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12. Dezember 2022

Mysteries

Auch wenn ich schon vor vielen Jahren auf Knut Hamsun aufmerksam wurde und ihn sowohl von seiner Erscheinung, als auch von seinen Themen her für interessant hielt, bin ich erst jetzt mit einem seiner Werke bekannt geworden, und zwar in Form dessen Verfilmung aus dem Jahre '78.

Hamsun ist wahrscheinlich grundsätzlich kein besonders filmgerechter Autor, da es ihm ja um Inkongruenzen geht und dem Kino gerade um das Gegenteil, also nicht darum, das scheinbar Stimmige als unstimmig darzustellen, sondern das Unstimmige als scheinbar stimmig.

Der Film schlägt sich aber wacker, indem er mit surrealen Elementen und einer übertriebenen Melodramatik jongliert, auch wenn es nicht immer funktioniert, wie beim ersten Mal, als Nagel die untreue Verlobte zurückweist, und das ist auch ein Punkt, an welchem die ganze Schwierigkeit zugespitzt ist: Wie kann ein Film ein Tête-à-tête mit dem Ansinnen zeigen, daß es doch nicht schön ist, wenn die Angehimmelte ihren Verlobten so einfach fallen läßt, wenn auch für einen selbst?

Nun, es gäbe die brutale Variante, aber die ginge noch weiter fehl. Oder der ganze Film wird als Kopfkino angelegt, wie der Protagonist die Welt sieht, was Hamsun effektiver einfinge, aber sich von seiner Erzählweise löste.

Die Themen in Mysteries sind:
  • Unwichtigkeit und Gewicht des Lebens,
  • menschliche Pläne und das unmittelbar Gebotene und
  • das vollkommen Angemessene und das Recht des Menschen auf Unvollkommenheit,
worin sich insgesamt die weit verbreitete Vorstellung ausdrückt, daß die ethischen Vorstellungen eines Menschen sein Privatvergnügen sind, welche der Komplexität des Lebens doch nicht gerecht werden können, wobei Nagels Versuch, vor sich selbst zu fliehen und sich der höheren Weisheit zu beugen, dennoch etwas anrührend Aufrichtiges an sich hat.

Ich habe Hamsun ja als umgangsfordernd, reflektiert und vom persönlichen geistigen Horizont eingeschätzt, und seine Befindlichkeit ist eine unmittelbare Folge des reflektierten persönlichen geistigen Horizonts, wo der geistige Horizont der Gesinnung nicht gewachsen ist, welche wenigstens des philosophischen geistigen Horizonts bedarf, um belastbare Beobachtungen anzustellen.

Genauer möchte ich den Film eigentlich gar nicht durchgehen, wer ihn kennt, wird die genannten Themen schon wiederfinden, nur das letzte Thema ist mal wieder von der Art, wie ja auch in Segen der Erde, wo er den rechten Umgang mit Erbschäden, nämlich die Fortpflanzung nicht zu scheuen, doch die mißgestalteten Kinder dann zu töten, durchgeht, nur um dann zu beklagen, daß es dem Menschen einfach nicht zumutbar ist, sich zu solcher Größe aufzuschwingen, daß es zu verschweigen als verdächtig angesehen werden könnte.

Hier also meint Hamsun, denkbar ein Wort Christi aufgreifend, nämlich sich von einem Teil seines Körpers zu trennen, welcher dem eigenen Seelenheil im Wege steht, daß es für alle am besten wäre, wenn man ihre Schönheit als Macht begreifenden Frauen Säure ins Gesicht schüttete, gerade so viel, daß eine Narbe auf der Wange ihrer Begehrenswertheit ein Ende setzte, was in der heutigen Zeit mit dem Wiederauftauchen der Praxis mehr als hundert Jahre später eine verstörende Aktualität besitzt. Nun, von der Art sind die Erkenntnisse 33 Jähriger, welche versuchen, ethische Gewißheiten aus logischen herzuleiten und dabei keinen persönlichen Bezug zum Thema, kein persönliches ethisches Anliegen besitzen, weil sie, ganz Kinder ihrer Zeit, meinen,daß alles bereits zum besten bestellt sei. Heute spricht man von Wohlstandsproblemen, was bei Hamsun nicht paßt, aber die Präpotenz, mit welcher sich Geschulte an Problemen des Lebens versuchen, ist die selbe, und sie ist Hamsun weiß Gott ins Gesicht geschrieben, ein Spezialfall dessen, was Schopenhauer meinte, als er befand, daß Beliebtheit bei Kindern Gemeinheit ankündige. Nun, Hamsun, thematisiert diese seine und allzu vieler Unzulänglichkeit wenigstens, auch wenn er ihre Ursache nicht vollständig versteht.

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