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16. September 2010

Pflicht, Zwang, Gestalt, Vertrauen, Harmonie und Enthebung

Der Mensch ist nur frei zu vertrauen und sich zu den Dingen zu stellen, wenn er seine Pflicht getan hat und ist selbst nur, in sofern er zwingt. Pflicht führt zu Zwang und Zwang zu Gestalt. Dort wo der Mensch auf das Unmögliche stößt, wird er frei zu vertrauen, aber nur, wenn die Unmöglichkeit seine höchste Pflicht betrifft. Ohne Pflichten wäre ein Mensch nichts, und doch ist der Mensch, welcher von seinen Pflichten frei wird, mehr als jeder andere, denn er wird Teil der Harmonie Gottes und der eigenen Widrigkeiten enthoben.

Dies ist das größte Geheimnis und die tiefste Wahrheit menschlicher Existenz, welche sich in allen göttlichen Schriften findet. Zu ihrer Vermittlung wurden indes unterschiedliche Wege eingeschlagen, unter anderem auch jener der Apologetik, der Überredung zum Glauben.

Ich halte diesen Weg indes für unsinnig. Ein Mensch, welcher meint, er müsse Gott anklagen, ist notwendig unreif und wird nicht dadurch reifer, daß man mit ihm spricht. Was nützt es, jemandem zu sagen, er solle sich nicht sorgen, da Gott schon auf ihn Acht geben wird, wenn es Teil seines Seins ist, sich zu sorgen? Die Bibel, in sofern sie solche Passagen enthält, ist keinsfalls dazu geeignet deren Wahrheit einsichtlich zu machen, sondern lediglich dazu, sie zu verheißen: „Einst wirst du verstehen.“

Wer sich um die Wahrheit bemüht, der wird sie einst finden, und er soll wissen, daß er nicht der erste ist, damit er auch weiß, daß er Teil einer geschichtlich wirksamen Kraft ist.

Die Natur des Menschen betrachtend ist es streng genommen, was die Überschreitung der Schwelle zur Stellung betrifft, gar nicht angebracht, darüber viel Aufhebens zu machen. Wohl muß jeder wissen, daß es eine solche Schwelle geben solle und auch, wer meint, sich damit auszukennen, doch mehr nicht. Insbesondere ist es auch nicht wichtig, daß diesen vermeintlichen Experten bereitwillig geglaubt wird. Ja, noch nicht einmal eine substantielle Unterwanderung mit Scharlatanen wäre weiter schlimm, so lange die Heiligkeit heiliger Texte nicht in Frage gestellt würde.

Der einzige vernünftige Grund für das allgemeine Predigen heiliger Texte besteht darin, die Menschen, indem sie sich annähernd so verhalten, als verstünden sie diese, mit den Früchten jenes Verhaltens vertraut zu machen, hoffend, daß sie ihnen schmecken. Ich schätze indes, daß man ihnen genauso gut mit ein paar gezielt gewählten Geschichten über die praktischen Schwierigkeiten ihres Lebens helfen und sich ansonsten nicht weiter um sie kümmern könnte, insbesondere deshalb, weil der Grad der Einsicht ja auch fließend ist und jeder das Verständnis, welches er besitzt, zum Guten einbringt.

Einige Theologen sprechen von affirmativen Religionen, so als ob Menschen halt an irgendetwas glauben wollten und man ihnen entsprechend etwas vor die Füße wirft. Sie sehen darin gar einen Wert an sich. Aber das ist natürlich Atheismus.

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