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19. August 2011

Technokratie oder Funktionserfüllung

Es entspricht durchaus dem Wesen gar nicht weniger Menschen, sich schlicht darauf zu konzentrieren, ihre Sache gut zu machen, was immer das auch für eine Sache sein mag.

Ich würde dies eine spezielle Form des Heroismusses nennen, welche den achtenden Geistern besonders nahe liegt, wiewohl sie selbstverständlich auch höhere Aspirationen zu haben pflegen, welche ihnen das Leben hingegen einigermaßen leicht austreiben kann.

Man könnte geneigt sein zu sagen, daß es nicht nur viele solcher Menschen gibt, sondern daß sie auch an der Macht sind und für die Regelung unseres Lebens verantwortlich. Jedenfalls wird man unzählige Belege dafür finden.

Aber das stimmt nicht, aus dem trivialsten Grunde nicht: Es gibt keine Ideologie der Funktionserfüllung, welche öffentlich beworben würde.

Begehe ich an dieser Stelle gerade eine Riesendummheit? Sehen wir mal.

Eine Ideologie der Funktionserfüllung, wenn sie denn öffentlich beworben würde, müßte sich den Fragen der Menschen stellen, auch den tieferen, und Antworten auf sie formulieren. Und das wäre gar nicht einmal so schwierig, denn es gibt genügend viele historische Vorläufer, welche sich dazu bereits lang und breit Gedanken gemacht haben, insbesondere im Hinduismus, welcher dies unter dem Begriff Dharma abhandelt, aber auch unter den Griechen, wo beispielsweise Sokrates' Rede in Platons Schriften doch mit schöner Regelmäßigkeit auf die Zweckmäßigkeit als höchstes Ideal der Formgebung einer Sache führt, was im Umkehrschluß natürlich auch bedeutet, daß sich jeder fragen sollte, zu welchem Zweck seine Form wohl zustande gekommen ist.

Und was das Christentum angeht, es handelt schlicht nicht von dieser Frage und steht derartigen Antworten also auch nicht entgegen, allenfalls mag es so scheinen, aber ich lege meine Hand dafür ins Feuer, daß der innere Kompaß eines Menschen ihn nicht auf einen seiner äußeren Form entgegengesetzten Weg führt, sondern vielmehr dazu dient, all jene ihrer Voraussetzungen herbeizuführen, deren Notwendigkeit der fragenden Vernunft verborgen bleibt.

Was hielte Technokraten, wenn sie an der Macht wären, also davon ab, sich selbst zu feiern?

Es ist eben nicht Schwäche oder Schüchternheit, sie blieben nicht lieber im Dunkeln, weil sie das Licht des Tages nicht aushielten. Es wäre auch nicht Rücksicht auf die Tradition, denn wenn überhaupt, dann stünde die Tradition hinter ihnen.

Nichts hielte sie ab, aber etwas hält sie ab. Es gibt offensichtlich Kräfte, welche ihnen nicht über den Weg trauen und welche ihnen ihr Mißtrauen auch selbst einreden, so daß ein heutiger Technokrat von sich nicht unbedingt gut denkt, unverantwortlich größeren Aufgaben gegenüber ist er in seiner Beschränkung auf sein Fach und eine verkümmerte Seele hat er.

Das muß natürlich nicht so sein, das entscheidet er selbst, jederzeit könnte er sich damit beschäftigen, wie größere Aufgaben gemeinschaftlich zum allgemeinen Wohle bewältigt werden könnten und jederzeit könnte er ein Buch aufschlagen und nachlesen, auf welch weiten Wegen seine verkümmerte Seele bereits gewandert ist. (Man verzeihe mir die poetische Ausdrucksweise. Natürlich waren das andere Seelen, auch ihrer Geisteszugehörigkeit nach, aber die gemeinsame Entscheidung für diese Form des Heroismusses stiftet ein gemeinsames Interesse an bestimmten Erfahrungen und Gedanken, über welche sich auszutauschen die Seelen aller Beteiligten bereichert.)

Es ist an und für sich nichts gegen den Technokraten zu sagen. Wer auf die bestmögliche Weise er selbst sein will, handelt richtig. Aber natürlich muß er dazu die verordnete Unmündigkeit abschütteln und sich seiner vollen Verantwortung als Mündiger annehmen.

Wenn er das täte, wäre er auch nicht per se eine Stütze des Totalitarismusses, sondern nur, wenn er sich nach reiflicher Überlegung für letzteren entschieden hätte.

Im Zustand der politischen Unmündigkeit ist er es allerdings, und es ist wiederum etwas, sagen wir, seltsam, daß ausgerechnet jene, welche sich vor seiner Unterstützung des Totalitarismusses am meisten fürchten, die größte Aktivität entfalten, um ihn unmündig zu halten und gleichzeitig dafür sorgen, daß möglichst wenige Jugendliche diesen Weg einschlagen, wodurch selbstverständlich jene, welche es dennoch tun, unersetzbar werden, was offenbar einzig und allein im Interesse fremder Mächte ist, da es die Fähigkeit einer Bevölkerung zur Autonomie empfindlich beschneidet, wenn sie nur eine handvoll Experten hervorbringt, welche gekauft werden können.

Und das betrifft wohlgemerkt jede Art von Experten.

Dieses sind zersetzende Programme, deren Umsetzung von den vermeintlich herrschenden Technokraten auch noch überwacht wird!

Natürlich liegt es nahe zu glauben, daß sie dagegen in naher Zukunft aufstehen werden. Aber es gibt schon auch Vorkehrungen dagegen. Man packt sie in Watte, läßt ihre Töchter in süßlich schweren Phantastereien schwelgen und begegnet ihnen stets unterwürfig und aufmunternd.

Sollten sie trotzdem aufstehen, wird es ganz schnell kalt werden, so schnell wahrscheinlich, daß sie erfroren wären, bevor sie sich überlegt hätten, welchen Mantel sie sich anziehen sollten, es sei denn, es gelänge ihnen, sich europaweit zu koordinieren.

Letzteres ist wohl sachlich möglich, aber auf Grund der vorhandenen kulturellen Unterschiede, sowie des heutigen politischen Klimas, ist ein geschlossenes mündiges Auftreten der Technokraten Europas wohl im Bereich des Utopischen zu verorten, was natürlich nicht heißt, daß es nicht doch einzelne gegensteuernde Maßnahmen geben wird, nur daß auf ein Ruder, wenn es sich nicht in der Luft bewegt, entgegengesetzte Kräfte wirken, welche in der heutigen Situation nur noch ein planvolles und gesamtheitliches Vorgehen in den Griff kriegen kann.

Wenn Technokraten also auch die Macht haben, das Monster, welches sie erschaffen haben, zu bändigen, müßten sie dazu doch so radikal mit ihren bisherigen Leben brechen, daß eine derartige Erweckungsbewegung einmalig in der menschlichen Geschichte wäre.

Der Unmut über den weiteren Gang der Dinge wird hingegen bei vielen von ihnen groß sein und manche werden es vielleicht in Erwägung ziehen, statt Faschisten eine freiheitliche Bewegung zu unterstützen, welche sich gegen die Zersetzung stellt. Nur siegen werden natürlich die Faschisten, bis eines Tages deren titanische Herrschaft, denn eine solche wird es sein, da ihr Ehrenkodex nicht nah genug an den Herzen der heutigen Menschen sein kann, um es ihnen zu erlauben, frei in ihm zu leben, an den Menschen, welche Wertvorstellungen haben, welche ihnen das unter den Bedingungen dieser Herrschaft erlauben, zerbricht.

Der kommende Faschismus wird aber auch gar nicht erst versuchen als mehr zu erscheinen, als was er ist, eine reine administrative Notwendigkeit, welche ihre Regeln durch zynische Rituale durchsetzt.

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