Bereitschaftsbeitrag

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11. Dezember 2012

Von wirklichen und vermeintlichen Revolutionen

Wenn drei zusammen sind und essen gehen wollen, zwei von ihnen dasselbe Stammlokal haben und der dritte ein anderes, und nicht nur einmal, sondern regelmäßig, in welchem Lokal werden sie dann wie oft essen?

Unter welchen Umständen werden sie zweimal das eine und einmal das andere wählen?

Ein einfacher Gradmesser für den Wunsch, seinen Mitmenschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Oder auch nicht, nicht wahr?

Wenn wir uns diese Situation ohne weitere Spezifikationen vorstellen, so scheint es uns Gerechtigkeit zu sein, um was es hier geht, aber genauer betrachtet handelt es sich um Gefallen, welches die ersten beiden dem dritten gönnen, und Gerechtigkeit ist es nur in sofern, als er das selbe Recht darauf hat, daß ihm ein Lokal gefällt, wie die anderen beiden.

Denn würden die ersten beiden den dritten beispielsweise aushalten, so wäre das Eingehen auf seinen Lokalwunsch schon mehr, als bloß gerecht zu sein, und es zu verweigern, weniger als Unrecht.

Gerecht will jeder Mensch sein. Aber abgesehen davon, daß es unterschiedliche Vorstellung davon gibt, was gerecht ist, weil es unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, was es zu gewähren gilt, gibt es auch noch das Problem einer grundlegenden Müdigkeit bei der Anwendung des Rechts.

Wie leicht ist es, jemanden um einen Gefallen zu prellen, indem man seinen rechtlichen Status leicht verbiegt.

Der Grundgedanke der öffentlichen Sache, der Republik, kann nur aus glühenden Herzen fließen, Herzen, erfüllt vom Wunsch, sich gegenseitig gemeinschaftliche Rechte und Pflichten zu geben, wozu das Fehlen einer Vorgeschichte Bedingung ist, denn nur wenn man sich unter einander in der selben Lage wähnt, glaubt man an die gemeinschaftliche Befreiung zum eigenen Recht, und nur wenn man keine Vorgeschichte unter einander besitzt, wähnt man sich in der selben Lage.

Die Uneigentlichkeit des Lebens, die gesellschaftliche Unverbundenheit, das Neben einander her Leben, dies ist die Voraussetzung jeder Bemühung um die öffentliche Sache.

Gesellschaftliche Erweckungen, oder Revolutionen, müßten, um ihrem Namen gerecht zu werden, indes nicht nur diese Umstände ausnutzen, sondern auch Abhilfe für sie schaffen.

Und wenn der Blick so angeleitet ist, wird er auch die wirklichen geschichtlichen Revolutionen von den vermeintlichen zu scheiden wissen. Menschen verbinden sich nicht unter einander, wenn sie keinen gemeinsamen Glauben besitzen.

Berufsrevolutionäre, welche jede Form der Verbundenheit anspringen, um sie zu zersetzen, können keine wirkliche Revolution auf den Weg bringen, und es gäbe sie auch nicht, wenn der Protestantismus nicht Welt und Heiligkeit von einander getrennt hätte, mehr dazu im wirklich sehr bedeutungsschweren Beitrag Touristen geschrieben vor 364 Tagen, nur deshalb dieser Dauerangriff, weil es im Intellektuellen keine Dauer gibt.

Und so sieht die Welt im wesentlichen heute aus, im Zentrum wütet die Entwurzelung, und um sie herum ducken sich gewachsene Verbindungen, so gut sie es können, unter ihren Hieben weg.

Wenn mal einer landet, heißt das Revolution, ist aber nur Verwüstung.

Ich schrieb davon, was die vier menschlichen Geister gewähren wollen, Ringende Sicherheit, Suchende Aktionsfähigkeit, Achtende Vertrauenswürdig- und Versuchende Reaktionsfähigkeit, und wie diese Garantien einander entgegengesetzt sind, die Sicherheit der Aktionsfähigkeit und die Vertrauenswürdigkeit der Reaktionsfähigkeit: Kontrolle der Handlungsfreiheit, Vertrag der Anpassungsfähigkeit.

Eine Überwindung dieser Widersprüche kann es nicht geben. Und mittlerweile sehe ich auch die Situation in den baltischen Staaten mit anderen Augen. Denn dort bilden Versuchende mit Pflegenden einen gesellschaftlichen Verbund und nicht mit Leistenden, das heißt es liegt kein Widerspruch bezüglich der gesellschaftlichen Garantien vor, beide wollen die Reaktionsfähigkeit gewähren, wenn auch auf andere, mit einander verbindbare Weisen.

Und was den Islam angeht, er ist eine Waffe der Suchenden gegen die Ringenden, stellt also eine Möglichkeit des Zusammenlebens beider dar, aber dies ausschließlich auf dem Fundament der Dominanz des einen Teils über den anderen.

In dem Maße, in welchem die Entwurzelung ihre Herzländer umkrempelt, ergibt sich in ihnen tatsächlich die Möglichkeit zu einer erfolgreichen Islamisierung, da durch diese das gesellschaftliche Verhalten der Menschen auf das Niveau der Ringenden gepreßt wird, und somit in den Menschen, welche dies von Natur aus nicht sind, das Bedürfnis nach einer Waffe gegen diese Umstände geweckt wird.

Aber sonderlich wahrscheinlich ist es nicht. Indes, auf die eine oder die andere Weise wird der Zustand der Spaltung von Welt und Heiligkeit enden. Was er sich noch nicht unterwerfen konnte, hat gute Chancen, diese Wiedervereinigung zu überleben. Und was seinen Geltungsbereich angeht, so muß dieser durch eine wirkliche Revolution gehen.

Das wird indes noch dauern, die Zuversicht der ihn Beherrschenden gilt Methoden, nicht Werten. Was auch immer ihnen begegnet, sie suchen nach einer Parallele - und manchmal werden sie auch wirklich fündig - und gedenken die selben Methoden auf es anzuwenden, welche sie zuvor im parallelen Fall einsetzten.

Wenn der Fall ganz parallel liegt, gelingt dies auch, indes können bereits zeitgeschichtliche Faktoren diese Parallelität stören und darüberhinaus biegen sie sich natürlich auch die Welt zurecht. Insbesondere negieren sie den Unterschied zwischen Rechts- und Unrechtsbewußtsein, darauf vertrauend, daß Widerstand und Unterwerfung in beiden Fällen im wesentlichen das Selbe sind, daß man den Verbrecher also genauso wie den Helden beherrschen kann. Wer es nicht glaubt, der frage sich nur, wann sie zuletzt in Fragen des Rechts und Unrechts an die Öffentlichkeit getreten sind.

Dies ist ihnen ein reines Hindernis geworden, sie werden beherrscht von ihren Träumen, gespalten wie sie sind, mit dem Kopf in den Wolken, mit den Füßen auf dem Boden der Tatsachen.

Wie gesagt, es wird vergehen.

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