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14. April 2010

Beethoven

Beethovens eindringlichste Werke kreisen stets um dieselbe Hoffnung, eine Hoffnung auf ein unbedingt erfülltes Leben, seinen Ansprüchen ohne Abstriche gerecht zu werden und dadurch eine Verbindung zum Ewigen aufzubauen.

Wenn ich dies Fortschrittsglauben nenne, so gehe ich wohl nicht fehl damit. Aber letztlich ist die Qualität der Erfüllung ein wesentliches Merkmal an sich, eine Mahnung an die eigenen Ideale, an den eigenen Platz im Leben als ihr Diener, verbunden mit der Hoffnung nach Entlohnung durch den Herrn.

Ohne Zweifel hat Beethoven da nur seine Einsamkeit in die Welt geschrien, sie dabei aber gleich als unbedeutend überbrückt, und wenn man seine Musik hört, so ist sie auch eine Mahnung an ihn, welche zwischen Mitleid und Bewunderung pendelt und entgegen Beethovens erklärten Willen nicht zum Aufbruch anspornt, sondern zur Bewahrung.

Es ist das Vergessene, es ist der Vergessene, was einem in den Sinn kommt. Aber auch nur bei Wenigen erwächst daraus die bewahrende Tat, so wie es wohl bei Bismarck der Fall war, den meisten ist es ein bloßer Trost, ein Ersatz für Taten.

Was soll man sonst denken, wenn man sieht, wie selten die Menschen ihren Idealen Gestalt geben? Doch weinen tun sie alle, wenn sie Beethoven hören.

Um aufzubrechen ist offenbar Oberflächlichkeit von Nöten, Tiefe läßt sich nicht kommunizieren, oder wenn sie auch als solche kommuniziert wird, wie es Beethoven gelungen ist, weist sie doch sogleich wieder ins einzelne Innere zurück. Märsche bewegen Massen, Beethoven nicht.

Zum Teil mag Beethoven daran Schuld sein, weil er zu sehr an seiner eigenen Bestätigung interessiert war, so daß sich das paradoxe Bild ergibt, daß er trotz seines Riesenwerkes, eigentlich nie etwas im Sinne einer wirkenden Tat getan hat. Die meisten Menschen imitieren bloß seine Suche nach Trost, wobei sie dazu aber nicht mehr komponieren müssen, das hat ihnen Beethoven gnädigerweise abgenommen.

Dennoch ist Beethoven natürlich ein wichtiger Pol in einer Welt, in welcher Ideale nichts gelten. Es ist schon seltsam dabei zuzusehen, wie sich ein edles Geschlecht in Apathie verfallen von der Erdoberfläche wischen läßt, seltsam zu beobachten, wie oft es von körperlichen Makeln befallen ist, als ob es sich selbst zu Siechtum verurteilt hätte. Für diese ist Beethoven Bestätigung, nur scheint das nicht viel zu ändern.

Sind denn ihre Ideale alle alt und schwach, in sich zerstritten und einander im Wege stehend geworden, daß sie so verwahrlosen? Oder sind sie allesamt zu faul oder feige ihnen zu folgen?

Nein, es kann nur das erstere sein, ihre Ideale zeigen keinen Nutzen, es fehlt die erst noch zu erreichende Freiheit, welche selbst dem Ausharren als einem Schritt zu ihr Sinn gibt. Es ist nur nicht recht zu begreifen, daß ihnen die Mängel ihrer Lage verborgen bleiben, daß sie nicht mit Leichtigkeit erfassen, was sie für sich erst noch gewinnen müssen.

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