Bereitschaftsbeitrag

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26. Dezember 2007

Endstadium Aushöhlung

Das Gleichnis zwischen dem Leben eines Baumes und dem einer Kultur besitzt geradezu exegetischen Rang, was jedenfalls das Beispiel der kulturellen Aushöhlung nahe legt. Wie wir im vorletzten Kapitel gesehen haben, durchläuft das Leben eines Menschen unterschiedliche Auffindungsstadien, um letztlich in Routine zu erstarren. Während dieses Vorgangs wird die Notwendigkeit Erfahrungen zu analysieren und Problemstellungen zu lösen schrittweise durch die Verfügbarkeit von Verhaltensanleitungen aufgehoben. Dieses passiert nun natürlich nicht nur im Leben des einzelnen Menschen, sondern auch im Leben einer sich mit der Zeit vervollkommnenden Kultur, was in sofern Besorgnis erregend ist, da sie den in sie hinein geborenen Menschen schließlich keinen Stoff zur individuellen Entwicklung mehr bietet.

Was erschwerend hinzu kommt sind unter den Menschen vorhandene geistige Unausgewogenheiten, insbesondere besteht ein Problem darin, daß bei nicht wenigen Menschen die Vernunft der einzige funktions-, also urteilstüchtige Bereich des Verstandes ist, ihr einzig verläßliches Urteil sich also auf Ausweisungen bezieht, ob etwas als etwas ausgewiesen wurde oder nicht, was sie unseligerweise zu geborenen Routinenausführern macht, aus welchen, d.h. Routinen, eine Kultur in ihrer Endphase ja nur noch besteht, also öffnen sich mit anderen Worten zu diesem Zeitpunkt die Positionen der größten gesellschaftlichen Verantwortung denjenigen Mitgliedern der Gesellschaft, deren Intellekt zugleich am stärksten spezialisiert und ausgehöhlt, da nicht auf den eigenen Verstand gegründet, ist.

Wie also ein Baum schließlich nur noch von einer harten Kruste unter seiner Rinde getragen wird, so steht und fällt eine Kultur schließlich mit ihren ausgebildeten Routinen und deren natürlichen Waltern, welche, wie alles Lebendige, leider, auch ihre Nachkommen möglichst bald auf den von ihnen beschrittenen Pfad holen, wobei ihnen die natürliche kindliche Neugier das größte Hindernis ist, welche sie aber durch Informationsüberflutung vermittels Enzyklopädien und Anschauungsausflügen recht erfolgreich ersticken, das Kind lernt abzulesen statt zu probieren.

Dies alles sei zur Verdeutlichung gesagt, um das Alter der Welt, in der wir leben, auch als es zu erkennen, was diese Welt ja, ganz dem obigen gemäß, in jedem Augenblick zu hindern sucht. Die hier beschriebene Befolgung von Routinen betrifft den zu meisternden Stoff des Lebens, als welcher eben bereits gemeistert wurde, den willkürlichen Entwurf neuer Ordnungen, als welchen die Welt zu unterwerfen ist, betrifft sie nicht oder nur in sofern, als sie dem Stamm, der diese Krone trägt, die Kraft nimmt.

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