Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

24. November 2012

Zur Problematik des Werkzeuggebrauchs

Wenn der Mensch zu einem Werkzeug greift, so sieht er das in aller Regel als einen Ausdruck seiner Wahlfreiheit an und übersieht dabei, daß er damit in aller Regel zugleich weiteren Werkzeuggebrauch notwendig macht.

Nirgends ist dieser Zusammenhang so deutlich zu erkennen, wie bei der Betrachtung von Geschützen und Festungen, womit ich mich jüngst im Beitrag Voraussetzungen und Nutzen des Soldatenstaats beschäftigt habe. Aber die Problematik ist allgemeinerer Natur, und sie verlangt zum ersten, daß ihr Wesen klar benannt werde und zum zweiten, daß die möglichen Ansätze zu ihrer Lösung besprochen werden.

Das Problem beim Werkzeuggebrauch ist nun, daß der Mensch genauso wenig wie irgendein anderes Lebewesen seine Prothesen in seine Evolution einbeziehen kann, und dabei spielt es letztlich keine Rolle, ob diese Prothesen elektrisch, mechanisch oder auch biologisch sind, denn wenn letztere sich auch weitervererben ließen, so endet an dieser Stelle doch die menschliche Evolution, denn sich selbst zum zu gestaltenden Objekt zu machen ist etwas gänzlich anderes.

Freilich, das Endergebnis ist nicht ganz das gleiche, in den ersten beiden Fällen verzichten wir auf einen Teil unserer Funktionalität zu Gunsten einer bestimmten Prothese und im dritten überlassen wir unsere Evolutionsgeschichte einem Frankensteinmonster, welches wir an unsere Stelle setzen, mit anderen Worten behalten wir nicht einen verminderten Bereich für uns, sondern teilen uns einen erweiterten Bereich mit etwas Fremdem, denn fremd sind uns unsere eigenen Werke.

Wir lernen in der Schule, daß dies dem Menschen schon vor langer Zeit begegnet ist. Aber stimmt das? Braucht man ein Fell in den Tropen? Und was die Krallen angeht, nun gut, irgendetwas wird sich immer greifen lassen. Wenn dieses also vielleicht auch ein gültiges Beispiel ist, was letztlich davon abhängt, ob man eine bestimmte Prothese fixiert oder nicht, so liegt darin noch kaum ein evolutiver Verzicht.

Heute hingegen muß man damit beginnen, Entwicklungen, welche uns an Prothesen fesseln werden, zu überschauen.

Ich sehe im wesentlichen drei solche Entwicklungen.
  1. Störungen unserer Umwelt durch Chemikalien, radioaktive Strahlung, Biowaffen, unnatürlich leichte Verbreitungs- und Mutationsbedingungen für Viren oder auch durch gentechnisch veränderte Pflanzen könnten uns dazu zwingen, uns selbst gentechnisch zu modifizieren.
  2. Fortschritte in der Waffentechnik mögen elektrische Implantate erzwingen, um unsere sensorischen Fähigkeiten zu verbessern.
  3. Fortschritte in der künstlichen Intelligenz werden uns zwingen, unser Überleben maschineller Planung anzuvertrauen.
Und siehe, ich gebe euch ein neues Gebot: Erfindet nicht, was die Anpassung des Menschen an seine Umwelt aufhebt.

Darauf müßte sich die Menschheit verständigen und es dann jeweils vor Ort in der Gemeinde überprüfen.

Nun ja, das ist vielleicht ein etwas unbedarfter Lösungsvorschlag.

Kommen wir an dieser Stelle vielleicht wieder zurück zum Militär. Wenn das Militär vom Rest der Gesellschaft unabhängig wäre, wir also einen Soldatenstaat vorliegen hätten, so bestünde eine zufriedenstellende Lösung darin, lediglich das Militär mit allen nötigen Prothesen auszustatten. Nun, in puncto künstlicher Intelligenz ist dies vielleicht nicht gänzlich zufriedenstellend, aber immernoch vergleichsweise gut.

Dummerweise ist das Militär aber nicht vom Rest der Gesellschaft unabhängig, und kann es unter den betrachteten technischen Rahmenbedingungen auch nicht sein. Allenfalls eine vollständig autonom agierende Roboterarmee wäre es, aber diese Lösung ist auch keine besonders gute, und die Roboterarmeee wäre es auch nur dann, wenn ihr Intelligenzvorsprung groß genug wäre, um den Innovationsnachteil desjenigen, welcher technisches Gerät aus Speichern beziehen muß, anstatt es im Verlauf der Auseinandersetzung produzieren zu können, wettzumachen.

Was bleibt sonst?

Massiver Protheseneinsatz über das Militär hinaus, aber das schafft schwerwiegende soziale Probleme, da eine derartig zweckgebundene Elite erstickend auf eine Gesellschaft wirkt und also möglichst klein und isoliert sein sollte.

Vielleicht liest der eine oder andere das Vorige und sieht da noch einen gewissen Spielraum. Das mag auch so sein, aber letztlich sind wir an einem Punkt angelangt, an welchem wir unserer Pflicht zur Gewissenhaftigkeit nicht mehr vollständig nachkommen können. Natürlich können, und sollten wir wohl auch, bis zu der Grenze gehen, ab welcher wir unsere eigene Evolution aufgäben. Aber dabei bleibt ein Restrisiko, und wie mir scheint kein kleines, wenn sich unser Verständnis des Wertes des Lebens nicht grundlegend ändert.

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