Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

12. November 2011

Von den Ursachen des Todes der Initiative

Ich schrieb bereits davon, daß es leichter ist, etwas nachzumachen als es sich selber auszudenken, und daß sich deshalb außerhalb der technischen Entwicklungszentren ein Geist der Anbiederei breitzumachen pflegt, jedenfalls wo es die Dienstleistungsstruktur, welche wesentlich eine Funktion der Bevölkerungsdichte ist, zuläßt.

Interessanter ist allerdings der Tod der Initiative innerhalb der technischen Entwicklungszentren. Nehmen wir die experimentelle Physik zum Beispiel. Gibt es Prozesse, welche mit einiger Zwangsläufigkeit darin resultieren, daß keine interessanten physikalischen Versuche mehr angestellt werden?

Nun, es gibt offenbar mehrere, wobei allerdings wieder jene, welche sich als Nachlässigkeiten beschreiben lassen, nicht sonderlich interessant sind. Interessieren tut mich einzig der Fall, in welchem scheinbar alles Menschen Mögliche getan wird, und es dennoch zwangsläufig bergab geht.

Um bei der Physik zu bleiben, der Triumphzug der Stringtheorie ist ein Beispiel für ein solches systemisches Versagen des Wissenschaftsbetriebs. Die Gründe für es sind auch hinreichend klar, ähnliches vollzog sich in den 70er Jahren auch mit der Kategorientheorie in der Mathematik, das Problem besteht einfach darin, daß, wenn eine Theorie allgemein als weiterführend akzeptiert wird, sich eine Eigendynamik entwickelt, welche einerseits Studenten in diesen Bereich abzieht und zum anderen eine selbstreferentielle Selbstrechtfertigung in die Wege leitet.

Dies hat aber einen tieferen und zugleich weit allgemeineren Grund. Forschung ist einmalig und Glückssache. Kein Forscher, so er sich einzig um das Interesse der Forschung kümmerte, könnte darauf vertrauen, daß seine wissenschaftlichen Erfolge ihn ernährten. Es geht ihm dabei ähnlich, wie es einem Jäger geht, welcher eine Beute jagt, deren Aufenthaltsort er nicht vorhersehen kann. Und dieses Problem läßt sich solange nicht aus der Welt schaffen, wie ein Forscher mit seiner Forschung seinen Lebensunterhalt bestreitet.

Denn, wenn eine, möglicherweise sogar lebenslange, Anstellung als Forscher auch den unmittelbaren Erfolgsdruck vom Forscher nimmt, so verlagert sie diesen Erfolgsdruck doch nur auf denjenigen, welcher den Forscher anstellt. Und also muß dieser zu Mitteln greifen, welche sicherstellen, daß er seine finanziellen Möglichkeiten nicht erschöpft.

Nur, dies sicherzustellen heißt, Forschung von einer einmaligen Glückssache in eine wiederholbare Disziplin zu verwandeln, und offenbar ganz zwangsläufig, denn der einzige Weg, welcher nicht dazu führte, nämlich Forscher per Los einzustellen, scheiterte aus anderen Gründen.

Um es zusammenzufassen, wirtschaftliche Herrschaft ist eine Herrschaft durch Leistungsentgeltung nach Disziplin, aus diesem Korsett kann sie nicht heraus. Und also muß sie über kurz oder lang dazu führen, daß sich unter ihr niemand mehr mit Dingen beschäftigt, welche ihrem Wesen nach nicht wiederholbare Disziplin, sondern stets wieder einmaliges Glück sind.

Freilich, man wird einwenden, daß es genau aus diesem Grund Risikokapital gibt, doch wozu wird es eingesetzt und auf welcher Grundlage? Doch wohl auf der Grundlage bestimmbarer Risiken zu ihrer Kontrollierung? Und genau die bestehen bei Initiative nicht. Die Natur erwartet keinen Gewinn, wie auch immer es läuft, es ist ihr recht. Nicht aber so einer menschlichen Regierung.

Auch aus diesem Grunde ist eine universell regierte Welt eine Dystopie.

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