Richard Wagner: Siegfried (1876)
Die schiere Gewalt mit der Wagners weltanschauliches Testament hier aus seiner hörbaren Form spricht verpflichtet mich dazu, es zur Besinnung zu bringen.
Geschichte und Protagonisten sind hinreichend einfach gestrickt, dabei aber sehr bedacht zusammengestellt. Auf der einen Seite Mime, klein und daher verschlagen, auf der anderen Seite Siegfried, groß und daher offen und ehrlich, beide im Ringen um die Welt und was in ihr ist, Siegfried unbewußt, Mime sehr planmäßig. Es folgt die Geschichte Siegfrieds emotionaler Befreiung von Mime, der ihn für seine Zwecke aufzog. Siegfried befreit sich durch den Gebrauch der Freiheit, die ihm unentreißbar verblieb, den klaren, unverstellten Blick auf die Natur, einschließlich seiner selbst, das klare, unverstellte Denken, das ihm ihr und sein Wesen offenlegt. So gewappnet vermag er es, sicher die Trennlinie zwischen sich und Mime zu ziehen, zu erkennen, daß sein Weg von ihm fort führt. Nachdem sich diese Abkoppelung vollzogen hat kommt, Mime zu spotten, Wotan seines Wegs und kehrt bei ihm als Wanderer verkleidet ein: „Heil Dir, weiser Schmied.“ - ein Ränkeschmied, fürwahr. Wotans Auftritt ist so voll von wesentlichen Deutungen, daß ich ihn in größerem Detail durchgehen möchte.
In diesem letzten Punkt besteht die Problematik der Wagnerschen Weltanschauung, nicht darin, daß das Zeugende höherwertiger als das Gezeugte ist, denn das ist in der Tat so, sondern darin, daß dieses göttliche Zeugende mit einem selektiven Gotte, Wotan, in Verbindung gebracht wird. Ein Gott, der ein Geschlecht zeugte, damit es sich in der Welt Ungemach beweise, wie er auch später zu Alberich sagt: „Er steh oder fall, sein Herr ist er, Helden nur können mir frommen!“ Ein Gott der dieses Geschlecht also vor die Aufgabe der Selbstfindung in einer Welt Fremder stellt.
Nun ist unser aller Leben in der Tat eine solche Aufgabe der Selbstfindung in einer Welt Fremder, nur selektiert das göttliche Zeugende nicht auf obige Weise, denn die Bande, die uns mit unseren Verwandten verbinden, sind von einer anderen Art, es sind ähnliche Denkweisen und ein ähnliches Temperament, aber keineswegs eine Idee an deren Verwirklichung wir zusammen arbeiten und es ist diese Gemeinsamkeit unter einer Idee, die wir suchen und finden müssen, wenn wir dem göttlichen Zeugenden genügen wollen. Wotan hingegen verknüpft seit jeher das Ideologische mit der Abstammung. Das meiste aber, was man von diesen beiden wahrheitsgemäß sagen kann, ist, daß sie positiv korreliert sind, daß engere Bande es wahrscheinlicher werden lassen, einen Mitstreiter zu finden. Diese freiere und wahrere Sicht verdeckt Wagner durch den Überbau Wotan und Wälsungengeschlecht. Siegfried alleine hingegen kann durchaus als Archetyp eines Helden angesehen werden.
Von diesem Helden erfahren wir nun, und damit ist seine Bewahrheitung im wesentlichen abgeschlossen, daß er aus seines Vaters Trümmern, denen er einzig was zutraut und die sich nur ihm fügen, das Schwert schmiedet, welches er braucht, um der Welt zu begegnen, indem er sie zunächst in Späne zerspinnt und dann neu zusammenschmiedet. Der Rest dient nur noch dazu in Die Götterdämmerung zu münden. Dieser Vorgang aber läßt sich auf zwei Weisen deuten. Zum einen können die Späne die Gene der Eltern symbolisieren, die sich im Kinde neu verbinden und der Welt stellen oder zum anderen die Erfahrungen, die ein Kind sammelt in seinem natürlichen, elterlichen Umfeld und die niemandem so dienlich zum Weltverständnis sind, wie just diesem Kinde. Beides ist unbestreitbar wahr, die zweite Deutung verdeckt aber wiederum etwas, nämlich all die anderen Erfahrungen, die ein Kind aus seiner jeweiligen Position heraus macht und die ihm genauso natürlich und dienlich sind wie seine elterlichen. Und ja, es sind genau diese Erfahrungen, welche Mitstreiter zusammenführen.
Sophisten werden einwenden, daß, wenn man Ahnen statt Eltern setzt, die meisten keine anderen Erfahrungen als mit den Nachkommen ihrer Ahnen machen werden und also scheinbar in der Wahl ihrer Mitstreiter auf ihr eigenes Volk beschränkt sein werden. Ich sage „Sophisten“, weil jemand, der solches einwendet, das Wesen der Auffassung der Menschen übersieht, welche Fremde ja nicht gemäß ihrer genetischen Substanz erfassen, sondern gemäß ihrer Verhaltensweise, und diese ist begrifflich fixiert. Also können auch Menschen gänzlich verschiedener Abstammung zusammengeführt werden, wenn sie die sie umgebenden Menschen nur auf die selbe Weise erfassen.
Geschichte und Protagonisten sind hinreichend einfach gestrickt, dabei aber sehr bedacht zusammengestellt. Auf der einen Seite Mime, klein und daher verschlagen, auf der anderen Seite Siegfried, groß und daher offen und ehrlich, beide im Ringen um die Welt und was in ihr ist, Siegfried unbewußt, Mime sehr planmäßig. Es folgt die Geschichte Siegfrieds emotionaler Befreiung von Mime, der ihn für seine Zwecke aufzog. Siegfried befreit sich durch den Gebrauch der Freiheit, die ihm unentreißbar verblieb, den klaren, unverstellten Blick auf die Natur, einschließlich seiner selbst, das klare, unverstellte Denken, das ihm ihr und sein Wesen offenlegt. So gewappnet vermag er es, sicher die Trennlinie zwischen sich und Mime zu ziehen, zu erkennen, daß sein Weg von ihm fort führt. Nachdem sich diese Abkoppelung vollzogen hat kommt, Mime zu spotten, Wotan seines Wegs und kehrt bei ihm als Wanderer verkleidet ein: „Heil Dir, weiser Schmied.“ - ein Ränkeschmied, fürwahr. Wotans Auftritt ist so voll von wesentlichen Deutungen, daß ich ihn in größerem Detail durchgehen möchte.
- „Dem wegmüden Gast gönne hold des Hauses Herd.“
- „Gastlich ruht ich bei Guten, Gaben gönnten viele mir: denn Unheil fürchtet, wer unhold ist.“ - Wagner meint natürlich „denn Unheil fürchten sie für den Fall, daß sie unhold wären“ bzw. „wie Unholde wären“.
- „Müßges Wissen wahren manche, ich weiß mir grade genug.“
- „Gastlich nicht galt mir dein Gruß, mein Haupt gab ich in deine Hand, um mich des Herdes zu freun.“
- „Nun, ehrlicher Zwerg!“ - an dieser Stelle macht Wagner die Beziehung zwischen klein und verschlagen explizit.
In diesem letzten Punkt besteht die Problematik der Wagnerschen Weltanschauung, nicht darin, daß das Zeugende höherwertiger als das Gezeugte ist, denn das ist in der Tat so, sondern darin, daß dieses göttliche Zeugende mit einem selektiven Gotte, Wotan, in Verbindung gebracht wird. Ein Gott, der ein Geschlecht zeugte, damit es sich in der Welt Ungemach beweise, wie er auch später zu Alberich sagt: „Er steh oder fall, sein Herr ist er, Helden nur können mir frommen!“ Ein Gott der dieses Geschlecht also vor die Aufgabe der Selbstfindung in einer Welt Fremder stellt.
Nun ist unser aller Leben in der Tat eine solche Aufgabe der Selbstfindung in einer Welt Fremder, nur selektiert das göttliche Zeugende nicht auf obige Weise, denn die Bande, die uns mit unseren Verwandten verbinden, sind von einer anderen Art, es sind ähnliche Denkweisen und ein ähnliches Temperament, aber keineswegs eine Idee an deren Verwirklichung wir zusammen arbeiten und es ist diese Gemeinsamkeit unter einer Idee, die wir suchen und finden müssen, wenn wir dem göttlichen Zeugenden genügen wollen. Wotan hingegen verknüpft seit jeher das Ideologische mit der Abstammung. Das meiste aber, was man von diesen beiden wahrheitsgemäß sagen kann, ist, daß sie positiv korreliert sind, daß engere Bande es wahrscheinlicher werden lassen, einen Mitstreiter zu finden. Diese freiere und wahrere Sicht verdeckt Wagner durch den Überbau Wotan und Wälsungengeschlecht. Siegfried alleine hingegen kann durchaus als Archetyp eines Helden angesehen werden.
Von diesem Helden erfahren wir nun, und damit ist seine Bewahrheitung im wesentlichen abgeschlossen, daß er aus seines Vaters Trümmern, denen er einzig was zutraut und die sich nur ihm fügen, das Schwert schmiedet, welches er braucht, um der Welt zu begegnen, indem er sie zunächst in Späne zerspinnt und dann neu zusammenschmiedet. Der Rest dient nur noch dazu in Die Götterdämmerung zu münden. Dieser Vorgang aber läßt sich auf zwei Weisen deuten. Zum einen können die Späne die Gene der Eltern symbolisieren, die sich im Kinde neu verbinden und der Welt stellen oder zum anderen die Erfahrungen, die ein Kind sammelt in seinem natürlichen, elterlichen Umfeld und die niemandem so dienlich zum Weltverständnis sind, wie just diesem Kinde. Beides ist unbestreitbar wahr, die zweite Deutung verdeckt aber wiederum etwas, nämlich all die anderen Erfahrungen, die ein Kind aus seiner jeweiligen Position heraus macht und die ihm genauso natürlich und dienlich sind wie seine elterlichen. Und ja, es sind genau diese Erfahrungen, welche Mitstreiter zusammenführen.
Sophisten werden einwenden, daß, wenn man Ahnen statt Eltern setzt, die meisten keine anderen Erfahrungen als mit den Nachkommen ihrer Ahnen machen werden und also scheinbar in der Wahl ihrer Mitstreiter auf ihr eigenes Volk beschränkt sein werden. Ich sage „Sophisten“, weil jemand, der solches einwendet, das Wesen der Auffassung der Menschen übersieht, welche Fremde ja nicht gemäß ihrer genetischen Substanz erfassen, sondern gemäß ihrer Verhaltensweise, und diese ist begrifflich fixiert. Also können auch Menschen gänzlich verschiedener Abstammung zusammengeführt werden, wenn sie die sie umgebenden Menschen nur auf die selbe Weise erfassen.