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17. Dezember 2021

Die Motivationsarten der Wahrnehmungsrichtungen

Gleich vorneweg, um späteren Mißverständnissen vorzubeugen: Die im vorigen Beitrag erwähnte Beschränkung der modernen Spiritualität auf die bemächtigende Gegenwart bezieht sich nicht auf die Motivation, was auch, wie wir im folgenden sehen werden, lächerlich wäre, sondern auf die Besinnung während der transzendenten Akte.

Die Wahrnehmungsrichtungen gehen mit motivierenden Gefühlen einher,
  • Aussichten mit jenen der Adäquanz,
  • Rückschauen mit jenen der Liebe im weiteren Sinne und
  • Gegenwarten mit jenen der Stimmung,
und damit es nicht in Vergessenheit gerate, sei daran erinnert, daß
  • die Adäquanz die eigene Stellung beurteilt, welche wir nun mit der herangezogenen Aussicht identifizieren können, und
  • die Stimmung die eigene Haltung.
Mit anderen Worten wird die Gegenwart also dadurch beurteilt, wie gut unsere Haltung an sie angepaßt ist, und wenn sie gut angepaßt ist, also wenn sie stimmt, ist nichts weiter zu tun, doch wenn sie schlecht angepaßt ist, werden wir zu ihrer Anpassung motiviert,
  • daß sie heiliger werde, damit wir den gegenwärtigen Eindruck verfolgen können,
  • daß sie geheurer werde, damit wir den gegenwärtigen Begriff einlösen können,
  • daß sie stimmiger werde, damit wir die gegenwärtige Absicht auslösen können.
Die Motivationsarten der Wahrnehmungsrichtungen sind also
  • adäquate Besinnungen oder Unternehmungen zu ergreifen,
  • geliebte Besinnungen oder Unternehmungen zu ergreifen oder
  • anpassende Besinnungen oder Unternehmungen zu ergreifen,
wobei eine Unternehmung durch diejenige Besinnung emotional beherrscht wird, in welcher sich ihr höchster Freiheitsgrad ausdrückt, also
  • die Routine durch die Auslöung,
  • das Spiel durch die Verfolgung und
  • die Verkörperung durch die Einlösung.
Mit den Anpassungen werde ich mich hier nicht weiter beschäftigen, da ich mit dem bereits zu ihnen Gesagten weiterhin zufrieden bin, und im Falle der heiligen Stimmung, auch schon seit sehr, sehr langem (Bezüge zur so genannten Willensfreiheit und Verblendung).

Adäquate Besinnungen oder Unternehmungen sind im einzelnen:
  • Verfolgungen und Spiele, zu welchen wir aufgerufen werden,
  • Einlösungen und Verkörperungen, zu welchen uns ihre Bedeutsamkeit gemahnt,
  • Auslösungen und Routinen, zu welchen uns unsere Zuversicht herausfordert.
Ich nenne also dasjenige ein herausforderndes Unternehmen, zu welchem uns unsere Zuversicht drängt, um uns an ihm zu beweisen, was letztlich heißt, es nach seiner Vollbringung reflektieren zu können.

Und die geliebten Besinnungen oder Unternehmungen sind im einzelnen:
  • Verfolgungen und Spiele, welchen wir verbunden sind,
  • Einlösungen und Verkörperungen, welche wir im engeren Sinne lieben,
  • Auslösungen und Routinen, welche uns zufriedenstellen.
Während adäquate Besinnungen häufig sind, insbesondere der Aufruf zur Verfolgung eines Eindrucks, zumeist einer Abhängigkeit oder eines Verhältnisses, sind im weiteren Sinne geliebte Besinnungen sehr selten, und wahrscheinlich muß man schon Mathematiker oder Philosoph sein, um die Einlösung eines Begriffs, etwa eines Beweises für den Satz des Pythagoras, zu lieben.

Die Anpassungen außenvor lassend, haben wir es also mit zwei Arten der Motivation zu tun, einer die Beteiligung suchenden und einer den Genuß suchenden (Anpassungen suchen potentielle Beteiligung und potentiellen Genuß), und diese beiden Pole bestimmen das Gefühlsleben der reflektiert (ursprünglich philosophisch) Gesinnten, also in der klassischen Benennung der Melancholiker: So lange die reflektiert Gesinnten etwas adäquates zu tun finden, reflektieren sie ihre Erfahrungen und fühlen sich wohl, aber wenn sie nichts finden, werden sie melancholisch und ziehen sich auf zufriedenstellende Routinen zurück, etwa sich eine heiße Tasse Kakao zu machen oder großreine-.

Theoretisch wäre es freilich auch möglich, daß sie zu Spielen greifen, welchen sie sich verbunden fühlen, oder zu Verkörperungen, welche sie lieben, aber das ist unüblich: zu Spielen, welchen wir uns verbunden fühlen, greifen wir, um uns in ihnen zu üben, und zu geliebten Verkörperungen, um unsere Armut zu lindern, etwa durch die Komposition eines Musikstücks, also um uns etwas als Vorbild zu lieben zu geben.

Von einigem Interesse ist, daß es zu unserer Kultur gehört, sich über geliebte Unternehmungen zu definieren, was natürlich damit zusammenhängt, daß wir im Zeitalter der Werke leben und die entwickelte Technologie die Grundlage zu vielen geliebten Unternehmungen bildet, sei als Musik- oder Sportinstrument oder als Kakaofertigmischung. Wenn wir schlafen gehen, lassen wir nicht unsere (wesentlichen) Taten revuepassieren, wie es Pythagoras empfiehlt, sondern wir stellen uns all die schönen Unternehmungen vor, aus welchen unser Leben besteht, und daran finde ich ehrlich gesagt auch nichts verwerflich, da wir ja anschließend beginnen zu schlafen und unseren letzten Gedanken nach zu assoziieren, also zu träumen, und wir auf schlechte Träume gerne verzichten können.

Aber wenn wir nicht gleich damit beginnen zu schlafen, sondern etwa der Abend gerade erst anfängt, dann schiebt uns die psychologische Neigung unserer Kultur auf eine mit vollem Recht so zu nennende melancholische Schiene, oder anders ausgedrückt: Gibt es nichts Adäquates im Beruf zu tun, so wartet es auch nicht nach Feierabend auf uns - es sei denn freilich, daß wir uns bewußt eine Bahn neben allem anderen offenhalten, wie beispielsweise Ludwig van Beethoven zeit seines Lebens.

Dies alles ist nun wichtig, da Transzendenz sich zwar als Spiel einüben läßt, aber ihrer ganzen Natur nach in adäquater Abstimmung mit der Welt erfolgen sollte, mit einem offenen Ohr für alle antizipativen Gefühle, für das adäquate Heranziehen, das gestimmte Halten und den erwarteten Ausgang, und wenn dies alles im Reinen ist, wenn es unsere Bahn fordert, wenn keine Sünde dem entgegensteht, und wenn der Augenblick gekommen ist, dann sollte das Gebet erfolgen.

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