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6. Februar 2022

Die Ausformungen des Kampfes

Der vorige Beitrag läßt in phänotypischer Hinsicht einiges zu wünschen übrig, und also werde ich hier eine platonische Dialektik der Ausformungen des Kampfes durchführen.

Es gibt drei Schlachtfelder,
  • Macht,
  • Beziehungen und
  • Rechtfertigung,
und drei Formen des Kämpfens auf ihnen, nämlich in entsprechender Reihenfolge
  • Erzwingen,
  • Beachten und
  • Bekennen.
Das Feld der Rechtfertigung ist dem Zugriff der anderen beiden weitgehend entrückt, weder gibt es Zwang, noch Achtung im Glauben, doch die Übergriffe auf die anderen beiden Felder sind ausschlaggebend:
  • bei der Verbündung greift der Kampf um Beziehungen durch beachten auf das Feld der Macht über,
  • bei der Unterwerfung der Kampf um die Macht durch erzwingen auf das Feld der Beziehungen und
  • bei der Erklärung der Kampf um die Rechtfertigung durch bekennen auf das Feld der Beziehungen.
Die Wahrheitsliebe bewirkt, daß der Wahrheitstreue sich nicht über ihre Klärung hinaus erklären muß.

Durch Verbündung kann das Schlachtfeld der Beziehungen das Schlachtfeld der Macht also verschließen. Wo das nicht geschieht, heiße es erringbar. Jede Kampfesform kann partiell oder total sein. Ein partieller Kampf gilt einem Punkt, von welchem sich eine Verbesserung versprochen wird, ein totaler Kampf einem, auf welchem alles weitere beruht. Sobald ein totaler Kampf ausbricht, enden alle partiellen.

Ein partieller Kampf um die Macht ist nur dort möglich, wo die Verbündung darin übereingekommen ist, einen Machtanspruch erringbar zu belassen. Ein totaler Kampf um die Macht heißt Krieg.

Es gibt zwei Formen der Verbündung, die zwischen- und die innerstaatliche. Die zwischenstaatliche mag also partielle globale Machtkämpfe in Form lokaler Kriege gestatten, und die innerstaatliche verbietet für gewöhnlich alle Machtkämpfe zwischen den Staatsbürgern. Doch wo dies nicht geschieht, wird für Machtansprüche ein Wettbewerb ausgeschrieben. Die Grenzen zwischen zwischen- und innerstaatlicher Verbündung sind also fließend, doch idealerweise sollte die innerstaatliche Verbündung auch nicht den lokalsten Krieg gestatten. Ein interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die koranische Strafregelung: Kommt es zu bestimmten Vergehen eines Stammes an einem andern, so schreibt der Koran einen Wettbewerb für die Bestrafung aus, was bei durchschnittlicher Vernunft der Beteiligten erwiesenermaßen nicht zum Krieg führt.

Gleichsam kann das Schlachtfeld der Rechtfertigung durch Erklärung das Schlachtfeld der Beziehungen verschließen und zusätzlich kann es das Schlachtfeld der Macht durch Unterwerfung. Wo das nicht geschieht, heiße es verfaßbar. Ein Rechtsstaat ist ein Staat, in welchem die Verfaßbarkeit der Beziehungen durch so genannte Bürgerrechte, also Mißachtungsverbote, eingeschränkt wird. Grundsätzlich muß jeder Staat die Verbündung seiner Bürger erhalten, um durch sie den Machtkampf unter ihnen zu unterbinden, und dazu gibt es nur die Wege der Erklärung der bürgerlichen Tugend und der Unterwerfung der Bürger. Und während ersteres den Rechtsstaat formt, formt letzteres den autokratischen.

Die bürgerliche Tugend eines Rechtsstaats heiße seine Norm, und die Gruppe, welche das Machtmonopol in ihm innehat, seine Autoritäten. Die muslimische Umma bildet grundsätzlich gesehen einen Rechtsstaat ohne Autoritäten, wiewohl die Rechtsschulen praktisch gesehen welche sind. Da in einem Staat ohne Autoritäten die Norm in Keines Händen liegt, ist sie notwendig unveränderlich. Umgekehrt kann die Norm zu einem solchen Grade in den Händen der Autoritäten liegen, daß es zu einem Rechtfertigungskampf mit den Bürgern des Staates und gegebenenfalls zur Bildung eines autokratischen Staates führt.

Als interessantes historisches Beispiel sei das Ende der Römischen Republik betrachtet. Wenn sich Augustus nicht durchgesetzt hätte, ungeachtet dessen, daß die Bürger Roms seine ordnungspolitischen Maßnahmen unterstützten, hätte der römische Senat bei fortgesetzter Unzufriedenheit selbst zu autokratischen Mitteln greifen müssen.

Ein Kampf, welcher von Autoritäten begonnen wird, heiße ein Coup, und wenn er von einer Masse einfacher Bürger begonnen wird, eine Rebellion. Ein Kampf, welcher dem Staate die Achtung versagt, ist entweder ein Kampf gegen seine Autoritäten oder seine Norm. Und entsprechend sprechen wir von Ablösungs- oder Auflösungscoup und -rebellion.

Auflösungsrebellionen sind grundsätzlich staatsschädigend und werden nur als Mittel zur Vorbereitung der Unterwerfung, sei es durch feindliche Staaten, sei es durch sich für einen Coup zu schwach dünkende Autoritäten, bewußt angestrebt. Ob dennoch oder gerade deswegen, die Französische Revolution, die Oktoberrevolution, der Arabische Frühling, die Maidanrevolution, alles sind Auflösungsrebellionen, Ablösungsrebellionen hat es bisher in der jüngeren Geschichte nicht gegeben.

Bei den Coups ist es umgekehrt: Alle Coups der jüngeren Geschichte waren Ablösungscoups, insbesondere die Ermordung John F. Kennedy's. Vielleicht erklärt sich daraus die Verwirrung angesichts des gegenwärtigen Spiels, denn wir sehen zurzeit ein Doppelmanöver bestehend aus Auflösungscoup und anschließender Ablösungsrebellion.

Bei einem Auflösungscoup muß die Masse zum einen die Norm erklärend verteidigen, beim gegenwärtigen nicht mehr als die Wahrheit klären, und zum andern sie beachtend. Also werden die Autoritäten durch bürgerliche Verbündung dazu gezwungen, entweder die Coupisten zu beseitigen und ihre Werke zu entschärfen oder insgesamt den Anlaß zu einer Ablösungsrebellion zu liefern. Einen gerechtfertigten Auflösungscoup gibt es dabei genauso wenig wie eine gerechtfertigte Auflösungsrebellion. Die Auflösung der Norm muß stets im offenen Rechtfertigungskampf durch bekennen und ohne zuhilfenehmen anderer Mittel erfolgen.

Und bei der Ablösungsrebellion versagt die Masse dann den Autoritäten die Achtung. Während der gegenwärtige Auflösungscoup als partieller Kampf zwischen Coupisten und Masse geführt wird, wird die gegebenenfalls folgende Ablösungsrebellion zu einem totalen Kampf geraten müssen.

Freilich, in Anbetracht dieser Lage ist es nur logisch, wenn es im weiteren Laufe der Entwicklung zu Unterwerfungsversuchen kommt. Noch ist es dafür zu früh, aber wenn eine totale Ablösungsrebellion Fahrt aufnimmt, ist damit zu rechnen, einstweilen richten sich die Proteste, in Kanada etwa, ja nur gegen die Auflösung der Normalität durch einzelne Politiker und nicht gegen das System als ganzes. Indes, die Saat ist in Form der bereits vollzogenen Impfungen und finanziellen Tricksereien gesät.

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