstoßen könnte, gibt es zwei Punkte zu bemerken.
  1. Die offene Verletzung des Kerns der Ideologie enthüllt, daß der Zweck der Ideologie lediglich in der Beruhigung der Masse bestand, denn verfolgte sie etwas anderes, so wäre ihr Kern unantastbar. Wer dies beobachtet, versteht, daß er in unverantwortlichen Zeiten lebt. Aber dies führt per se zu nicht mehr als der Unterstützung von politischen Bestrebungen zur Verantwortungsübernahme, gleich welcher Art.
  2. Wenn hingegen persönliche Betroffenheit durch Strafen für das Beharren auf dem Kern der Ideologie hinzukommt, so ist es zumindest wahrscheinlich, daß dies zu einer Beschäftigung mit der Frage, wodurch eine Ideologie ein Leben unter günstigen Umständen bewirkt, und also zur Wiederentdeckung der Weisheit führt. Andererseits sollte man davon auch wieder nicht zu viel erwarten, da es an die 20 Jahre des Aufmerksamwerdens und Beobachtens braucht, bevor sich erste Spuren von Weisheit zeigen. Dennoch, ein Rinnsal, wenigstens, wird hier entspringen.

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