Bereitschaftsbeitrag

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22. November 2021

Zum Stimmungswandel im Laufe der Reifung und ihren Rahmenbedingungen

Aufbauend auf den Beiträgen Würdigkeit und Gewachsenheit: Zur Annäherung an das Leben und Von der kindlichen Trauer über verlorenes Bewußtsein stellt sich der Reifungsprozeß des Menschen vom Kind, über den Jugendlichen zum Erwachsenen wie folgt dar:
  • die Stimmung des Kindes wird vom Stolz im weiteren Sinne, der Genugtuung darüber, etwas verantwortet zu haben, der vergegenwärtigenden Freude darüber, an etwas beteiligt gewesen zu sein, und dem Stolz im engeren Sinne darüber, eine Ordnung verfertigt zu haben, bestimmt,
  • die des Jugendlichen von der Wertschätzung der ihm offenstehenden Möglichkeiten, sich dem Gewissenhaften, Vorgezogenen und (subjektiv) Geglaubten anzunähern, und
  • die des Erwachsenen von der Liebe des erkannten Gewissenhaften, Vorgezogenen und (subjektiv) Geglaubten.
Also währt die Kindheit, so lange wir uns in Haltungen üben mögen, denn darin besteht das Ende der Kindheit, daß wir beginnen, Haltungen zu beurteilen und nicht mehr nur unsere Fähigkeit, die ihnen innewohnenden Resultate hervorzubringen: Kinder bleiben allen Haltungen verhaftet, welchen sie begegnen, in der Hoffnung, daß sich aus ihnen eine Lebensweise ergibt. Die Jugend währt, so lange wir unsere Haltung in einen konkreten Dienst einbringen mögen, denn darin besteht das Ende der Jugend, daß wir beginnen, nicht mehr nur unsere Haltung zu beurteilen, sondern auch, welche Früchte sie zeitigt. Und das Erwachsenenalter  währt, so lange wir an unserem (subjektiven und objektiven) Glauben festhalten.

Es gibt zuträgliche und abträgliche Weisen, diesen Reifungsprozeß zu beeinflussen, welche zu Neubewertungen der eigenen Haltungsmeisterung, Gehießenheit und auch der eigenen Glaubensausübung führen:
  • belohnende Gewalt führt zu erzwungener Neubewertung der eigenen Haltungsmeisterung,
  • natürliche und verdeutlichende (und damit behelfende) Gewalt führen zur natürlichen Neubewertung derselben, wobei der Empfänger menschlicher Gewalt darüber entscheidet, ob sie als Belohung oder zur Verdeutlichung gedacht war, also ob er sie direkt mit seinen Handlungsmöglichkeiten verbindet oder ob er sie als nicht ihn direkt betreffenden Teil des Umfeldes versteht, in welchem er lebt, wiewohl der Gewaltausübende selbstverständlich abschätzen kann, wie seine Gewalt verstanden werden wird: beim reintegrierenden Strafverständnis, etwa, handelt es sich um Dressur, während es sich beim präventiven darum handelt, den Schaden, welchen bestimmte Verhaltensweisen erzeugen, durch Strafbewehrung vorzuziehen, also Mord und Totschlag, Ehescheidung und dergleichen mehr nicht einfach teilnahmslos durchgehen zu lassen und sich ihrem Rattenschwanz an Unheil auszusetzen, sondern die Auswirkungen derselben dergestalt zu vereinfachen, daß sie auch der Optimistischste versteht,
  • zuweisende (und damit behelfende) Ausrichtung des eigenen Dienstes führt zu erzwungener Neubewertung der eigenen Gehießenheit,
  • natürliche, etwa durch Ortswechsel, und heranführende (und damit behelfende) Ausrichtung des eigenen Dienstes führen zur natürlichen Neubewertung der eigenen Gehießenheit und
  • kulturelle Möglichkeiten (Angebote) führen zur schleichenden Neubewertung der eigenen Glaubensausübung.
Da ein Kind jeder Haltung verhaftet bleibt, gleich wie schädlich sie ist, ist es zulässig, die Neubewertung seiner Haltungsmeisterung zu erzwingen, ebenso wie es zulässig ist, die Neubewertung der Gehießenheit eines Jugendlichen zu erzwingen, doch beides nur im Notfall. Wenn eine Neubewertung erzwungen wird, so wird dabei das Gewissen, beziehungsweise die Vorliebe überschrieben, was Gewissenlosigkeit, beziehungsweise Abgerichtetheit erzeugt, und das betrifft nicht nur Gewissen und Vorliebe selbst: Das Gewissen ist die höchste richterliche Instanz, welche, wenn sie befriedigt ist, den Fall der Vorliebe als nächsthöheren übergibt, und diese ihn bei ihrer Befriedigung dem (subjektiven) Glauben, so daß, wenn das Gewissen gehemmt wird, auch die Vorliebe gehemmt wird, und wenn die Vorliebe gehemmt wird, auch der (subjektive) Glaube.

Tritt hingegen eine natürliche Neubewertung ein, so fordert die höhere Instanz lediglich ihr Vorrecht, so daß wir in einer Angelegenheit einen Regreß machen müssen, etwa wenn es uns auf eine Südseeinsel verschlägt und wir nicht schwimmen können, aber auch, wenn wir andere Länder mit anderen Sitten betreten, oder, im Falle der Vorliebe, wenn es uns unverhofft möglich wird, an etwas bedeutendem mitzuwirken, aber auch, wenn es sich lediglich um eine Eventualität handelt, auf welche wir hingewiesen werden, und für welche wir uns wappnen müssen.

Bei der schleichenden Neubewertung, schließlich, handelt es sich schlicht um einen Verfallsprozeß, nämlich des eigenen Glaubens, welcher indes gesamtgesellschaftlich auch seine Funktion hat.

Regression kann erzwungen werden, Progression nicht, auch nicht im Falle des Verfalls, doch kann die versuchte Regression zur Progression führen, wenn sie entsprechend verstanden wird, nicht als persönliche Bestrafung, sondern als Beweis, daß die eigene Dienstbarkeit keine Früchte trägt, also wenn der Versuch, den Jugendlichen wieder zum Kind zu machen, ihn erwachsen werden läßt.

Indem die Belohnung in der Hand des Staates liegt, die Behelfung in der Hand der Pharisäer und die Angebote in der Hand der Wirtschaft,
  • fördert der sich verewigen wollende Staat durch belohnende Gewalt Gewissenlosigkeit,
  • fördern die sich verewigen wollenden Pharisäer durch zuweisende Ausrichtung Abgerichtetheit und
  • fördert die sich verewigen wollende Wirtschaft durch Angebote Glaubenslosigkeit.
Da Regression dem Heil im Wege steht, ist bei Gewalt und Ausrichtung stets darauf zu achten, daß sie keine Willkür darstellen, sondern lediglich das Zukünftige vorwegnehmen, sei es die eigene Unversöhnlichkeit mit Unrecht, wiewohl nicht unbedingt auf die oben beschriebene Weise als präventive Strafe, sondern im Falle eines erst zu etablierenden Rechtsbegriffes weit angemessener durch die Aufkündigung der eigenen Kooperation, oder eine sich abzeichnende Aufgabe.

Gerechtigkeit eröffnet die Progression, und Ungerechtigkeit sucht Zuflucht in Regression, und hinsichtlich der kleinen Helfer gilt, daß
  • der Frosch den Stolz im weiteren Sinne auf etwas fördert,
  • die Unke ihn unterdrückt,
  • die Spinne die Wertschätzung offenstehender Möglichkeiten fördert,
  • der Rabe sie unterdrückt,
  • der Wolf die Liebe zu etwas fördert und
  • der Bär sie unterdrückt,
so daß
  • der Frosch erzwungene Kindheit erträglicher macht,
  • die Unke die Kindheit zu überwinden hilft,
  • die Spinne erzwungene Jugend erträglicher macht,
  • der Rabe die Jugend zu überwinden hilft,
  • der Wolf das Erwachsenenalter erträglicher macht und
  • der Bär den Verfall,
wobei heute, wie ich bereits zuvor sagte, dem Raben die größte Bedeutung zukommt, da er uns dabei hilft, uns der Frage zu stellen, was wir aus unserem Leben machen.

Post Scriptum vom folgenden Tag. Zur technischen Klarstellung: Die Stimmung beurteilt immer die Haltung, auch im Falle eines Kindes, die Frage ist nur, auf welche Weise. Im Falle des Kindes wird die grundsätzliche Haltung kritiklos übernommen und lediglich ihre Ausgestaltung im Detail beurteilt. In der Jugend wird die grundsätzliche Haltung als solche beurteilt und im Erwachsenenalter ihre Mitgestaltung der Geschichte. Und zugleich schreiten wir dabei von praktischen Erwägungen (Stolz im weiteren Sinne) über strategische (Wertschätzung) zu absoluten (Liebe).

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