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15. April 2022

Lehren zum ideellen Gebet

In welchem Sinne ist Jesus Christus?


Das Werk trägt die Handschrift des Autors. Es enthält seine Gedanken und spiegelt seine Sicht, beispielsweise Das Leben der Hypatia und Die Ferse jene Damaskios'.

Wenn nun die Gedanken von der Art sind, daß sie eigene Gedanken wachrufen, wie bei Damaskios, so handelt es sich um einen menschlichen Autor.

Zur Erinnerung: Der Mensch ist die Hinwendung des einen Bewußtseins zu seinen Befindlichkeiten. Daß dies nicht die einzige mögliche Hinwendung ist, ahnen wir. Nur der weiß mehr darüber, wer sich anderweitig hingewendet hat.

Und so eines Werk enthält also Gedanken, welche nicht menschlich sind, und in sofern er sich aus seiner Menschlichkeit befreit hat, ist er kein menschlicher Autor.

Das erste, was nach dieser Eröffnung auffällt, ist, daß man nur sehr selten auf Autoren stößt, welche nicht menschlich sind, das heißt, welche Dinge kommunizieren, welche keine eigenen Gedanken, wohl aber Ahnungen von etwas potentiell verständlichem wachrufen. Und so ein Autor begegnet uns im Neuen Testament.

Wer sich nun, so wie ich, anderweitig hinwendet, bemerkt dort eine Wirklichkeit, welche ihr eigenes Wesen besitzt. Letztlich trägt jedes Lebewesen zu ihr bei, und es herrscht dort eine eherne Logik, welcher niemand entkommt. Doch wenn von dorther ein Gedanke in einen fährt, welcher die Lehren und die Sichtweise eines diesseitig bekannten Autors betrifft, als ein Tadel, wie der eines Lehrers an einen Schüler, ist die vernünftigste Erklärung, daß er just auf diesen Autor zurückgeht. In diesem Sinne ist Jesus Christus, jedenfalls zur Zeit, aber angesichts des Alters der betrachteten Ikone wahrscheinlich auch schon vor ihr.

Die obige Pantokratordarstellung ist nämlich ein Portal, welches die eigene Empfänglichkeit für bestimmte jenseitige Gedanken erhöht, namentlich solche, welche die ideellen transzendenten Akte betreffen. Mein metaphysisches Studium zielt wesentlich darauf, diese besser zu verstehen, und jetzt, wo ich zum ersten Mal mit meinem Verständnis einigermaßen zufrieden bin, sehe ich den Grund dafür darin, daß die heute vorherrschende christliche Spiritualität sehr einseitig ist, man bedenke nur das folgende.

Das Gebet um das Amt ist Ausdruck gestaltender Zuversicht und betrachtet die Welt als Familie. Es ist das alte Gebet des Zeitalters der Werke und wird durch die katholische Kirche allgemeinverständlich vertreten.

Das Gebet um die Gnade ist Ausdruck existentieller Bedeutsamkeit und betrachtet die Welt als Bühne. Es ist das junge Gebet des Zeitalters der Werke und wird im allgemeinen nur so weit verstanden, wie es die eigene Inspiration betrifft, also sich als würdig zu erweisen, auf der Bühne aufzutreten, nicht aber weitergehend als Gebet um die Form des Menschseins, welches mit der Bühne (auf den Boden der Metapher zurückgeholt der menschlichen Erfahrungsweise) einhergeht. Wenn ich die obige Ikone betrachte, sehe ich jemanden, welcher das Gebet um die Gnade in diesem weiteren Sinne kennt, welcher versteht, daß das Leben der Menschen der Bühne folgt, auf welcher sie spielen.

Das Gebet um die Bahn ist Ausdruck steuernder Aufgerufenheit und betrachtet die Welt als Wolkenformation. Es ist im Zeitalter der Werke ausgesetzt und betet dafür, daß
  1. die Bahn durch Verwandtes verläuft,
  2. die Bahn durch Verwandlung verläuft und
  3. die Bahn zum Verhießenen führt,
wobei nur das Verwandte verwandelt werden kann und nur die Verwandlung das Verhießene, welches stets dadurch definiert ist, daß ein Mangel verhindert, daß sich ein Aspekt des Menschseins zeigt, ermöglicht.

Und auf diesen Zusammenhang, daß ich zuvor um Verwandtes beten muß, auf welches sich die Verwandlung stützen kann, für welche ich betete, hat mich der Tadel hingewiesen als ich die obige Ikone vor knapp dreieinhalb Jahren betrachtete. Und er steht im engsten Zusammenhang damit, daß man nicht nur Gott mit aller seiner Kraft lieben soll, sondern auch seinen Nächsten wie sich selbst. Und mittlerweile ist ja auch weit mehr Menschen Anlaß dazu gegeben, in sich zu gehen, als noch vor dreieinhalb Jahren.

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