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20. Januar 2012

Über den Hang zum Monumentalen

Das Monumentale ist ein Ehrfurcht abverlangendes Vorbild, bezeugt wird es in körperlicher Form durch Monumente und in geistiger Form durch Mythen. Ich hätte also auch vom Mythischen schreiben können, welches auf eben dieselben Weisen bezeugt wird, nur liegt in jenem Begriff zu sehr die Vorstellung, daß es sich dabei nicht um die Wahrheit handeln würde.

Das ist durchaus ein wesenszugehöriger Punkt des Monumentalen, daß es sich bei ihm stets um eine einseitige Darstellung menschlicher Leistungen handelt. Nichtsdestotrotz wäre es verfehlt zu glauben, daß das Monumentale eine rein literarische Kategorie wäre, denn noch jedes Monument und noch jeder Mythos bilden die konkreten Bemühungen eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen, die Welt zu ändern, sie in eine bestimmte Form zu bringen, ab. Der Grund dafür ist der, daß ein monumentaler Wille zur Tat treibt und sich nicht mit der Verfassung von Literatur begnügen kann.

Mir geht es in diesem Beitrag aber nicht um diesen Willen, sondern der Sehnsucht nach Monumentalem als Vorbild. Jener Wille, nun, fußt in dem Bewußtsein der eigenen Überlegenheit bei gleichzeitiger schicksalhafter Stellung der eigenen Person im Fluß der Geschichte. Letzteres ist mir gänzlich zuwider, und ich wage sogar zu behaupten, daß es nie wieder vorkommen wird, denn letztlich bedeutet die schicksalhafte Stellung doch nichts anderes, als daß man der Welt aus seinem Schatz zu geben vermag, was darum heute und auch zukünftig nicht mehr geschehen kann, da die freigesetzten organisierenden Kräfte gleich wilden Feuern über die Köpfe auch noch des Überlegendsten schlagen. Dadurch wird die Sehnsucht nach Monumentalem natürlich pathologisch. Dennoch werde ich mich noch mit ihr beschäftigen, hier allerdings möchte ich einstweilen bei der Situation eines Überlegenen bleiben. Ich sagte, daß mir das Abgeben zuwider ist, und das ist mir auch, zutiefst. Setze niemanden auf einen Pfad, welcher nicht aus ihm selbst hervorgeht, gib ihm nichts in die Hand, was ihn tun läßt, was er nie erträumt. Dieses sind mir geradezu heilige Gebote. Was die Menschen eine glückliche Fügung nennen, ist in den Augen Gottes eine schlechte Komödie. Jeder erhält von ganz alleine, was er verdient. Dahinein sollte man keine Verwirrung rühren.

Aber natürlich können die Umstände von der Art sein, daß nur die Wahl zwischen zwei Übeln bleibt, wo man hervortreten muß, sein Reich zu gründen, da die Geburt von größerem Gewicht ist als die Geburtsschmerzen. Indes, genau dies wird so nicht mehr geschehen, weil die schöpferischen Kräfte zu wild brennen, weil eine monumentale Erneuerung der Menschen sie ausrotten müßte.

Was bleibt? Einerseits der Weg vieler kleiner Kiesel, welche alleine ihren Weg zum rechten Ziele rollen, andererseits ein möglicher Eingriff Gottes mit weiter reichenden Wirkungen als von einem Menschen ausgehen könnten.

Aber kommen wir jetzt endlich zum Hang zum Monumentalen. Er eignet Achtenden, offensichtlich, da sie ja etwas bedürfen, es zu achten, aber längst nicht allen Achtenden. Es ist sogar so, daß Achtende auch die erbittertsten Gegner des Monumentalen sind. Was drückt sich darin aus?

Nun, die geschichtliche Position von Achtenden. Achtende mit Hang zum Monumentalen sind auf der Suche nach einer Kultur, wenn sie aber fündig werden, und sich eine hinreichend vorbildliche Gründung ereignet, so streifen sie in der Folge das Monumentale ab und ersetzen es durch ihre sich immer weiter verfeinernde Geschichte.

Es ist kein Zufall, daß die germanischen Völker den stärksten Hang zum Monumentalen haben. Es ergibt sich schlicht daraus, daß es viele Achtende in ihnen gibt, aber nicht so viele, als daß sie jemals in ihrer Geschichte konsequent diesem Bedürfnis gefolgt wären. Freilich, das hängt alles auch ein wenig von der Umwelt ab, den Finnen geht es an und für sich genauso, wenngleich aus anderem Grund, nur daß dieser Grund unverändert gegenwärtig ist, nämlich die Feindlichkeit der Natur, wohingegen gerade die besonders stark mit Achtenden durchtränkten Germanen (also die Süddeutschen, die Schweizer hatten ihr monumentales Gründungsereignis) immer wieder schwärmerische Phasen haben.

Mich geht das alles ja direkt nichts an, und mich kratzt es auch nicht, daß mein Volk, also die Sachsen, solchen Ansätzen in Achtenden unter ihnen stets mit Spott begegnet ist, als Träumen unreifer Kinder. Aber machen wir uns nichts vor, Unterdrückung ist immer unangenehm. Und besser dann, es wird eine Minderheit unterdrückt als die Mehrheit. Freilich, heute wird es den Sachsen so ausgelegt, daß sie prinzipiell nichts Vorbildliches zu tun bereit wären, was ganz und gar nicht stimmt, aber natürlich die zu erwartende Rache ist. Wie gesagt, die Unterdrückung der Minderheit eines Volkes ist stets humaner als die Unterdrückung seiner Mehrheit.

Im Grunde wäre den Schwaben ja noch ein monumentales Gründungsereignis zu wünschen, selbst die Holländer hatten ja eines, andererseits hatten die Schwaben weiß Gott genug Möglichkeiten dazu und haben sie nunmal allesamt in den Sand gesetzt. Nun, wer zu spät kommt... und so weiter. Ob es am Ende ein neuer Bahnhof tut? Ach, schon gut. Den Transrapid zwischen Hamburg und Berlin hätte ich gern gesehen. Die Linien sind verhärtet, die Atmosphäre vergiftet.

Übrigens, Möllemann mußte deswegen sterben. Weil er an das Monumentale appellierte. Und weil er selbst nicht monumental genug war, um durch seinen Tod einen Mythos zu begründen. Er knüpfte an den Geist der 70er Jahre an, und diese Zeit mit ihren Plattenbauten und Flußbegradigungen war auch der letzte Versuch, monumental zu sein. Woran man exemplarisch den ganzen Ärger damit in der heutigen Zeit erkennen kann.

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