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18. April 2012

Der pietätlose Damaskios

Wir lesen, daß Photios der Große Damaskios pietätlos genannt hat, weil dieser in seinem Hauptwerk ἀπορίαι καὶ λύσεις περὶ τῶν πρώτων ἀρχῶν (Schwierigkeiten und Lösungen zu den ersten Prinzipien) christliche Konzepte unbehandelt ließ.

Das mag nicht direkt falsch sein, aber ich glaube, daß Photios etwas spezifischeres gemeint hat.

Was schreibt denn Damaskios in jenem Werk?

Wenn man der englischen Wikipedia Glauben schenken darf, dann läßt es sich wie folgt zusammenfassen. Sein Hauptergebnis ist, daß Gott unendlich ist, und als solcher unverständlich, daß seine Güte, sein Wissen und seine Macht ihm nur auf Grund ihrer angenommenen Auswirkungen zugeschrieben werden, daß diese Ableitung logisch ist und für das menschliche Denken ausreichend. Stets besteht er auf der Einheit und Unteilbarkeit Gottes.

Nichts läßt sich von Gott sagen, außer daß er einer ist.

Das ist in sofern interessant, als daß Damaskios' Vorgänger, unter anderem Plotinos und Proklos, darüber ganz anders dachten.

Aber hätte das alleine Photios gereicht, Damaskios pietätlos zu nennen?

Damaskios wurde gegen 458 in Damaskus geboren und lebte 538 noch. Um 479 ging er nach Alexandria, um Rhetorik zu studieren. Dort wurde sein jüngerer Bruder Julian von den christlichen Behörden im Rahmen ihres Vorgehens gegen die Heiden, zu welchen Damaskios gehörte, gefoltert. Damaskios hat seiner Ansicht der Sache in folgendem Bericht über Hypatia Ausdruck verliehen.
So war Hypatia, so artikuliert und flüssig in ihrer Rede, wie vorsichtig und höflich in ihren Taten. Zu Recht wurde sie von der ganzen Stadt geliebt und auf bemerkenswerte Weise verehrt, aber die Herrscher der Stadt beneideten sie von Anfang an, etwas, was sich auch in Athen des Öfteren zutrug. Denn wenn die Philosophie selbst auch vergangen ist, ihr Name erscheint den Männern, welche die Herrschaft im Staate ausüben, immer noch groß und verehrenswürdig. Also begab es sich, daß Kyrillos, Bischof der gegnerischen Sekte, als er an Hypatias Haus vorbeikam eine große Menge an Menschen und Pferden vor ihrer Tür sah. Einige kamen, andere gingen und wieder andere standen herum. Als er fragte, warum es dort so eine Menge gäbe und worum der ganze Wirbel ginge, wurde ihm von ihren Anhängern bedeutet, daß es das Haus der Hypatia, der Philosophin, wäre, und sie sich anschickte sie zu grüßen. Als Kyrillos dies hörte, biß ihn der Neid derart, daß er sogleich ihren Mord zu planen begann, und dabei die widerwärtigste Art von Mord. Denn als Hypatia aus ihrem Haus heraustrat, wie es ihre Gewohnheit war, wurde sie von einer Bande gnadenloser und grausamer Männer, welche weder göttliche Strafe noch menschliche Rache fürchteten, ergriffen und niedergemäht, wodurch sie eine unerhörte und schändliche Tat gegen ihr Vaterland begingen. Der Kaiser war wütend, und er hätte sie gerächt, wenn nicht Aidesios bestochen worden wäre. Also rief der Kaiser die Strafe auf sein eigenes Haupt und das seiner Familie, denn sein Nachfahre bezahlte den Preis. Die Erinnerung an diese Ereignisse ist noch immer lebendig unter den Alexandrinern.
Nicht jene Männer, den Kaiser, welcher solches zuläßt, trifft die Schuld, und da ja auch erst nach seinem Tod sicher ist, was er zuließ, muß die Strafe folglich seine Nachfolger treffen.

Das ist natürlich das Wesen jeder Verfehlung, daß der augenblickliche Nutzen über den späteren Schaden gestellt wird, und nicht selten trifft der Schaden nicht den, welcher den Nutzen hatte, sondern einen seiner Nachfolger. Daraus ergibt sich natürlich auch wieder die Verpflichtung zur Rechtsprechung, in dieser Sicht als vorgezogene Strafe Gottes, um den Schuldigen zu treffen und die Unschuldigen zu schützen.

Diese Verpflichtung läßt sich auch anders erkennen, und nichts ist darüber gesagt, wie der Schuldige zu treffen ist. Indes liegt in der obigen Sicht ein gewisser Charakterzug, eine gewisse Freude daran, daß die Strafe schon irgendjemanden treffen wird. Und wie würde wohl so jemand die Notwendigkeit zu strafen darstellen, wenn nicht als Liebesdienst in der Gewaltausübung?

Wer Unrecht, weil er edler ist, klarer verspürt als andere, soll es, ruhig auch wütend, strafen. Wut ist gut, Korruption ist schlecht. Du selbst zweifelst vielleicht am Sinn deiner Wut, aber wenn du auf das große Ganze siehst, siehst du, daß viele einzelne Wutausbrüche die Fäulnis der Gesellschaft verhindern, vorausgesetzt, sie bleiben nicht folgenlos.

An dieser Stelle sollte es dem Leser langsam dämmern, warum Photios Damaskios pietätlos nannte.

Er hatte das Wissen, sowohl die Kenntnis des syrischen Arabischen als auch die Versatzstücke der aristotelischen Naturbeschreibung, welche über den ganzen Koran gesprenkelt sind. Aber wichtiger ist, daß Damaskios eine scharfe Menschenkenntnis besaß, und es ihm Vergnügen bereitete, auch noch die Fehler seiner eigenen Vorbilder offenzulegen. Wie könnte er sich über die Menschen im allgemeinen anders geäußert haben, als in einer schier endlosen Bloßstellung ihrer Schwächen?

Spätestens 515 wurde Damaskios zum letzten Oberhaupt der Platonischen Akademie und 529 wurde sie von Iustinianus geschlossen. Bis zu seinem Tod im Jahre 565 hatte er noch die Chance, sie wiederzueröffnen. Danach war es klar, daß Gott einen seiner Nachfolger für sein Vergehen strafen würde.

Muhammad wurde gegen 570 geboren.

Die genaue Verwicklung der Sassaniden zu klären, welche Damaskios 532 für ein Jahr besuchte, ist für den Gegenstand der Untersuchung hier zwar nicht uninteressant, aber letztlich unerheblich.

Übrigens findet sich die genaue Entsprechung zur Geschichte der Ermordung der Hypatia im angeblichen Brief Herakleios' an Muhammad, der Kaiser erkennt die Wahrheit wohl, einzig sein Umfeld ist korrupt.

Oder ist das alles Zufall, Damaskios nur irgendein heidnischer Araber, welcher die Christen aus persönlichen Gründen haßte, andere Philosophen für ihre Zuschreibung von Eigenschaften zu Gott, als zu ihm selbst gehörig, angriff, die Machteliten für korrupt hielt und in der zeitigen Bestrafung von Vergehen die einzige Abwendung größeren Übels sah?

Es ist unmöglich das zu glauben. Damaskios ist der Autor des Korans. Und um es zu beweisen, verweise ich auf meine eigenen Beiträge hier, welche auch als Suren durchgehen könnten. Zehn von ihnen mindestens.

Bin auch ich pietätlos?

Was ich selber denk und tu, das trau ich auch den andern zu.

Nun, schon als Kind begriff ich, daß Wut zuvörderst ein Appell ist, welcher indes zumeist ungehört verhallt. Wer im Angesicht eines Wutausbruchs sein Unrecht nicht einsieht, wen die Scham nicht abzustehen zwingt, dem kann durch ihn nicht geholfen werden, und er muß fürwahr darum später einen höheren Preis bezahlen.

Im Gegensatz zu Damaskios sehe ich indes keinen Grund, den, welcher meine Liebe nicht verdient, zu lieben. Er wird, und er soll auch, später eine größere Strafe erhalten. Nicht werfe ich meine Wut dem vor die Füße, welcher in ihr nur Gewalt erblickt. Er verdient diese Form der persönlichen Auseinandersetzung nicht. Mit ihm ist umzugehen, wie mit einer Figur auf einem Schachfeld, das Wohl derjenigen im Auge behaltend, für deren Wohl es sich zu sorgen lohnt.

Das ist der Weg der Kirche. Darin liegt der wesentliche Unterschied zum Islam.

Indes, wenn wir die heutige Zeit betrachten, so finden wir die Freimaurer an der Stelle Gottes, und die Kirche setzt auf die völlige Zerrüttung der Ordnung, um die Liebe zu ihr wieder zu entfachen. Kann das überhaupt funktionieren?

Die Tyrannei verschlingt die bürgerliche Gesellschaft von innen heraus, der Tyrann stützt sich auf sein Wissen, aber Wissen ist flüchtig und verflüchtigt sich in alle Richtungen, und schwindet seine Bedeutung also, wird derjenige Herrscher, welcher die größte Gruppe Gewisser hinter sich weiß.

Unter diesen Umständen, kann die Kirche da die natürliche Überzeugung der Religiösen in ihre Bahnen lenken?

Es wird nicht schön, ich sehe da keinen Platz für Haarspaltereien.

Ich hoffe aber, daß die Weisheit groß genug sein wird, den Weg der Kirche zu beschreiten und nicht den Weg des liebenden Tötens, denn der Weg der Kirche ist überlegen, wie die Geschichte beweist.

Berwick's eigentliche Bedeutung besteht darin, für die christliche Sache den Weg des Islams beschritten zu haben. Er ist ein abschreckendes Beispiel genau dafür. Denn nichts gibt es so zu gewinnen. Jede Gesellschaft, in welcher Menschen ihre heilige Wut auf diese Weise gegen die Ungläubigen schleudern, wird am Ende genauso aussehen wie die islamische Welt.

Indes, während ich durchaus die Hoffnung hege, daß wir in Europa in der Krise, wenn auch nicht zur Kirche, so doch auf den Weg der Kirche zurückfinden, so kann ich nirgends sonst auf der Welt einen solchen Prozeß erkennen. Das jüngste Gericht vollzieht sich ausschließlich hier und muß es, wenn man seinen kulturellen Hintergrund bedenkt, auch.

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