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29. Juli 2010

Kulturell dokumentierte Formen von Heiligkeit

Sakralbauten und Riten einer Kultur bringen deren vorherrschendes Verständnis von Heiligkeit zum Ausdruck. Dabei muß man Kulte danach unterscheiden, ob sie eine Form der Unterdrückung darstellen oder ob es sich bei ihnen um Quellen der Kraft handelt. Nur letzteren gilt hier mein Interesse.

Glücklicherweise bin ich genug in der Welt herumgekommen, um über alle Formen, welche ich hier zu behandeln gedenke, aus eigener Anschauung reden zu können, was ich zunächst auch nur tun werde, also meine unmittelbaren Eindrücke beschreiben.

In der näheren Umgebung Cordobas befindet sich eine alte Moschee im persisch-jüdischen Stil. Sie steht zusammen mit einigen anderen Ruinen auf einer Anhöhe vor einem Bergkamm und besteht aus nichts weiter als einem gemäßigt länglichem zwei Stockwerke hohen Raum, dessen Seitenverhältnisse ganzzahlig vorgegeben sind und ihn sofort als Tempel kenntlich machen. Es sind dies ebenfalls die Maße der Hauptbauform von Synagogen. Der einen umgebende Quader wirkt in seiner Gesetzmäßigkeit wie eine Drohung sich anzupassen. Die Ornamentik erhebt dabei die stumpfe Materie zum Symbol des Gesetzes. Von dieser Art sind auch die bekannteren Pyramiden, also Symbol des Gesetzes.

Was aber bewirkt es, wenn man vor das Gesetz gestellt wird? Es zwingt einen, sich an der gegenwätigen Situation zu beteiligen, sich zu verteidigen, indem man mit Hand anlegt, seinen Teil dazu tut. Die Form von Heiligkeit, welche sich hier manifestiert, ist der Einsatz.

Betrachten wir als zweites die Riten mancher Inder, zum Teil auch der katholischen und orthodoxen Kirche, das Verströmen wohlriechender, zum Teil ätherischer Substanzen oder das tranceartige Rezitieren des Korans, all dies hat eine erweichende Wirkung mit welcher sich zugleich ein unbestimmtes Sehnen einstellt.

Die Form von Heiligkeit, welche hier letztlich angestrebt wird, ist die Reinheit.

Zum dritten betrachten wir einen traditionellen norddeutschen protestantischen Gottesdienst und insbesondere die Inbrunst seiner klagenden Kirchenlieder. In diesen schwingt das Versprechen mit, besser zu werden, ein Eingeständnis der eigenen Fehler und zugleich ein Bekenntnis zum als richtig Erkannten.

Die Form der Heiligkeit, welche sich hier offenbart, ist die kodifizierte Edelkeit.

Und zum vierten verweise ich auf das Altarfenster der Johanneskirche in Viljandi, welches farblich sehr zurückhaltend gestaltet ist und auch nur geometrische Figuren zeigt, welche allerdings natürlichen Motiven, insbesondere Blüten, nachempfunden sind. An einem hellen Sommertag stellt sich in diesem schlichten weißen Bau dann fast so etwas wie eine Halluzination ein, erkennt man das Glasbild als eine geistige Erfassung der örtlichen sommerlichen Natur.

Darin zeigt sich die Schönheit als Form von Heiligkeit, wobei sie untrennbar mit der Fähigkeit verbunden ist, sie wahrzunehmen.

Nun handelt es sich bei Einsatz, Reinheit, Edelkeit und Schönheit natürlich gerade um die Heiligkeit der Handhabung, des Gemüts, des Verstandes und des Wesens, wobei die letzten beiden Fälle vielleicht einer Erklärung bedürfen. Edelkeit bedeutet sich moralisch zu verhalten, wobei die Moral aus einem System ethischer Einsichten folgt, welches selbst Gegenstand gesellschaftlicher Diskussion ist. In sofern der Verstand also richtig funktioniert, ethische Einsichten eingeschlossen, führt er zu Edelkeit. Was das Wesen und die Schönheit betrifft, so ist ein richtig funktionierendes Wesen gerade ein für das Schöne offenes. Da alle vier Formen irgendwo auf der Welt dominant sind und nur drei dieser Formen motivieren, heißt das, daß die lokalen Unterschiede nicht Unterschiede der Motivation, sondern des Bewußtseins sind.

Das mag etwas ins Klischeehafte gehen, aber es fußt, zumindest großteils, auf der Realität.

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