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8. April 2012

Der Führer des Gespanns

Es ist doch kurios.

Platon schreibt.
Wie ich im Anfang dieser Erzählung dreifach jede Seele zerteilt habe, in zwei roßgestaltige Teile und drittens in den dem Führer ähnlichen, so bleibe es uns auch jetzt noch angenommen. Von den beiden Rossen, sagten wir weiter, sei eines gut, eines aber nicht. Welches aber die Vortrefflichkeit des guten und des schlechten Schlechtigkeit ist, haben wir nicht erklärt, jetzt aber müssen wir es sagen. Das nun von beiden, welches die bessere Stelle einnimmt, von geradem Wuchse, leicht gegliedert, hochhalsig, mit gebogener Nase, weiß von Haar, schwarzäugig, ehrliebend mit Besonnenheit und Scham, wahrhafter Meinung freund, wird ohne Schläge nur durch Befehl und Worte gelenkt; das andere aber ist senkrückig, plump, schlecht gebaut, hartmäulig, kurzhalsig, mit aufgeworfener Nase, schwarz von Haut, glasäugig und rot unterlaufen, aller Wildheit und Starrsinnigkeit freund, rauh um die Ohren, taub, der Peitsche und dem Stachel kaum gehorchend.
Ehrliebend mit Besonnenheit und Scham, wahrhaftiger Meinung freund, wird ohne Schläge nur durch Befehl und Worte gelenkt.
zuletzt aber, wenn des Ungemachs kein Ende ist, gehen sie dann von jenem fortgerissen, nachgebend und versprechend das gebotene zu tun, und so kommen sie hin und schauen des Lieblings glänzende Gestalt. Indem nun der Führer sie erblickt, wird seine Erinnerung hingetragen zum Wesen der Schönheit, und wiederum sieht er sie mit der Besonnenheit auf heiligem Boden stehen. Dieses erblickend fürchtet er sich, und von Ehrfurcht durchdrungen beugt er sich zurück, und kann sogleich nicht anders als so gewaltig die Zügel rückwärts ziehen, daß beide Rosse sich auf die Hüften setzen, das eine gutwillig, weil es nie widerstrebt, das wilde aber höchst ungern.
Wird seine Erinnerung hingetragen zum Wesen der Schönheit, und wiederum sieht er sie mit der Besonnenheit auf heiligem Boden stehen.

Das edle Roß gehorcht angemahnten Erwartungen und der Führer ist gestimmt?

Aber das ist doch kurios!

Nach meiner Darstellung der Sache im letzten Beitrag motivieren uns Lust, Ehrgefühl und Sorge.

Nun ist es offensichtlich so, daß wir uns mit dem Ehrgefühl identifizieren, man blicke nur auf den Begriff der Selbstbeherrschung. Ich mag zu einer leichteren Stimmung hinstreben oder auch zu einem Genuß, aber ich tue es nur, wenn ich mich nach Erwägung der Sache dafür entscheide. Also, wer bin ich? Offensichtlich derjenige, welcher der Erwartung nachkommt, selbstbeherrscht zu sein.

Uns erscheint es also so, daß das edle Roß gestimmt ist und der Führer angemahnten Erwartungen gehorcht.

Was ist das? Ein Ausrutscher Platons?

Er hat natürlich einen guten Grund, die Stimmung über die Ermahnung zu erheben, denn die Stimmung steht über der Ermahnung, soweit es die Ebenen der Existenz betrifft. Deshalb ist es ja auch das erste Gebot des Glaubens, Gott zu lieben, also sein Ehrgefühl darauf zu richten, der Sorge ein Ohr zu leihen.

Und so betrachtet stimmt es wieder, die Sorge spricht zum Ehrgefühl und das Ehrgefühl gehorcht.

Das schlechte Roß, das ist die Lust, das edle, das sind wir und der Führer, das ist unsere Stimmung.

Platon scheint es Freude bereitet zu haben, mißverstanden zu werden. Nun, man kann es glauben.

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