Bereitschaftsbeitrag

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19. Oktober 2011

Der Widersacher,

der sich über alles erhebt, was Gott oder heilig genannt wird, und sich in den Tempel Gottes setzt und sich gebärdet, als wäre er Gott.

Nun, genau das widerfährt allen Achtenden, welche ihre Anerkennung nicht von ihren Mitmenschen zu erlangen suchen, sondern durch seine Würdigung.

Das ist nicht neu, aber er hat sich im Laufe der Jahrhunderte doch merklich gewandelt. Was ihn aufhielt und nicht mehr aufhält?

Zwar ist das Geheimnis der Gesetzesfeindschaft schon am Werk; doch noch gibt es den, der es aufhält, bis er dann beseitigt wird.

Offenbar die Kirche, und zwar als politische Organisation. Geschrieben wurde das ja vor dem katholisch-orthodoxen Schisma, ich sehe also keinen Grund für eine diesbezügliche Festlegung (wenngleich die offizielle Position der katholischen Kirche zu diesem Thema natürlich Bände spricht.)

Man beachte auch die genaue Entsprechung: Die blinde Obrigkeitshörigkeit ist schon am Werk, aber noch gibt es die Kirche, welche die Obrigkeit zurückhält, bis sie dann beseitigt wird.

Sie ist bereits beseitigt worden und das zwanzigste Jahrhundert gibt reichen Aufschluß darüber, was passiert, wenn sich die maßgeblichen Autoritäten frei fühlen, alles zu tun, was in ihrem Interesse liegt. Nun, das fing schon früher an, und es währt noch fort, mir liegt es fern, es als eine vorübergehende Krise aufgrund der schlagartigen Erweiterung des technisch Möglichen darzustellen; es ist die neue Regel. Ihr Wesen aber zeigt sich bisher am deutlichsten am zwanzigsten Jahrhundert, und zwar weil während des zwanzigsten Jahrhunderts die Mehrheitsverhältnisse umgeschlagen sind. Was jetzt geschieht, findet weitestgehend im Verborgenen statt, offene Gewalt ist nurmehr ein Schlachtfeld von vielen. Aber im Endstadium dieser Herrschaftsform, welches nicht mehr allzu weit entfernt ist, wird es natürlich auch wieder zu beeindruckend deutlichen Manifestationen ihres Wesens kommen.

Nichts läßt sich auf Gerissenheit alleine bauen. Glaube niemand, daß es auch nur eine bleibende Gesellschaft ohne freien und guten Willen gibt, auch nur eine bleibende Gesellschaft, welche keine Glaubensgemeinschaft ist.

Ich schrieb davon, daß es geboten ist, menschliche Geister und ihre Verbindungen zu lieben, wo dazu die Gelegenheit besteht. Wer es tut stützt dadurch aber nur, stützt das Gesunde, daß es nicht erkranke, so wie auch die Annahme der männlichen oder weiblichen Rolle nur das Gesunde stützt. Freilich, ein paar Menschen werden die paar Verbindungen, welche es überhaupt nur gibt, zum ersten Mal geliebt haben, aber dadurch werden diese beiden Gebote doch nicht zu kreativen Kräften. Unsere transzendente Kreativität ist sehr beschränkt, wir erlauben uns das Neue, nehmen Teil am Bestehenden oder verbieten uns das Alte.

Wenn man es so auffäßt, erscheinen ersteres und letzteres natürlich gleich, aber während das Neue eine Wiederholung unter anderen Umständen ist, ist das Alte Teil von einem selbst, denn durch uns selbst sind wir unter einander verbunden, wir sind Funktionen und Parameter anderer Funktionen zugleich, etwas kann nur dadurch aufhören Parameter zu sein, daß zugleich ein anderes aufhört Funktion zu sein.

Mein Geist wird in dieser Welt nicht mehr heimisch werden, einst öffnete ich mich dem Ungewissen und fand ein Lager für mein Gemüt, doch das Gift des Anrechtsdenkens frißt sich in die Hirne aller Achtenden, gleich wo sie auch leben mögen. Es ist keine Frage der Umstände mehr, ihre spezielle Funktionalität ist das Problem. Handelte es sich bei ihnen um Tiere, wäre Gewalt eine Lösung, so aber liegt es in Gottes Hand seine Ideen vom Menschsein zu überdenken.

Freilich ist das nicht, was Paulus an dieser Stelle anrät. Er ruft, verklausuliert zwar, aber doch deutlich genug, zu einschüchternder Gewalt auf, um die versprengten Schäflein wieder zusammenzuführen. Einzig, daß dies aus dem Grunde unmöglich ist, daß gerade jene, welche es einzuschüchtern gälte, sich als erste darauf stürzten, andere einzuschüchtern.

Ich erinnere an die Shock&Awe-Doktrin der Vereinigten Staaten, welche dann allerdings durch das Erdbeben vor der Küste Sumatras in den Schatten gestellt wurde. Nein, Gott ist nicht tot, und er läßt nicht beliebig Schabernack mit seinem Namen treiben.

Das hat die Äffer einen Moment lang innehalten lassen, aber sie haben sich erholt. Zufälle geschehen halt oder vielleicht war es auch eine Geheimwaffe der Vereinigten Staaten, in welchem Falle der eigene Herr ja nicht in Frage zu stellen wäre.

Nun, darum geht es ihnen mittlerweile natürlich nur noch, sie wollen den Schein von dem behalten, von wem sie wissen, daß sie es nicht haben.

Und was ist mit Menschen, welche wissentlich so tief gesunken sind, zu machen?

Sie stehen lassen, auf ihrem nicht vorhandenen Grund, was sonst?

Aber wenn die Welt genesen soll, muß eben auch ein Teil von ihnen geistig sterben, und die Ursache für ihr Anrechtsdenken ist doch stets Vergötzung, daß sie sich von weltlicher Macht einnehmen lassen, als welche ihnen einzig Anrechte gewähren kann.

Zum Teil spiegelt sich darin natürlich nur das Verdienstprinzip, welches der Kern ihrer Tugend ist, nur muß Macht nicht immer dienstwürdig sein und ist es in der Regel um so weniger, desto mehr sie ihre eigene Dienstwürdigkeit herauszustellen sucht.

Ihr stärkster Götze heute ist der Fortschritt, daß sie als Fortschrittsbringer dienstwürdig sei. Aber ihr sind letztlich alle Götzen recht, der Naturschutz, der vermeintliche Frieden, was auch immer es sei, daß ihr erlaubt Achtende von ihrer eigenen vermeintlichen verdienstvollen Ausrichtung zu überzeugen.

Und diese Vergötzung wird erst dann aufhören, wenn Achtende keine Erfüllung mehr darin finden, einfach auf der richtigen Seite zu stehen und deshalb Anrechte zu haben.

Sterben muß die Vorstellung einer richtigen Seite selbst, wie es scheint. Aber ist das möglich, ohne daß das Richtige mitstirbt?

Wenn es das Richtige gibt, gibt es dann nicht auch die Möglichkeit, sich um es zu scharen?

Gewiß gibt es die, aber eine solche Gruppe ist noch keine Seite in einem Konflikt zwischen richtig und falsch, solange das Richtige sich von Natur aus auf die eigenen Handlungen richtet, und das tut es.

Jemandem zu helfen ist eine solche eigene Handlung, welche indes voraussetzt, daß ich einen anderen frage, bei was er Hilfe braucht. Jede Form ungewollter Beglückung ist abzulehnen, und jede Freude an ihr muß sterben.

Genauer gesagt gab es natürlich nie eine, sondern nur eine Freude an einer sich täuschenden Erwartung. Und dieser Selbstbetrug muß enden.

Mein Gesellschaftsentwurf stellt genau das auf strukturellem Wege sicher, indem es in ihm keine Rolle für eine sich mit Götzen umgebende Macht gibt. Aber kann er jemals realisiert werden, wenn nicht die Menschen zuvor von sich aus diesen Götzen abschwören?

Das denke ich nicht. Aber wie gesagt, jene, welche heute prahlen, stehen auf der höchsten Stufe einer Leiter, welche selbst auf gar nichts steht. Ihr Ende finden sie von selbst, nur was tötete zugleich den Selbstbetrug, auf daß er nimmer wiederkehrte?

In ihren Rationalisierungen spielen Nützlichkeitserwägungen die Hauptrolle, welche man erschüttern könnte, aber das risse das Unkraut nicht mit der Wurzel aus. Freilich, heute berufen sie sich auf Statistiken, um sich selbst als weise Lenker zu feiern, und dem würde durch eine Verschiebung der Normalität schnell ein Ende gesetzt, aber das ist ihr Spiel, die Normalität zu verschieben, und ihr Frevel. Sich dagegen zu wehren, hieße sie aktiv zu bekämpfen, und das ist eine närrische Strategie, da sie gleichsam belagert sind und stets um ihre Versorgung besorgt sein müssen.

Ich wünschte, es wäre kein Fehler, welcher sie verdürbe, sondern ihre Funktion selbst, denn dann wüßte ich, was zu tun wäre, nämlich ihre Funktion zu ersetzen. Aber so?

Oder gibt es einen Grund für diesen Fehler? Ist er selber mit einer Funktion verbunden? Einem Zusammenspiel?

Ich fürchte fast, daß ihre religiösen Vorstellungen schuld sein könnten. Nur leider sind sie diesbezüglich sehr flach und nehmen noch den letzten Mist als kohärente Religion an, so daß es unmöglich sein dürfte, sie von allen Formen der Gläubigkeit zu befreien. Außerdem leben sie in der Meinung, daß die Lüge erlaubt ist, wenn sie nur glücklich macht.

Ich denke, da liegt der Kern. Habe ich ihn also letztlich gefunden. Es wäre leicht, dies gegen sie zu verwenden, aber darauf verzichte ich. Es kann keine Gemeinschaft mit dieser Haltung für mich geben. Gott mag entscheiden, welche Funktion er vorzieht. Möge es auch Achtende geben, welche diesen Makel nicht aufweisen, wenngleich sie nirgends zahlreich zu sein scheinen.

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